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Montag, 2. April 2012

Bye, bye, Disneyland - Japans neue Erdbebenszenarien

Japans industriellem Herzland drohen Mega-Tsunamis - sowie: die neuesten Erdbebenkarten für Tokio)

Mein Reden: Verglichen, mit dem, was hier an Erdbeben noch anstehen könnte, waren die Folgen des Tohoku-Erdbeben wahrscheinlich nur Peanuts: Japans Regierung hat die Tsunami-Warnung für das industrielle Herzen des Landes massiv verstärkt. 
Der Pazifikküste zwischen südlich von Tokio bis Shikoku und der Region um Osaka drohen Mega-Tsunamis von mehr als 20 Metern Höhe, besagen neue Simulationen. Selbst der neue Schutzwall des derzeit abgeschalteten AKW Hamaoka, der gerade auf 18 Meter erhöht wird, könnte mühelos von der Wasserwand überspült werden, warnen die Wissenschaftler.
Die Voraussagen betonen, was angesichts der dreifachen Katastrophe vor einem Jahr gerne vergessen wird. Ein mögliches Mega-Beben vor Zentral-Japan könnte weit größere Schäden hervorrufen als das Beben der Stärke 9 im Nordosten vor einem Jahr. Nicht nur würde der Tsunami die Küsten Shizuoka und Aichi verwüsten, in denen beispielsweise Toyota beheimatet ist. Auch die Autobahn- und Shinkansenverbindungen zwischen Tokio und Osaka, der zweitgrößten Industriemetropole des Landes, könnten für Tage, Wochen oder gar Monate unterbrochen werden.
Außerdem drohen weitaus mehr Tote. Denn da das Bebenzentrum weitaus näher an der Küste liegen dürfte, erreicht der Tsunami viele Regionen noch während des Bebens oder nur wenige Minuten später. In Japans Nordosten vergingen mehr als 40 Minuten, bevor der Tsunami kam.

Und wem das nicht reicht:
Das Erziehungsministerium veröffentlich zudem seine neuesten Desasterkarten für Tokio, die auf verschärften Erdbebensimulationen basieren. 
Der fünfeckige Stern zeigt das Epizentrum an. Just vor meiner Haustür sozusagen. Toyosu ist jedoch zu meiner Beruhigung nur in der 6-Plus-Zone und nicht in der Zone 7 (schon interessant, was man so als Beruhigung ansieht).
Im schlimmsten Szenario droht ein Gebiet mit 25 Millionen Einwohnern mit der Stärke 6 oder 7 auf der siebenstufigen japanischen Skala getroffen zu werden. Die japanische Skala unterscheidet sich von der Richter-Skala, in dem sie die Beschleunigung und die Schäden an der Erdoberfläche misst. Die Richter-Skala wird gemeinhin für die Messung der Magnitude im Epizentrum verwendet. Dieses Szenarien oben beruht auf einem Beben der Stärke 7,3 auf der Richterskala.

Besonders gefährdet ist die Region um Tokios Disney-Land, hübsch gekennzeichnet durch den großen, roten Blob in Tokios Osten. 
 
Für diese Karte haben die Wissenschaftler das Epizentrum nach Osten in die Präfektur Chiba verlegt. Merke: Die Erdbebenstärke in Tokio nimmt damit nicht wirklich ab. Übrigens: Ab Stärke 5 fürchtet man sich um sein Leben.
Dort verwüsten die Schwingungen nach den Szenarien auch dann noch die Gegend mit der Stärke 7, wenn das Epizentrum rund 15 Kilometer westlich oder östlich liegen sollte. 
In diesem Fall liegt das Erdbebenzentrum im esten von Japans Zentrum. Die Zone 7 bleibt ungefähr da, wo das Disney-Land ist.
Die Region erlitt bereits nach dem Beben vor einem Jahr schwere Schäden. Tausende von Häuser und Autos versanken teilweise, als sich der Boden durch die Erdbebenwellen verflüssigte. 
In meiner Region droht wie im Rest des Stadtgebiets, Kawasaki und Teilen Yokohamas die Stärke 6 plus. Das heißt, dass Menschen nicht mehr stehen und sich nur noch krabbelnd vorwärts bewegen können, Möbel durch die Zimmer fliegen und selbst erdbebensicheren Häusern schwere Schäden drohen. 
Geradezu gemütlich nimmt sich das amtliche Planspiel Nummer 4 aus: 
In dem Fall droht in Toyosu und dem Rest des östlichen Stadtzentrums "nur" eine 6-schwach. 

Aber es hat ja wenig Sinn, sich allzu sehr zu sorgen. Die Spannungen in den Platten können sich auch stärker oder schwächer und vor allem anderswo als berechnet entladen. 
Zum Beispiel könnte es ein Beben der Stärke 8 vor der Boso-Halbinsel geben (die große Halbinsel, die das östliche Ufer der Bucht von Tokio bildet). Ein ebenso starkes wird westlich der Izu-Halbinsel (der Halbinsel am linken, unteren Rand) erwartet.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Der Handy-Zensus

In meiner wöchentlichen Kolumne auf Technology Review geht es diesen Donnerstag um ein interessantes Volkszählungsprojekt von Japans Handynetzriesen NTT Docomo. Der Konzern testet ein Verfahren, Handy-Positionsdaten zu nutzen, um eine Art Echtzeit-Zensus der japanischen Bevölkerung aufzustellen. Dazu werden einmal stündlich alle Docomo-Handys um eine Basisstation erfasst. Das Ergebnis sind interessante Karten über die Verteilung der Bevölkerung über 24 Stunden.
Auf den Screenshots kann man wunderbar die hohe Bevölkerungskonzentration in Japans Metropolen erkennen, die am frühen Nachmittag geradezu absurde Spitzen erreicht. Quelle ist in allen Fällen NTT Docomo.

Japan um sechs Uhr morgens. Merke, dass die Bevölke-rungsver-teilung die Topographie quasi als Negativ wider-spiegelt. Japan ist extrem bergig. Und in den Bergen leben kaum Menschen. Die konzen-trieren sich in den Ebenen der Küste, von rechts nach links: Tokio, Nagoya, Osaka-Kioto-Kobe-Region und auf Kyushu die Stadt Fukuoka.

 Nun nochmal die gleiche Karte um 15 Uhr. Ein Blick auf diese Karte alleine zeigt, warum die Welt ein starkes Erdbeben unter Tokio fürchten sollte. Das ökono-mische Leben des Landes ist hier konzentriert.
Und weils so schön war, hier das ganze noch mal aus der Nähe für Tokio. Nachts zieht sich die arbeits-tätige Bevölkerung in die Vorstädte zurück, ...
 ... um sich tagsüber in der Innen-stadt zu konzen-trieren.
Bei einem Erdbeben in Tokio würden laut Docomos Zensus rund 4 Millionen Pendler in der Hauptstadt stranden und müssten versorgt werden.

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Die Sonne vor Fukushima

Der vorweihnachtliche Blogbeitrag auf Technology Review widmet sich an diesem Donnerstag einem ganz persönlichen Geschenkwunsch: ein Interview mit meinem Namensvetter in unserer beider Geburtsstadt Bremen, mit Martin Kölling, Geochemiker vom Marum in Bremen (rechts). 
Neben unserem persönlichen Treffen gab es einen weiteren Höhepunkt: die Führung durch das Bohrkernlager
Und hier besonders der Bohrkern 1049 B aus dem Jahr 1997 aus dem Golf von Mexiko, der einen perfekten Längsschnitt durch die Kreide/Tertiär-Grenze zeigt.
Ein Meteoriteneinschlag in der mexikanischen Halbinsel Yucatán soll diese gelbliche Schicht und das Sauriersterben verursacht haben. Die Schicht unterbricht das Grau der normalen Sedimente recht dramatisch. In den alten Sedimenten (am rechten Bildrand) sind sogar noch Spuren der Kompression und der Tsunamis zu erkennen, die die Meere und Sedimente nach dem Einschlag umgepflügt haben.
In dieser Röhre steckt der Kern. 


Und der Herr der Kerne ist Alex Wülbers. Er sortiert tausende dieser zur Hälfte aufgeschnittenen und eingepackten Sedimentproben seit Jahren und sorgt dafür, dass Bohrkern 1049B nicht zu einfach zu finden ist. An diesem Vorweihnacht-Dienstag musste er ihn schon einmal zeigen.
Da der Kern so beliebt ist, sollte er vielleicht wie eine Reliquie eingeschreint und im Foyer des Marum aufgestellt werden. Nicht nur Ozeanographen und Dino-Fans dürften für einen steten Pilgerstrom sorgen. Besonders in einem Zeitalter, in dem mal wieder auf den Weltuntergang gewartet wird, könnte der Bohrkern zu einem Symbol der Hoffnung werden: Schlimmer geht's immer, aber es ist nicht das Ende der Welt (wie das Dasein des Homo Sapiens beweist).

Das Marum ist übrigens eine von weltweit drei Lagerstätten für Bohrkerne des Integrated Ocean Drilling Program. Die anderen zwei sind im japanischen Kochi und in Texas/USA wie die selbstgemachten Weltuhren der Forscher im Marum zeigen.

Ein Clou auf dem kommenden Einsatz des Forschungsschiffs Sonne vor der Küste Fukushima ist dieser ferngelenkte Tauchroboter namens Quest. Am 8. März beginnt die Mission in Yokohama. Das Forschungsschiff kreuzt ohnehin gewöhnlich durch asiatische Gewässer.

Ein anderer Hauptakteur wird dieser gelbe Torpedo, das AUV. Es wird autonom über den Meeresgrund surren und die Topographie weit genauer erfassen als es von einem Schiff möglich wäre.

Donnerstag, 7. April 2011

Neues Starkbeben vor Sendai

Ich bin gerade in der Präfektur Fukushima, in den Bergen zum Glück, in Aizu-Wakamatsu - und daher wohler auf als wenn ich jetzt noch an der Küste wäre.
Es hat eben vor der Küste von Sendai ein Beben mit der Stärke 7,4 auf der Richter-Skala gegeben.


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Entweder Handy: 
Raum 202



Auf der japanischen siebenstufigen Bebenskala erreichte es in Sendai eine 6+. Auch eine Tsunami-Warnung gibt es, allerdings wird die Wasserwand wohl nur zwei Meter hoch und damit bei weitem nicht so stark wie beim Jahrtausendbeben am 11. März. Das erreichte eine Magnitude von 9,0 auf der Richter-Skala.

Atommeiler in Fukushima Nummer 1 scheinen noch zu halten. Der Meiler in Onagawa, Miyagi, ist allerdings wieder ohne Stromzufuhr von außen, sagt NHK gerade (0:19). Atomaufsichtsbehörde Nisa sagt allerdings, es wäre nur ein teilweiser Black-out.
Parameter der Reaktoren haetten sich nicht, geändert, so die News. 
Tepco füllt weiter Stickstoff in Reaktor und schüttet auch weiter Wasser auf die Meiler. Aber es gibt viele Stromausfälle in Miyagi und Fukushima. Auch die Autobahnen in der Tohoku-Region wurden wieder geschlossen.

Tsunami richtete aber wohl keinen Schaden an, wie es scheint. Warnung wurde inzwischen aufgehoben. 

Ministerpräsident Naoto Kan ist ins Kantei geeilt, um den Krisenstab zu leiten. Er sieht müde aus.

Mein Hotel hat Entwarnung gegeben. Hier wäre es nur eine 4 auf der japanischen Skala gewesen. Es hätte zu keinem Zeitpunkt Gefahr eines Einsturzes bestanden.
Stand 1:10


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Freitag, 18. März 2011

Der gefühlte Verrat

Donnerstag, acht Uhr morgens. Der Shinkansen fährt pünktlich ab, viele Plätze sind noch frei. Die Tokioter streben zur Arbeit. Es sieht fast wie ein normaler Arbeitstag aus. Doch für mich ist dieser Donnerstag morgen alles andere als normal. Nachdem die deutsche Botschaft Mittwoch Nacht eine Ausreiseempfehlung ausgegeben hat, verlasse ich die Stadt, die seit fast elf Jahren meine Heimat ist. Ich fahre in die Kansai-Region, wo bereits die meisten deutschen Journalisten Quartier bezogen haben.

Es fühlt sich an, als verrate ich Tokio. Verrate meine Freunde, die bleiben. Die Mitarbeiter im Foreign Correspondents's Club of Japan (FCCJ), die in der letzten Woche den Club rund um die Uhr für Journalisten aus aller Welt offen gehalten haben. Die sich zur Arbeit durchgeschlagen, obwohl die Zugverbindungen blockiert waren, um Pasta zu servieren oder Pressekonferenzen zu organisieren wie die vom Toshiba-AKW-Ingenieur Masashi Goto, der als erster Industrieinsider offen vor einem Tschernobil gewarnt hat. Die Stadt scheint das zu spüren. Die Passanten schauen mich, den Koffer schiebenden Ausländer, aus den Augenwinkeln an.

Als ich Morgens um kurz nach 7 Uhr den FCCJ verlasse, habe ich einen Kloß im Hals. Denn ich weiß nicht, wann ich wieder kommen werde, und wie die Stadt dann aussehen und sich anfühlen wird. Seit Kaiser Akihito sich am Mittwoch erstmals auf dem Höhepunkt einer Krise in einer Fernsehansprache an die Nation gewendet hat, um Hoffnung zu spenden, ist  meine Hoffnung gesunken, dass der Gau im Kraftwerkskomplex Fukushima noch verhindert werden kann. 

Noch besteht Hoffnung, das schlimmste abzuwenden. Aber im Katastrophenfall wird das Leben nicht mehr unbeschwert sein, selbst wenn Tokio von der Strahlung verschont werden sollte, wofür einiges spricht. Denn in der Nachbarschaft läge dann ein ein riesiges radioaktiv verseuchtes Brachland.

Meine größte Sorge ist allerdings eine Massenflucht, die mehr Tote an einem Tag als der Durchzug einer strahlenden Wolke in einer Lebenszeit fordern könnte. Ja, bisher reagieren die Japaner mit ihrer berühmten Ruhe auf die Krise, gehen diszipliniert zur Arbeit als sei nichts passiert. Sie sagten mir auch, sie wollten den Anweisungen der Regierung und der Retter wie bei Erdbeben folgen.

Aber den Fluchtreflex zu überwinden, erfordert bei einem möglichen Gau vor der Haustür weit mehr Energie als bei einem Erdbeben. Ein Erdbeben kommt ruckartig. Danach geht es je nach Stärke entweder so weiter wie bisher oder man muss aufräumen, oder aufbauen, oder man ist tot. Durch die recht häufigen Beben lernt man dieses Verhalten rasch. Genau wie die Japaner habe ich mich von den zahllosen Nachbeben kaum ablenken lassen und auch dann noch getippt, wenn mein Arbeitsplatz im FCCJ auf der 19. Etage des Yurakucho Denki Buildings schaukelte wie ein Schiff auf hoher See.

Die Angstkurve bei einem Atomunglück hingegen steigt über Tage und Wochen immer weiter an. Der Druck nimmt zu. Dennoch kommen die Menschen zur Arbeit, weil die Routine sie ablenkt und Sicherheit gibt, weil sie ihren Kollegen nicht hängen lassen wollen, oder schlicht Angst haben, ihren Job zu verlieren.

Eines der wenigen Ventile gegen die Ohnmacht ist das Horten Lebensmitteln und -bedarf, um sich eine Woche vor der radioaktiven Wolke in der Wohnung verstecken zu können. Selbst Klopapier ist inzwischen knapp. Ein Knall im AKW könnte den seelischen Panzer vielleicht zersprengen und die Leute ungeplant flüchten lassen.

Der akute Strommangel verstärkt die düstere Stimmung noch. Um Strom zu sparen, sind in allen Gebäuden viele Deckenlampen ausgeschaltet oder herausgenommen worden. In der Nacht werden sogar Neonreklamen ausgeschaltet. Ich habe Tokio, mein glitzerndes Juwel, noch nie so dunkel und ruhig gesehen. Die angespannten Seelen lachen in den Büros nicht, grüßen kaum. Manchmal wirken sie mir so wie Verurteilte, die gefasst zum Schafott schreiten. Auch ich ertappe mich dabei, Abschied zu nehmen von dem bekannten Leben.

Doch als ich etwa zweieinhalb Stunden später in Kioto aus dem Shinkansen steige, verfliegen die Schatten. Wie in Tokio vor dem Beben quellen die Kaufhausregale über. Die Menschen schlendern durch die Straßen. Lachen und plappern. In der Nacht funkelt die Stadt wie ein Kristallleuchter. Wenn ich nicht den Fernseher anstellen würde, wäre Tokio und der Super-Gau auf einmal weit weg. Ich fühle mich wohl. Sicher. Und schuldig. „Gut, dass du nach Kioto gefahren bist“, mailt mir eine japanische Bekannte, „die Lage ist unstabil und wird von Minute zu Minute schlimmer.“ 

Donnerstag, 17. März 2011

Leaving Tokyo, heading for Kansai

Gestern Nacht hat die deutsche Botschaft eine Ausreiseempfehlung für Ost-Japan auf ihrer Homepage online gestellt. 
Damit muss auch ich die Zelte abbrechen. Ich werde vorerst nach Kansai umsiedeln, in der Hoffnung, sobald wie möglich wieder zurückkommen zu können.



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Mittwoch, 16. März 2011

Wie groß ist die Strahlengefahr in Tokio?

Es sieht schlimm aus in Fukushima. Die Experten rechnen sogar den Fall durch, dass es bei drei Reaktoren zur Kernschmelze mit anschließender Explosion kommt. Ich habe nun eine Mail mit einer Stellungnahme von britischen Strahlenexperten erhalten. Danach sieht es für die Präfektur Fukushima schlimm aus. Selbst in den und die beiden größten Städte der Region, Koriyama und Fukushima, ist die Gefahr groß. Fukushima liegt ungefähr 70 Kilometer von den Reaktoren entfernt, Koriyama 60 Kilometer. 

Aber einer Mitschrift von einem Briefing von britischen Strahlenschutzexperten (siehe unten) besteht für Tokio keine unmittelbare und nicht einmal mittelbare Gefahr. 

Hier ist die Mitschrift auf Englisch, unkommentiert.
Subject: Making sense of it all

I have just returned from a conference call held at the British Embassy in Tokyo. The call was concerning the nuclear issue inJapan. The chief spokesman was Sir. John Beddington, Chief Scientific Adviser to the UK Government, and he was joined by a number of qualified nuclear experts based in the UK. Their assessment of the current situation in Japan is as follows:
* In case of a 'reasonable worst case scenario' (defined as total meltdown of one reactor with subsequent radioactive explosion) an exclusion zone of 30 miles (50km) would be the maximum required to avoid affecting peoples' health. Even in a worse situation (loss of two or more reactors) it is unlikely that the damage would be significantly more than that caused by the loss of a single reactor.
* The current 20km exclusion zone is appropriate for the levels of radiation/risk currently experienced, and if the pouring of sea water can be maintained to cool the reactors, the likelihood of a major incident should be avoided. A further large quake with tsunami could lead to the suspension of the current cooling operations, leading to the above scenario.
* The bottom line is that these experts do not see there being a possibility of a health problem for residents in Tokyo. The radiation levels would need to be hundreds of times higher than current to cause the possibility for health issues, and that, in their opinion, is not going to happen (they were talking minimum levels affecting pregnant women and children - for normal adults the levels would need to be much higher still).
* The experts do not consider the wind direction to be material. They say Tokyo is too far away to be materially affected.
* If the pouring of water can be maintained the situation should be much improved after ten days, as the reactors' cores cool down.
* Information being provided by Japanese authorities is being independently monitored by a number of organizations and is deemed to be accurate, as far as measures of radioactivity levels are concerned.
* This is a very different situation from Chernobyl, where the reactor went into meltdown and the encasement, which exploded, was left to burn for weeks without any control. Even with Chernobyl, an exclusion zone of 30 miles would have been adequate to protect human health. The problem was that most people became sick from eating contaminated food, crops, milk and water in the region for years afterward, as no attempt was made to measure radioactivity levels in the food supply at that time or warn people of the dangers. The secrecy over the Chernobyl explosion is in contrast to the very public coverage of the Fukushima crisis.
* The Head of the British School asked if the school should remain closed. The answer was there is no need to close the school due to fears of radiation. There may well be other reasons - structural damage or possible new quakes - but the radiation fear is not supported by scientific measures, even for children.

* Regarding Iodine supplementation, the experts said this was only necessary for those who had inhaled quantities of radiation (those in the exclusion zone or workers on the site) or through consumption of contaminated food/water supplies. Long term consumption of iodine is, in any case, not healthy. The discussion was surprisingly frank and to the point. The conclusion of the experts is that the damage caused by the earthquake and tsunami, as well as the subsequent aftershocks, was much more of an issue than the fear of radiation sickness from the nuclear plants. Let's hope the experts are right!"


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Tenno ruft Nation zum Zusammenhalt auf

Der Tenno hat eine in der Nachkriegszeit einmalige Rede an die Nation gehalten. Das zeige, dass beispiellose Ausmaß der Krise, sagte mir ein Shinto-Experte. Denn normalerweise tritt der Tenno erst auf, wenn der Wiederaufbau begonnen hat. Während der Krise betet er gewöhnlich für das Wohl der Nation. Doch heute plädierte er im Fernsehen an die Menschen in den Krisenregionen ihre Hoffnung nicht aufgeben und die Stärke finden, diese schwierige Situation zu überkommen. 
Und die Nation bittet er, gemeinsam einen Weg zum Wiederaufbau zu finden. 
Ein geschickter Schachzug der Regierung sei es gewesen, den Tenno auftreten zu lassen und den Zusammenhalt der Nation zu beschwören, so ein der Experte.


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Montag, 14. März 2011

Katastrophe hoch 3

Auf Technology Review mein Blog über die dreifache Mega-Katastrophe.

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In Tokio stoppen die Züge

Die Auswirkungen des Tohoku-Bebens lähmen Japans Nervenzentrum, den Großraum Tokio. Tokios Stromversorger Tepco hat angekündigt, dass es wegen mangelnder Stromversorgung bis mindestens Ende April zu gezielten Stromunterbrechungen in weiten Teilen des Netzes kommen wird. Abwechselnd soll in den designierten Gebieten der Strom für drei Stunden ausgeschaltet werden. Mit dieser beispiellosen Maßnahme soll die Stromversorgung für das Stadtzentrum gesichert werden, wo die Regierung, die Banken und viele Firmen ihren Sitz haben. 
Viele Zugverbindungen auch auf den Hauptpendlerstrecken sind eingestellt worden. Selbst die Tokaido Linie, eine der Hauptverbindungen zwischen Yokohama und Tokio, ist schwer betroffen. Andere Linien fahren nur eingeschränkt. 
Die Büros sind nahezu verwaist. Bei einer Freundin haben es nur 20 Prozent der Angestellten geschafft, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Die Zahl wird im Laufe des Tages noch steigen. Denn viele Menschen versuchen, auf Umwegen doch noch zur Firma zu kommen. 
Ich habe eben einen Mann gesprochen, der drei Stunden von Yokohama bis nach Tokio gebraucht hat. "Die Züge waren gestopft voll", erzählt er. 




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Erdbeben erschüttert Japans Energiepolitik

Ein möglicher Gau im Bebenreaktor von Fukushima erschüttert die Grundlagen von Japans Energiepolitik: die Mär von absoluten Erdbebensicherheit von Japans Atomreaktoren.

Masashi Goto haftet wahrlich nicht der Geruch eines Kernkraftgegners an. Bis vor eineinhalb Jahren war er nach eigener Aussage Gruppenleiter für das Design von Reaktorsicherheitsbehältern beim Kraftwerksbauer Toshiba, der den Krisenreaktor in Japans Erdbebengebiet gebaut hat. Doch gestern warnte er öffentlich vor der Gefahr eines zweiten Tschernobyl. Er halte die Gefahr zwar für sehr gering, aber sollten alle Kühlungsversuche versagen, könnte eine Kernschmelze einer gewaltigen Dampfexplosion führen. Radiokativität könnte weit über den bisherigen 20-Kilometer weiten Sperrbezirk oder 50 Kilometer verteilt werden. „Meine große Sorge ist allerdings, dass eine Explosion in einem auch die anderen Meiler berühren könnte“, sagt Goto. Im schwersten betroffenen Kraftwerkskomplex Fukushima 1 stehen die drei aktiven Reaktoren dicht nebeneinander. Und bei allen gibt es Probleme mit der Kühlung des Kerns, weil die Energieversorgung der Notgeneration fürs Kühlsystem teilweise unterbrochen war.

Goto ist der erste Fachmann aus der Industrie, der öffentlich über einen Super-Gau spricht. Es ist seine Art des Protests gegen die Informationspolitik der Regierung und der Medien, die die Bürger bisher nicht mit dem Durchspielen von Horrorszenarien belasten. Die Situation in den von einem Megabeben beschädigten zwei Kernkraftwerkskomplexen in Fukushima sei unter Kontrolle. Eine Gefahr der Überhitzung bestünde nicht, so Offizielle. "Die Regierung erklärt die Situation nicht offen genug", kritisiert Atsushi Yamada, Journalist der Zeitschrift Aera.
Bislang mahnt nur das „Citizen's Nuclear Information Center“ (CNIC), eine kleine, aber hochangesehene Bürgergruppe, vor den Gefahren. „Von den zehn Meilern der zwei Anlagen besteht bei sieben zumindest die Möglichkeit einer Kernschmelze", sagt CNIC-Chef Hideyasu Ban, früher Mitglied der japanischen Atomplanungskommission.  Die anderen drei nicht betroffenen Meiler waren gerade abgeschaltet, als das Beben und der vernichtende Tsunami trafen.
Der Meiler eins der sechs Meiler vom Kraftwerkskomplex Fukushima 1 konnte nur durch verzweifelte Notoperationen am Durchbrennen gehindert werden. Erst ordnete die Regierung an, radioaktives Gas abzulassen. Dann ließ sie mit Bor versetztes Meerwasser in den Kern und den Sicherheitsbehälter pumpen. Damit kann dieser Meiler niemals mehr ans Netz gehen. Nun hat die Regierung auch den Meiler 3 auf gleiche Weise geopfert, weil die Kühlung ausgefallen war. Sogar der vorsichtige Kabinettamtschef Yukio Edano hat zugegeben, dass sich die Brennstäbe in dem Reaktor bereits verformt hätten. 
Noch besteht wie gesagt keine unmittelbare Gefahr. "Wir sind noch weit von einem Tschernobyl-Szenario entfernt", sagt ein Experte im Außenministerium. Andere Experten sagen, dass der Fall-out selbst bei einer Explosion räumlich weit beschränkter als in Tschernobyl sein würden. Aber schon die entfernte Möglichkeit eines Gau reicht, damit die deutsche und die französische Botschaften fordern ihre Bürger mehr oder weniger direkt zum Verlassen der Region Tokio auf. 
Die deutsche Botschaft schreibt auf ihrer Homepage: „Die Botschaft empfiehlt, die japanischen Medien aufmerksam zu verfolgen. Sie empfiehlt ferner allen Deutschen im Krisengebiet und im Großraum Tokyo/Yokohama zu prüfen, ob ihre Anwesenheit in Japan derzeit erforderlich ist, und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ihre Ausreise aus dem Land in Erwägung zu ziehen. Dies gilt insbesondere für Familien mit kleinen Kindern.“ Frankreich tut das gleiche, mit Hinweis auf ein mögliches Großbeben im Raum Tokio.
Ein aus Bans Sicht willkommenes Opfer könnte allerdings das ehrgeizige Atomprogramm der Regierung werden. Seit Jahrzehnten setzt Japans auf Atomkraft, um das ressourcenarme Land unabhängiger vom Öl zu machen – allen Warnungen vor Erdbeben zum Trotz. 55 Meiler produzieren 34 Prozent des Stroms für Asiens zweitgrößte Wirtschaftsmacht. Die Regierung will den Anteil mittelfristig auf 40 Prozent und langfristig auf 70 Prozent erhöhen. 
Kritik wurde unterdrückt, obwohl schwere Unfälle die Skepsis in der Bevölkerung haben steigen lassen. 1994 kam es im experimentellen Schnellen Brüter zu einem schweren Brand. 1999 kam es im Atomforschungszentrum zu einer nuklearen Kettenreaktion, als drei Mitarbeiter ungesichert hochangereichertes Uran zusammenrührten. 2007 gab es sogar eine regelrechte Generalprobe für das heutige Desaster. 
Direkt unter dem größten Kraftwerkskomplex der Welt in Kashiwazaki-Karima in der Präfektur Niigata bebte die Erde und zwar dreimal stärker als das maximal für möglich gehalten Beben. Es brannte auf dem Reaktorgelände, Radioaktivität trat aus. Doch nichts schlimmes passierte. Die Regierung sah sich in ihrer Mär von der Erdbebensicherheit bestätigt und forcierte den Ausbau der vermeintlich so sauberen Energie. 
Diesmal allerdings war das Beben nicht nur dreimal, sondern 10 mal stärker als für möglich gehalten. Und die Reaktoren haben nicht standgehalten. Zum Glück bläst der Wind in Richtung Meer. Ban von CNIC fordert daher den Einstieg in den Ausstieg. Vielleicht werden ihn die Japaner diesmal anhören. denn die Japaner versetzt das Drama am Meiler in Fukushima wirklich in Angst. 


(PS bitte tippfehler zu entschuldigen)
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Samstag, 12. März 2011

Das Beben in Japan

Ich war gerade in Yurakucho im technischen Kaufhaus Bic Camera im 2. Untergeschoss als das Beben traf. Wir wussten gleich, dass dies ein Megabeben sein musste, denn so hatte es seit Jahrzehnten nicht mehr in Tokio gewackelt. 
Doch erst als ich nach draussen gegangen bin, wurde mir das Ausmaß des Bebens ansatzweise bewusst. Der Boden fühlte sich an wie Wackelpudding. Wir konnten das Schwingen der Hochhäuser mit blossem Auge sehen. Und immer wieder kamen Nachbeben. 
Nach ein bisschen Herumstromern ging in den Foreign Correspondents' Club of Japan (FCCJ), um mich ans Arbeiten zu setzen. Die Fahrstühle standen still. Und so musste ich die 20 Stockwerke zu Fuß hinauflaufen. Im Treppenhaus lagen Farbplacken, Mörtel und ein paar Damenschuhe herum. 
Im FCCJ war ein bisschen mehr Verwüstung zu sehen (siehe Foto). Mehrere Menschen waren umgestürzt, als das Beben traf. So gewaltig bewegte sich der Turm. 
Seither haben die Nachbeben nicht aufgehört. Es wackelt selbst hier in Tokio fast alle zehn Minuten, selbst heute am Sonnabend morgen. 

Hier noch ein paar Notizen von gestern nacht.
Aber die Nachrichten sind ja voll vom Beben.

Japan ist am Freitag von dem stärksten Erdbeben in der Erinnerung des Landes getroffen worden. Mit einer Magnitude von 8,8 auf der Richter-Skala ist es das fünftstärkste Erdbeben der Welt seit 1900. Nach einer Messung des US Geological Survey schlug der Seismograph sogar bis 8,9 aus. Die Erdstöße waren so heftig, dass sogar die Menschen im 350 Kilometer südlich vom Epizentrum gelegenen Tokio in Angst und Schrecken versetzt wurdne.
Die Schäden in den am stärksten betroffenen Präfekturen Miyagi und Iwate im Nordosten des Landes sind noch nicht abzuschätzen. Denn nach dem Beben verwüstete zudem ein bis zu zehn Meter hoher Tsunami die Küste. Die Zahl der Toten wird vermutlich in die tausende gehen.

Ein Erdbeben dieser Stärke in der Region ist selbst für die an Erdbeben gewohnten Japaner ein Schock. "Wir hätten niemals erwartet, dass ein Beben dieser Stärke die Region Sanriku trifft", sagte Hirofumi Yokoyama von Japans Wetteramt, das für die Erdbebenmessung und Tsunami-Warnung zuständig ist. Sanriku ist der Name der Region. Das Beben übertrifft nicht nur das Große Kanto-Erdbeben aus dem Jahr 1923, bei dem mehr als 100000 Menschen im Großraum Tokio starben. Es ist sogar größer als ein Beben in der Tokai- und Nankai-Region von 1707, dass auf eine Stärke von 8,6 bis 8,7 geschätzt wird. Das letzte Beben, das mehr als 1000 Tote forderte, datiert aus dem Jahr 1995. Bei einem Beben der Stärke 7,3 starben mehr als 6000 Menschen in der westjapanischen Stadt Kobe.

Die ersten Bilder aus der Region zeigten Bilder des Schreckens. Kollabierte Häuser, Erdrutsche und großflächige Brände wie im Dorf Kesennuma in der Präfektur Miyagi. Doch am schlimmsten könnte der folgende Tsunami gewütet haben. Ein bis zu zehn Meter hohe Wasserwalze schob Schiffe, Container und Autos kilometerweit ins Land, riss ganze Dörfer mit. Und auf dem Weg zurück rissen das Meer seinen Fang wieder mit. Luftaufnahmen zeigten Häuser, Autos, Container und Schiffe durch die Buchten treiben.

Auch im Atomkraftwerk in der Präfektur Fukushima loderten Flammen. Kurzzeitig schien es so, als ob bei einem Meiler sogar die Kühlung versagen würde. Doch später am Abend gab die Präfektur Entwarnung.

Die Opferzahlen steigen stündlich an. Zuletzt gab es 1000 bestätigte Opfer. Allein im am Pazifik gelegenen Stadtteil Wakabayashi der Millionenmetropolen wurden 200 bis 300 Leichen gesichtet. Die Zahl der Vermissten wird mit mehreren hundert angegeben. Im Rest Sendais haben 60000 bis 70000 Menschen in Notunterkünften Zuflucht gesucht. Der Zugverkehr war bis spät in die Nacht unterbrochen. Handynetze funktionierten nicht.

Zum Glück für die Bewohner ist Japan so gut wie kein Land auf Megabeben vorbereitet, denn das Leben mit Beben ist Alltag. Da das Inselreich auf den Bruchkanten mehrerer Erdplatten thront, ist es das erdbeben- und vulkanreichste Land der Welt. Täglich bebt irgendwo die Erde. In keinem Land sind die Häuser daher so erdbebensicher wie in Japan und die Menschen so gut auf Katastrophenbewältigung trainiert.

Das Wetteramt hat Minuten nach dem Erdbeben eine Tsunami-Warnung ausgegeben, die Regierung einen Krisenstab eingerichtet. Der Gouverneur der Region Miyagi forderte sofort Unterstützung von Japans Militär an. Japans Regierung scheute sich sogar nicht, die im Lande stationierten US-Truppen um Hilfe anzurufen. Finanzminister Yoshihiko Noda versprach, dass Geld ungeachtet der hohen Staatsverschuldung von fast 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Wideraufbau zur Verfügung gestellt wird. Und die Notenbank kündete für Montag eine Krisensitzung an, um die Wirtschaft zu stützen und die Finanzmärkte zu beruhigen. Denn auf das Land kommen enorme volkswirtschaftliche Kosten zu. Es ist noch nicht abzusehen, wie groß die sein werden. Aber die Reichweite des Bebens lässt schlimmes vermuten.

Nicht nur der Nordosten, sondern auch der Großraum Tokio mit seinen 36 Millionen Menschen wurde vom Beben betroffen. In Tokio selbst erreichte das Beben immerhin noch die Stärke 5+ auf der siebenstufigen japanischen Erdbebenskala, die Beben nach der Verwüstung an der Erdoberfläche einordnet.

In Hochhäusern stürzten Menschen, die gingen, wegen der Schwingungen zu boden. Selbst fest verankerte Regale wurde aus der Wand gerissen. Auch in Tokio standen bis 21 Uhr alle Züge still. Handys funktionieren wegen der Überlastung der Netze nur sporadisch. Und am Horizont mahnte himmelhohe Flammen einer Raffinerie der Ölgesellschaft Cosmo in Tokios Nachbarpräfektur Chiba, dass die Hauptstadt noch einmal glücklich davon gekommen war.

Selbst ein Beben wie in Kobe würde nach einer amtlichen Simulation aus dem Jahr 2005 in Tokio im schlimmsten Fall 11000 Tote fordern und Schäden in Höhe von rund einem Fünftel des japanischen Bruttoninlandsprodukts verursachen. Ein Beben der Stärke 8 ist offiziell niemals durchgerechnet worden. Aber es gehört wenig Phantasie dazu, sich ein Armageddon wie beim Großen Kanto-Erdbeben vor 90 Jahren auszumalen. Ein Beben vom gestrigen Ausmaß unter Tokio ist bisher einfach unvorstellbar gewesen.

In den kommenden Tagen, Wochen und Monaten wird nun die Auswertung der Naturkatastrophe beginnen. Nach jedem Beben wurden die Baurichtlinien verschärft und Bauten nachträglich erdbebensicherer gemacht. So wurde der denkmalgeschützte Tokioter Bahnhof in seiner gesamten Länge auf Puffer aus Gummi und Stahl gestellt, um ihn selbst Erdbeben der Stärke 8 unbeschadet überstehen zu lassen. Aber dieses Beben erschüttert alle Grundannahmen und damit möglicherweise die Atomindustrie des Landes, die mehr als 30 Prozent des Stroms liefert, weil Japans Forscher es niemals für möglich gehalten hatten.  Mehrere Atomkraftwerke stehen in der Nähe oder direkt auf geologisch aktiven Falten. Bisher galten sie als sicher genug. Doch vielleicht muss die Regierung diese Position nun überdenken.

Mittwoch, 9. März 2011

BILD: "Chaos nach Erdbeben in Japan"

Ich sehe gerade, dass das heutige Erdbeben in Japan es sogar auf Spiegel Online und Bild Online geschafft hat. Besonders nach der Überschrift in Bild "Chaos nach Erdbeben in Japan" musste ich doch noch mal aus dem Fenster schauen, ob mir heute irgendetwas entgangen ist. Meine Antwort: Traue keiner Überschrift, die du nicht selbst "zugespitzt" hast.

Ein paar Anmerkungen:
1. Erdbeben dieser Stärke kommen hier recht häufig vor. 
1995 starben bei einem ähnlich starken Erdbeben bei Kobe über 6000 Menschen. Ein Beben dieser Stärke direkt unter Tokio würde nach dem amtlichen Horrorszenario bis zu 11000 Tote und ein Schaden in Höhe eines Viertels des Bruttoinlandsprodukts Japans fordern. 1923 starben im Großraum Tokio bei einem allerdings weit stärkeren Beben (7,9 auf der Richter-Skala) mehr als 100000 Menschen.
Ein Beben der 8er-Klasse wurde im übrigens offiziell noch nie durchgerechnet. Ein Erdbebenberater der Regierung erklärte mir mal, warum: Die Schäden wären so schwer, dass die Ergebnisse die Menschen entmutigen würden und sie daher vielleicht auf Vorbeugemaßnahmen verzichten würden. Aber der Staat will sie halt dazu anhalten, sich auf den Ernstfall vorzubereiten, um möglichst viele Menschenleben zu retten, und rechnet daher lieber "beherrschbare" Szenarien durch.

2. Das heutige Beben haben wir allerdings schon wieder abgehakt, weil es a) weit weg passiert ist und b) offenbar wenig mehr angerichtet hat als die Hochhäuser in Tokio zum Schwanken zu bringen. Das "Chaos" war der Stop der Shinkansen-Züge, die bei jedem Beben wie auch häufig bei den ebenfalls nicht seltenen sintflutartigen Regenfällen angehalten werden. 
Ich war gerade im Foreign Correspondents' Club of Japan in der obersten (der 20.) Etage unseres Hochhauses, als die Wellen trafen. Es fühlte sich schon stark genug an, die amtliche Erdbebenmeldung anzuschauen, aber es war noch nicht wirklich besorgniserregend.

3. Und zum Abschluss verrate ich gerne wie die Erdbebenprävention aussieht: Jeden Tag ein Gebet, dass man nicht gerade in Tokio ist, wenn das Megabeben trifft. Oder wenn man doch das Pech hat, da zu sein, dass man sich dann doch bitte in einer Baustruktur befindet, die nicht zusammenbricht. 
Hört sich fatalistisch an, und genauso ist es auch. Erdbeben gehören in Japan zum Alltag, starke inklusive. Wir sitzen hier nun mal auf der Kante verschiedener Erdplatten und sind daher mit Beben und Vulkanen im Überfluss ausgestattet.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Tech-Blog: Leben mit Beben

In meinem heutigen Tech-Blog auf Technology Review setze ich mich mit der Erdbeben-Propaganda und dem Umgang mit der ständigen Erdbebengefahr auseinander. 


Erdbeben-Propaganda: Japans Gebäude sind so erdbebensicher wie die Häuser in keinem anderen Land der Welt. Doch statt uns Tokioter zu beruhigen, werden wir immer wieder an die Gefahr eines Mega-Bebens erinnert.
mehr hier ...


Ich berichte dort auch ein wenig über die immer wieder von mir gern zitierten amtlichen Horrorszenarien eines starken Bebens in Tokio, die aber noch immer schön gerechnet sind. Denn sie basieren nur auf einer Stärke von 7,3 auf der Richter-Skala. Das große Kanto-Beben war hingegen ein Rumser der Klasse 8. 


Offiziell hieß die Begründung damals, dass Klasse-8-Beben nur alle 200 bis 300 Jahre Tokio treffen würden und als nächstes nur ein Beben der 7er-Klasse drohte. Aber inoffiziell habe ich auch eine andere Begründung gehört, die ich im Blog schildere.


Ganz oben auf meiner Prioritätenliste der Erdbebenvorbeugung übrigens steht: das tägliche Gebet, wenn das Mega-Beben kommt, ganz weit weg zu sein.

Montag, 19. April 2010

Vulkan-Eruption: Alles Asche, wenn der Fuji ausbricht

Es ist eine globalisierte Welt: Die Naturgewalten in Island treffen auch Japan hart. Langsam werden die aus Europa importierten weißen Rosen knapp, die so unentbehrlich für Hochzeiten sind. 


Aber mal ein bisschen mehr im Ernst: Nach dem isländischen Beispiel sollte der Welt angst und bange vor einem Vulkanausbruch in Japan werden. Ich hoffe bete jedenfalls seit Jahren, dass ich keinen Ausbruch des Fuji erleben werde. 


Japans Nationalberg sieht zwar malerisch am Horizont aus, aber sollte er mal Feuer spucken, dürfte sein Ascheregen noch weit größeren wirtschaftlichen Fall-out nach sich ziehen als die Flugverbote in Europa. Tagelanger Stein- und Ascheregen auf den Großraum Tokio mit seinen 36 Millionen Einwohnern droht jedenfalls ähnlich große Schäden zu verursachen wie ein Megabeben. 


Der nationale und internationale Flugverkehr bräche für Tage, wenn nicht Wochen zusammen, doch ebenso der Bahn- und Autoverkehr auf den Lebensadern des Landes, und damit die Versorgung der Metropole. Die Asche dürfte auch die Basisstationen des Mobiltelefonnetzes außer Gefecht setzen. Und wer weiss, was mit der Strom- und Wasserversorgung passieren würde. Wenigstens blieben die meisten Häuser stehen.