Ein Leser meines Blogs auf Technology Review über Bill Gates's Atomprojekt TerraPower und den Monju-Reaktor beklagte sich gestern, dass ich keine Gründe für Japans Festhalten an der Brütertechnik aufgeführt hätte, die die Kosten in den Augen der Planer rechtfertigen würden.
Das stimmt und hat einen Grund. Mit einer Wirtschaftslichkeitsrechnung kommt man bei einem Zeitrahmen von 40 Jahren (von heute aus gerechnet) und von 70 Jahren (von der Baugenehmigung für Monju aus gerechnet) bis zum erhofften Start der Kommerzialisierung der Technik im Jahr 2050 nicht weit.
Kein wirtschaftlich denkender Kraftwerksbetreiber ist bereit, die Technik aus eigener Kraft zu entwickeln. Selbst die Franzosen sind ausgestiegen. Es handelt sich daher m.E. nur um eine strategische Entscheidung, die sich nicht direkt in Geld aufwiegen lässt. Darum habe ich im Blogeintrag darauf verzichtet, liefere aber hier gerne ein paar Gründe nach, die auch im Forum zum Blog nachzulesen sind:
(Eine Chronik des Monju-Reaktors gibt es weiter unten im Blog oder direkt hier...)
1. Industriestrategie: Japans Regierung will den drei lokalen Kraftwerksbauern Know-how auch in der Brütertechnik verschaffen. Solange kein anderes Land in die Technik wieder einsteigt, sind Japans Hersteller die einzigen weltweit, die über Know-how in allen Reaktortypen verfügen. Japan betreibt auch einen experimentellen Hochtemperaturreaktor. Der Weltmarkt lockt.
2. Energiestrategie: Japans Regierung will durch den Ausbau der Atomkraft und ab 2050 durch Brutreaktoren die bisher hohe Abhängigkeit von Energieimporten senken. Dazu versucht das Land, den nuklearen Brennstoffkreislauf zu schließen, siehe Monju und die Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho (eine weitere müsse noch gebaut werden, da Rokkashos Jahreskapazität
von 800 Tonnen nicht ausreicht, um die jährlich anfallenden 1000 Tonnen an abgebrannten Nuklearbrennstoff wiederaufzubereiten, sagte gestern der Vorsitzende von Japans Atomenergiekommission Shunsuke Kondo).
Plutonium genug hat das Land ja inzwischen aufgehäuft (wie im Blog beschrieben). Und durch schnelle Brüter könnte das Land immer weiter spaltbares Material erzeugen, das vorhandene Material deutlich effektiver nutzen und so seine Energieversorgung auf Jahrhunderte sichern. (Kondo betonte heute im Gespräch, dass Leichtwasserreaktoren nur ein Prozent des Potenzials von Uran nutzen würden, schnelle Brüter hingegen 70 bis 80 Prozent.)
In einem ersten Schritt will Japan das Plutonium in Mox-Brennelementen (Mox steht für Mischoxid) in Leichtwasserreaktoren verfeuern und die abgebrannten Brennstäbe zwischenlagern, bis die schnellen Brüter ab 2050 ans Netz gehen. Bis 2100 sollen die schnellen Brüter etwa 70 Prozent des Stroms produziern, entnehme ich einer von Kondos Grafiken.
3. Klimapolitik: Die Atomlobby glaubt, dass Japan nur mit Hilfe der Atomkraft die CO2-Senkungsziele der neuen Regierung (bis 2020 minus 25 Prozent im Vgl. zu 1990) erzielen kann. Acht Prozent sollen vom Ausbau der Atomkraft stammen (neun neue Reaktoren, Anhebung der
Kapazitätsauslastung von derzeit 60 auf 80 Prozent). Bis 2030 soll der Anteil der Akws an der Stromerzeugung von derzeit 30 auf 49 Prozent ausgebaut werden, so Kondo.
4. aber darüber spricht man nicht offiziell, Militärstrategie: Japans Aussenpolitik beruht zwar seit den 1960er Jahren auf den drei nichtnuklearen Prinzipien (weder Atombomben zu entwickeln, zu produzieren noch im Land zu stationieren). Aber das Land besitzt über das Know-how und die Raketen, innerhalb kurzer Zeit zu einer Atommacht aufzusteigen. Ob es sich um Wochen, Monate, ein Jahr oder mehrere Jahre handelt ist umstritten, nicht aber die Möglichkeit.
Dazu wird die atomare Bewaffnung immer offener diskutiert. Selbst ehemalige Ministerpräsidenten haben inzwischen gesagt, dass Japan trotz seiner pazifistischen Verfassung auch Atombomben besitzen dürfte - als Verteidigungswaffe.
Nun denn, was kann man noch dagegen einwenden?
1. Da ist das leidige Problem mit der Entsorgung. Die ist nicht ansatzweise gelöst. Bisher hat sich keine Gemeinde in Japan freiwillig gemeldet, um sich als Endlagerstätte anzubieten. Bei 54 Atommeilern im Land wird das langsam zum Problem. Aber der Marianengraben ist nicht weit.
2. Sicherheit: Eine Kernschmelze hat nun mal auf die Bewohnbarkeit der Umgebung akut eine andere Auswirkung als die Explosion eines Kohlekraftwerks oder ein Kurzschluss in einem Solarkraftwerk. In Japan gilt dies umso stärker, weil die Bevölkerung in wenigen Ballungsräumen hoch konzentriert wohnt.
Dass Japan das Land mit den meisten Erdbeben auf der Welt ist, darunter mehrere Regionen mit dem Potenzial von Beben der Stärke 8 und höher auf der Richterskala, erhöht das Risiko von Gaus gegenüber Ländern wie Deutschland beträchtlich (achja, nicht zu vergessen
Vulkanausbrüche, 40 heiße Schlote stehen hier glaube ich über die Inseln verteilt).
Dazu kommen natürlich noch die Verunreinigungen durch Wiederaufbereitungsanlagen. Aber Japan ist von jeder Menge Wasser umgeben, da hoffen die Planer wohl auf Verdünnung der Radioaktivität (bin mit aber nicht sicher, ob ich dann noch Fisch aus Nordjapan, besonders den von dortigen Fischern gefangenen edelsten Blauflossenthun, noch essen möchte, nachdem Rokkasho im Oktober 2010 - so wenigstens der derzeitige Plan - losrecyceln wird).
Und auf die herrschenden Zweifel an der Gründlichkeit der Betreiber bin ich ja im Blog eingegangen.
3. Kosten: Die Gretchenfrage ist natürlich, warum der Staat nicht für ähnlich viel Geld in die technische Entwicklung von alternativen Energien wie der Sonnenenergie und Wasserstoffwirtschaft, neue Stromnetze oder das Energie sparen pumpt, wo durch wodurch vielleicht technische Sprünge ermöglicht werden würden, die die Abhängigkeit von relativ gefährlichen Techniken wie der Atomkraft senken könnten. Besonders in einem Land wie Japan, das - siehe oben - oft von Erdbeben und Vulkanausbrüchen heimgesucht wird, macht das m. E. schon Sinn.
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