Mein Tech-Blog auf Technology Review läuft diesmal wieder am Mittwoch.
Thema ist diesmal Japans Klimaschutzprogramm.
Aus gegebenen Anlass,
hier ein Update zum Monju-Reaktor.
Unter dem Eintrag steht noch eine Link-Sammlung zu früheren Monju-Texten.
Monju bleibt vorerst offline
Das Prestigeprojekt der japanischen Atomindustrie, der Neustart des schnellen Brüters Monju nach 15 Jahren unfallbedingter Zwangspause, verzögert sich weiter. Wegen eines politischen Fingerhakelns zwischen der Präfektur Fukui und der Zentralregierung konnte der umstrittene Versuchsreaktor nicht im März in Betrieb genommen werden.
Wie lange sich der Neustart hinauszögern wird, vermag derzeit keiner der Beteiligten zu sagen. Die Betreiber haben zwar die gesetzlichen Hürden gemeistert, aber Issei Nishikawa, der Gouverneur von Monjus Heimatpräfektur Fukui will nach Aussagen von Insidern seine Zustimmung gegen weitere Zugeständnisse der Regierung wie einen Anschluss an Japans Shinkansen-Netz verkaufen.
Für die Regierung ist die erneute Verschiebung ein kleiner Gesichtsverlust. Denn der Monju-Reaktor ist das Symbol für Japans ambitionierte Atomenergiestrategie: Das Land will sich in der globalen Renaissance der Atomkraft nichts weniger als die industrielle Führungsrolle sichern. Nach Angaben der internationalen Atomenergiebehörde befinden sich derzeit weltweit 56 Atomkraftwerke (Akw) in Bau oder Planung, ein Großteil davon in den USA und den Schwellenländern Indien und China. Und im Kampf um diese Aufträge ist Japan mit gleich drei internationalen Kraftwerksbauern so gut aufgestellt wie kein anderes Land.
Toshiba hat seine globalen Ambitionen durch den Kauf des US-Unternehmens Westinghouse unterstrichen, Hitachi durch einen Bund mit GE. Mitsubishi Heavy Industries wiederum kooperiert mit Frankreichs Areva in einigen Regionen bei der Entwicklung von Akws. Zudem sind die Japaner nach Frankreichs Ausstieg die einzigen Anbieter, die aktiv Brutreaktoren weiter entwickeln, die nicht nur Strom, sondern auch neues spaltbares Material erzeugen. Nach den amtlichen Plänen soll bis 2025 der erste Demonstrationsreaktor fertig gestellt und ab 2050 mit der Vermarktung begonnen werden.
Doch die Japaner spüren bereits den Atem der verbleibenden Konkurrenten im Nacken, namentlich der russischen Atomindustrie und vor allem des Neulings Südkorea. Die koreanische Atomallianz aus einem Stromkonzern und Kraftwerksherstellern hat sich jüngst ihren ersten Großauftrag über den Bau von Akws in den Vereinigten arabischen Emiraten im Wert von 40 Milliarden Dollar gesichert.
Nach der Einschätzung von Shunsuke Kondo, dem Vorsitzenden der japanischen Atomernergiekommission, unterscheiden sich die Chancen von Japans Atomindustrie allerdings je nach Region deutlich. Dank ihrer lokalen Bündnispartner haben die Japaner gute Chancen, von der energiepolitischen Wende in den USA zu profitieren. Nach einer 30-jährigen Abstinenz im Akw-Bau will die Regierung in den kommenden drei Dekaden 30 Meiler neu bauen. Um dieses Volumen konkurrieren die Japaner nur untereinander und mit Areva.
Gutes Geschäft verspricht auch der Heimatmarkt. Japans Regierung will die bestehenden 54 Reaktoren um neun weitere ergänzen, um Kohlendioxidemissionen und Japans Abhängigkeit von Energieimporten zu senken. Der Anteil von Akws an der Stromerzeugung soll so bis 2030 von 30 auf 49 Prozent erhöht werden.
In den restlichen Märkten stehen die Hersteller allerdings vor großen Herausforderungen. Die Regierungen in den viel versprechendsten Wachstumsmärkten China und Indien wollen aus militärischen Gründen ihre eigene Atomindustrie aufbauen. Ausländische Hersteller sind daher nur in der Anfangsphase genehm – wenn sie denn gleichzeitig ihre Technik übergeben. In diesen Ländern rät Kondo der japanischen Industrie dazu, sich auf die Rolle als Zulieferer von Material und Geräten zu beschränken.
Und in den anderen Märkten Asiens und des Nahen Ostens sind die Südkoreaner dank eines neuen Geschäftsmodells plötzlich zu formidablen Rivalen aufgestiegen. Im Gegensatz zu Areva und den Japanern, die Anlagen liefern, bieten sie ihren Kunden an, die Kraftwerke nicht nur zu bauen, sondern auch zu betreiben und nach einer festgelegten Dauer zu übergeben (BOT, Built, Operate, Transfer). Dies ist für Länder mit beschränkten Knowhow in der Atomenergie attraktiv. Japans Atomindustrie und Strombetreiber überlegen bereits, ein ähnliches Konzept aufzulegen, um ihre Chancen in Südostasien zu stärken.
Die unendliche Geschichte des Monju-Reaktors
1983 wurde die Baugenehmigung für den Schnellen Brüter erteilt, der nach Monju (Sanskrit: Mañjuśrī), dem buddhistischen Bodhisattwa der reinen Weisheit benannt wurde. Nach einigen Monaten am Netz trat im Dezember 1995 durch ein Leck im sekundären Kühlkreislauf das Kühlmittel, flüssiges Natrium, aus, und verursachte einen schweren Brand. Da die Betreiber erst mit 90 Minuten Verzögerung den Reaktor abschalteten und zudem versuchten, dass Ausmaß des Unfalls zu vertuschen, wurde das Vertrauen der Japaner in die Atomindustrie bis heute nachhaltig erschüttert. Nach einer Umfrage der Regierung standen 2009 noch immer 54 Prozent der Bevölkerung Akws skeptisch gegenüber. Seit 2003 bemühte sich die Regierung, Monju im Jahr 2008 wieder ans Netz zu bringen. Doch immer wieder wurde der Neustart verschoben.
Links:
23.3.2010 Bill Gates und Toshiba brüten an Brütertechnik ...
24.3.2010 Tech-Blog: Unfertig ausgebrütet
24.3.2010 Chronik des Schnellen Brüters Monju
25.3.2010 Replik: Warum Japan weiter an der Brütertechnik brütet
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