Dienstag, 31. Januar 2012

Dosimeter im Convenience Store

Ich bin gerade von einer Recherchereise aus Fukushima zurückgekehrt und verstrahle eine gewisse Zuversicht, dass die Menschen das Leben stärker in ihre eigenen Hände nehmen. Was bleibt ihnen auch anderes übrig, nachdem die Hauptstadt mit ihrem politischen Schmierentheater sie im Stich gelassen hat. Die Bewohner beginnen in gewisser Weise mit der Radioaktivität zu leben und sehr rational auseinanderzusetzen.
Wenig hilfreich ist dabei allerdings ein Fundstück, dass ich in einem Lawson-Store in Minami Soma aufgetan habe: ein scheckkartengroßes Dosimeter, dessen Anzeige bis 10000 Millisievert reicht. Ein Klick auf das Bild sollte es vergrößern.

Wenn sich der Streifen deutlich wahrnehmbar verfärbt, ist es schon recht schlecht um einen bestellt. Die kleinste Einheit ist 20 Millisievert. Und selbst bei 50 Millisievert muss man schon sehr genau hingucken, um einen Wandel im Farbstreifen zu bemerken. Und um 50 Millisievert einzusammeln, muss man schon recht lange in der Evakuierungszone campen oder ungeschützt an den Reaktoren herumturnen. Kostenpunkt des nutzlosen Gimmicks: rund 4000 Yen.

Hier noch zwei Links:
> Zu einem Gedicht, dass die komplexe Gefühlslage der Bewohner Fukushimas zeigt.
> Zu einem Foto von der Grenze zum Niemandsland

Mittwoch, 25. Januar 2012

Kawaii Cars - Erlaubt ist, was Spaß macht

Auf der Homepage des Handelsblatts ist mein Feature über die mögliche Zukunft des japanischen Industriedesigns veröffentlicht worden. Wie die Zukunft konkret aussehen sollte, lässt sich in dieser Bilderstrecke bewundern.


Der Aufhänger des Artikels ist der Tokio Autosalon, Asiens größte und verrückteste Tuningmesse. Aber wie der Technikphilosoph Morinosuke Kawaguchi sagt, ist das Kawaii-Design, also in niedlichen Produkten, die Stärke Japans. Und Japan sollte darauf bauen.
Darüber hinaus gibt es noch das Interview "Was Roboter und Autos gemein haben" mit zwei Nissan-Managern über Nissans Projekt, einen Roboter für einen Anime zu designen.
Wer wollte dem widersprechen ... .

Sonntag, 22. Januar 2012

Curry-Wurst

Es gibt nicht viele Dinge, die ich bisher in Japan nicht vermisst habe. Eines davon war Curry-Wurst. Ich habe auf einem Oktoberfest mal eine gekauft, die sich als Wiener Würstchen mit Ketchup und ein bisschen Curry-Puder herausgestellt hat.
Ich habe gehört, dass es einen Hareico-Shop geben soll, der auch Curry-Wurst verkauft und ein Restaurant irgendwo in West-Tokio. Aber meine Sucht war nie groß genug, dass ich wirklich danach gesucht hätte.
Nun habe ich gestern eine recht gute im Kaiserhof gefunden, einer kitschigen Bierstube - bajuwarischer Stil - im Shin Tokyo Building. Sie wurde nicht mit Pommes serviert, sondern in der Pfanne mit Kartoffeln.

Auch im Angebot: Eine Pfanne mit Würstchen und Eisbein. Selbst das Sauerkraut kam nicht nur aus der Dose, sondern war mit Kümmel abgeschmeckt.
Auch Kartoffelpürree gab es, mit Rauke und jeder Menge Butter abgeschmeckt. Erstaunlich lecker.

Das Eisbein war zart. Die Käsespätzle waren nicht zu käsig. Das Bier war kühl und nicht ganz bayrisch. Es gab nicht nur Flensburger aus der Flasche, sondern auch eine Lüttje Lage (Bier und Korn), inklusive Trinkanweisung. Es wurde ein gelungener Abend, gesellschaftlich wie kulinarisch gesehen.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Der Handy-Zensus

In meiner wöchentlichen Kolumne auf Technology Review geht es diesen Donnerstag um ein interessantes Volkszählungsprojekt von Japans Handynetzriesen NTT Docomo. Der Konzern testet ein Verfahren, Handy-Positionsdaten zu nutzen, um eine Art Echtzeit-Zensus der japanischen Bevölkerung aufzustellen. Dazu werden einmal stündlich alle Docomo-Handys um eine Basisstation erfasst. Das Ergebnis sind interessante Karten über die Verteilung der Bevölkerung über 24 Stunden.
Auf den Screenshots kann man wunderbar die hohe Bevölkerungskonzentration in Japans Metropolen erkennen, die am frühen Nachmittag geradezu absurde Spitzen erreicht. Quelle ist in allen Fällen NTT Docomo.

Japan um sechs Uhr morgens. Merke, dass die Bevölke-rungsver-teilung die Topographie quasi als Negativ wider-spiegelt. Japan ist extrem bergig. Und in den Bergen leben kaum Menschen. Die konzen-trieren sich in den Ebenen der Küste, von rechts nach links: Tokio, Nagoya, Osaka-Kioto-Kobe-Region und auf Kyushu die Stadt Fukuoka.

 Nun nochmal die gleiche Karte um 15 Uhr. Ein Blick auf diese Karte alleine zeigt, warum die Welt ein starkes Erdbeben unter Tokio fürchten sollte. Das ökono-mische Leben des Landes ist hier konzentriert.
Und weils so schön war, hier das ganze noch mal aus der Nähe für Tokio. Nachts zieht sich die arbeits-tätige Bevölkerung in die Vorstädte zurück, ...
 ... um sich tagsüber in der Innen-stadt zu konzen-trieren.
Bei einem Erdbeben in Tokio würden laut Docomos Zensus rund 4 Millionen Pendler in der Hauptstadt stranden und müssten versorgt werden.