Mittwoch, 24. März 2010

Tech-Blog: Chronik des Schnellen Brüters Monju







BRANDNEU MONJU-START VERSCHIEBT SICH
Der Neustart des schnellen Brüters Monju verschiebt sich Japans schneller Brüter Monju wird wegen einem politischen Fingerhakeln zwischen der Präfektur- und der Zentralregierung nicht wie geplant Ende März wieder in Betrieb genommen werden können. Dies erklärte heute der Chef der japanischen Atomkommission Shunsuke Kondo. "Erwarten Sie nicht, dass das Problem bis Ende März gelöst ist", so Kondo.
Ein konkretes Datum für die in Inbetriebnahme des japanischen Prestige-Meiler nach 15 Jahren unfallbedingter Zwangspause vermag derzeit keiner der Beteiligten zu nennen. Denn der Gouverneur will nach Insideraussagen seine Zustimmung gegen Zugeständnisse der Regierung wie einen Schnellzuganschluss verkaufen.


Im wöchentlichen Blog auf Technology Review, der diesmal aus aktuellem Anlass am heutigen Mittwoch erscheint, schreibe diesmal über Japans Schnellen Brüter Monju, den die Regierung noch diesen Monat nach 15 Jahren Pause wieder in Betrieb nehmen will. Hier gibt es eine Chronik über die Entwicklung der japanischen Atomindustrie.


Monju ist derzeit der einzige Schnelle Brüter weltweit, der Plutonium verwendet. Für Atomkraftfans ist er ein Hoffnungsträger, denn verspricht nahezu unerschöpfliche Energiereserven. Nur macht die Technik ihrem Namen keine Ehre: Sie hat sich extrem langsam entwickelt. Ein Grund ist ein Unfall im Jahr 1995, in dem das Kühlmittel Natrium ausgetreten ist und ein Feuer verursacht hat. Seither steht der Reaktor still. Nach den jüngsten Visionen wird die Kommerzialisierung der Technik 70 Jahre später als ursprünglich geplant stattfinden.
Durchaus möglich, dass Bill Gates den Japanern mit dem Laufwellenreaktor seines Atom-Start-up TerraPower bis dahin die Suppe versalzt. Nun ja, glücklicherweise könnten die Japaner die Suppe selbst auslöffeln, da TerraPower nach vertrauenswürdigen Informationen bei der Entwicklung des Reaktors mit Toshiba zusammenarbeiten will wie mein gestriger Blogeintrag kurz notiert. 


Hier eine kurze Chronik des japanischen Atomprogramms. Einträge mit Bezug zum Monju-Reaktor sind rot gefärbt.


1954   Im Jahr 1954 startet Japan sein Programm zur friedlichen Nutzung der Atomenergie.


1955   Das erste Atomenergiegesetz tritt in Kraft.


1956   Japan beschließt den ersten Plan zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Atomenergie. Die Brüter-Technik nimmt in der Vision eine wichtige Rolle ein. 


1961   2. Fünf-Jahresplan setzt 1980er Jahre als Zieldatum für die kommerzielle Nutzung der Brütertechnik. 


1963   Japan startet Asiens erstes Atomkraftwerk, ein 13-MW-Versuchsreaktor in Tokai/Präfektur Ibaraki, den Japan Power Demonstration Reactor (JPDR, 動力試験炉 Dōryoku shikenro). 


1965   nimmt der JPDR den kommerziellen Betrieb auf. Er wird er 1976 stillgelegt. In den folgenden Jahren, besonders in den 1970er Jahren treibt Japan den Ausbau der Atomenergie massiv voran.


1967   Die Regierung gründet einen Vorläufer der heutigen Betreibergesellschaft des Monju-Reaktors: Die Power Reactor and Nuclear Fuel Development Corporation wird 1998 in Japan Nuclear Cycle Institute umbenannt und 2005 mit Japans Atomenergie-Forschungsinstitut zur japanischen Atomenergiebehörde (JAEA) zusammengefügt, die für den Betrieb einer Reihe von Versuchsreaktoren zuständig ist.


1969   Japan führt die erste erfolgreiche Urananreicherung durch.


1971   Die Wiederaufbereitungsanlage in Tokai nimmt den Betrieb auf.


1977   Der experimentelle Brutreaktor Joyo erreicht Kritikalität, dicht gefolgt von Fugen im Jahr drauf.


1979   Aufsehen erregender Atomunfall in den USA: Teilweise Kernschmelze im Reaktor in Three-Mile-Island, zwölf Tage nachdem der Film The China Syndrome mit Jane Fonda in die Kinos kam, in dem ein Super-Gau medial durchgespielt wurde.


1985   Grundsteinlegung für den Schnellen Brüter in Monju.


1986   Tschernobyl-Unfall: Der bislang schwerste Atomunfall der Welt gibt der Anti-Atom-Bewegung in Deutschland Auftrieb. Japans Regierung hingegen treibt ihre Atompläne unbeeindruckt voran. Der Bau des Monju-Reaktors geht weiter. 


1993   Baubeginn der Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho/Präfektur Aomori. Kritiker behaupten, die Anlage befinde sich in einer Region, in der Erdbeben der Stärke 8 auf der Richter-Skala auftreten könnten. Die Betreiber halten nur Erdbeben der Stärke 6,5 für möglich und behaupten, dass die Anlage für eine Stärke 6,9 ausgelegt sei. Aber die offiziellen Annahmen haben sich in Niigata (siehe unten 2007) bereits einmal als falsch herausgestellt. Die Baukosten übersteigen nach mehr als einem Dutzend Startverschiebungen den Plan inzwischen mit 2200 Mrd. Yen (derzeit 18 Mrd. Euro) um das Dreifache. 


1994   Der Monju-Reaktor erreicht am 5. April 1994 erstmals Kritikalität. 


1995   Der Monju-Reaktor geht am 5. August zeitweise ans Netz.




1995   Drama in Monju! Am 8. Dezember 1995 bricht – glücklicherweise im sekundären Kreislauf – ein Rohr, dass das Kühlmittel Natrium transportiert. Mehrere hundert Kilogramm des hochreaktiven flüssigen Metalls treten aus und entzünden sich beim Kontakt mit der Raumluft. Die Temperatur erreichte mehrere hundert Grad. 19:30 Uhr geht der Alarm los, das System schaltet auf manuelle Kontrolle, doch es vergehen volle 90 Minuten, bis die Abschaltung des Reaktors angeordnet wird. Für Proteste sorgten allerdings die Vertuschungsversuche der Betreibergesellschaft, die unter anderem mit einem zensierten Video das Ausmaß des Unfalls verheimlichen wollte. Das Video findet sich hier:



1997   Unfall! Explosion in der Wiederaufbereitungsanlage Tokai.


1999   Schwerster Atom-Unfall Japans: In einem Betrieb zur Bearbeitung von nuklearen Brennstoffen in Tokai-Mura rühren Arbeiter eine zu große Menge von spaltbaren Uran in einem ungeeigneten Container zusammen. Eine Kettenreaktion entsteht, mehrere Arbeiter werden verstrahlt. 


2000   Japans Regierung kündet die Wiederinbetriebnahme des Monju-Reaktors an.


2002   Japans Atomindustrie wird von einem Skandal über gefälschte Untersuchungsberichte erschüttert. Inspektoren von Tokios Stromversorger Tepco hatten Risse in 13 von 17 Reaktorbehältern vertuscht. Tepco musste daraufhin seine 17 Atomkraftwerke stilllegen.


2003   Ein Gericht in Nagoya erklärt die Baugenehmigung für den Monju-Reaktor aus dem Jahr 1983 für nichtig. Der Jubel der Kernkraftgegner ist nur von kurzer Dauer, siehe 2005.


2004   Unfall! Bei einem Leck in einer Dampfleitung des Akw Mihama sterben fünf Arbeiter. In den Untersuchungen kommt heraus, dass Kraftwerksbetreiber und Aufseher es an ernsthaften systematischen Inspektionen haben mangeln lassen.


2005   Japans Oberster Gerichtshof widerruft das Monju-Urteil. Die Arbeit am Prestigeprojekt kann weitergehen.


2007   Erdbeben unter dem größten AKW der Welt, dem Meiler-Park Kashiwazaki-Karima in der Präfektur Niigata. Die Region wird von einem Erdbeben der Stärke 6,8 auf der Richter-Skala erschüttert. Die Stärke ist deutlich stärker als im Bauplan als größtes anzunehmendes Beben zugrunde gelegt wurde. Zudem stellen Geologen fest, dass das Akw wie von Kritikern behauptet auf einer geologisch aktiven Verwerfung steht, deren Existenz von den Betreibern über Jahre geleugnet wurde. Das AKW wird zeitweise abgeschaltet. Doch letztlich ist der Schaden gering. Auch unter dem Monju-Reaktor verläuft nach neueren Analysen eine aktive Spalte, die die Initiatoren bei Projektbeginn ausgeschlossen haben.


2008   Der für 2008 geplante Neustart von Monju wird wiederholt aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. 


2010   Im Februar 2010 gibt Japans Regierung grünes Licht für die Inbetriebnahme des Monju-Reaktors.


2010   Ende März soll der auf drei Jahre angelegte Testlauf starten. Drei Stufen sind geplant: Überprüfung des Reaktorkerns, 40-prozentige Last und später Tests zur Steigerung der Reaktorleistung. 


2013   Monju soll unter Betrieb unter Volllast aufnehmen. 


2015   Nach dem 2006 vorgelegten Atomenergieplan soll 2015 eine Vision für die Kommerzialisierung der Schnellen Brüter-Technik vorgelegt werden.


2025   soll der erste Demonstrationsreaktor die Wirtschaftlichkeit der Technik beweisen.


2050   Kommerzielle Brüter aus Japan sollen die Energieprobleme der Welt lösen helfen.


Für besorgte Seelen empfehle ich ein patriotisches Ruhekissen, das glückselige Träume verspricht.

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