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Donnerstag, 16. Februar 2012

Nanotech 2012 und Strahlenschutzwäsche

In meinem wöchentlichen Blog auf Technology Review berichte ich dieses Mal von der weltweit größten Messe für kleinste Teilchen, von der Nanotech in Tokio. 

Mode für AKW-Arbeiter: Besonders beindruckt hat mich dieser Kapuzenanzug des Unterwäscheherstellers Gunze. Es handelt sich um einen Strahlenschutzanzug aus gewebten Wolfram-Fäden. Das Gewebe soll per Kilogramm pro Quadratmeter mehr Gamma-Strahlung blocken als Bleiplatten – und verheißt darüber hinaus sogar noch einen besseren Tragekomfort als Blei. Kostenpunkt: rund 35000 Euro. Er ist dafür gedacht, unter einem der Instant-Strahlenschutzanzüge getragen zu werden, die derzeit bei den Rettungsarbeitern im zerstörten AKW Fukushima 1 so groß in Mode sind. 

Textil für das Düsentriebwerk: Mehr Massenabsatz kann sich Gunze da schon von diesen Silizium-Karbon-Fäden versprechen. Die sind so hitzeresitent, dass sie sogar in Düsentriebwerken eingesetzt werden können. Gunze wäre der weltweit dritte Hersteller, der diese Fasern herstellen könnte - und der dritte in Japan. Einzig BMW-Partner SGL plant, als erstes ausländisches Unternehmen in das japanische Reservat einzubrechen.

Nano-Strukturen für Riesenspeicher: Der Elektronikkonzern Toshiba werkelt derweil an einer Festplatte mit Strukturen im 8-Nanometerbereich. Ein 3,5-Zoll-Laufwerk mit dieser Technik soll irgendwann einmal 45 Tb an Daten fassen können. 
 Leica vertraut nicht nur auf Technik, um Kunden anzuziehen. 

Schmucke Ablenkung: Nett auf japansichen Messen sind auch immer die verspielten Gimmicks, hier ein schmuckes Hologramm. Das Geheimnis sind die auf Superhochglanz polierten Spiegel im inneren der Dose, die das Objekt, das auf dem Boden steht, in den freien Raum projizieren.

Nano-Beauty im Alltag: Nicht fehlen dürfen natürlich auch die ersten Anwendungen für Bucky Balls. Hier sind wir am Stand des Herstellers Mitsubishi.

Nano als Jungbrunnen: Besonders beliebt sind natürlich kohlenstoffverstärkte Tennis- und auch Golfschläger, die auch ältere Semester wieder aufschlagen lassen wie zu ihren besten Tagen. Und habe ich Golfbälle schon erwähnt?

 Das flutscht: Wie wär's mit ein wenig Nanowachs?

Nano-Lichtspiel: Dieses kleine Gerät stammt aus der Schweiz und will gerne in unsere Handys und Tablet-PCs hinein. Es handelt sich um einen Mikro-Laserprojektor, der am Stand von Micronarc, dem Mikro-Nanotech-Cluster der Westschweiz ausgestellt wird.

Nano-Schritte aus der Schweiz: Dort gibt es auch dieses Würfel große Textgerät zu sehen, das auf der Platte in 40 Nanometer kleinen Schrittchen bewegt werden kann.

Wie Nano Explosionen verhindern hilft: Bayer ist ebenfalls groß mit seinen kleinsten Produkten vertreten, mit Carbon Nano Tubes. Die können allerlei Produkten beigemischt werden. Zum Beispiel diesem Tankdeckel aus Plastik. Der wird die Kohlenstoffröhrchen elektrisch leitfähig und braucht damit keine Erdung mehr. 

Stark wie Stahl, leicht wie Aluminium: Interessant finde ich auch diese Schraube aus mit Kohlestoffröhrchen verstärkten Kohlestoffröhrchen. Als ich die doch recht massiv wirkende Schraube in die Hand nahm, habe ich mich erst erschrocken. So leicht war sie. Ich hatte instinktiv das Gewicht einer Stahlschraube erwartet. Nano wird unsere Welt in den kommenden Jahren noch deutlich mehr verändern helfen.

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Die Sonne vor Fukushima

Der vorweihnachtliche Blogbeitrag auf Technology Review widmet sich an diesem Donnerstag einem ganz persönlichen Geschenkwunsch: ein Interview mit meinem Namensvetter in unserer beider Geburtsstadt Bremen, mit Martin Kölling, Geochemiker vom Marum in Bremen (rechts). 
Neben unserem persönlichen Treffen gab es einen weiteren Höhepunkt: die Führung durch das Bohrkernlager
Und hier besonders der Bohrkern 1049 B aus dem Jahr 1997 aus dem Golf von Mexiko, der einen perfekten Längsschnitt durch die Kreide/Tertiär-Grenze zeigt.
Ein Meteoriteneinschlag in der mexikanischen Halbinsel Yucatán soll diese gelbliche Schicht und das Sauriersterben verursacht haben. Die Schicht unterbricht das Grau der normalen Sedimente recht dramatisch. In den alten Sedimenten (am rechten Bildrand) sind sogar noch Spuren der Kompression und der Tsunamis zu erkennen, die die Meere und Sedimente nach dem Einschlag umgepflügt haben.
In dieser Röhre steckt der Kern. 


Und der Herr der Kerne ist Alex Wülbers. Er sortiert tausende dieser zur Hälfte aufgeschnittenen und eingepackten Sedimentproben seit Jahren und sorgt dafür, dass Bohrkern 1049B nicht zu einfach zu finden ist. An diesem Vorweihnacht-Dienstag musste er ihn schon einmal zeigen.
Da der Kern so beliebt ist, sollte er vielleicht wie eine Reliquie eingeschreint und im Foyer des Marum aufgestellt werden. Nicht nur Ozeanographen und Dino-Fans dürften für einen steten Pilgerstrom sorgen. Besonders in einem Zeitalter, in dem mal wieder auf den Weltuntergang gewartet wird, könnte der Bohrkern zu einem Symbol der Hoffnung werden: Schlimmer geht's immer, aber es ist nicht das Ende der Welt (wie das Dasein des Homo Sapiens beweist).

Das Marum ist übrigens eine von weltweit drei Lagerstätten für Bohrkerne des Integrated Ocean Drilling Program. Die anderen zwei sind im japanischen Kochi und in Texas/USA wie die selbstgemachten Weltuhren der Forscher im Marum zeigen.

Ein Clou auf dem kommenden Einsatz des Forschungsschiffs Sonne vor der Küste Fukushima ist dieser ferngelenkte Tauchroboter namens Quest. Am 8. März beginnt die Mission in Yokohama. Das Forschungsschiff kreuzt ohnehin gewöhnlich durch asiatische Gewässer.

Ein anderer Hauptakteur wird dieser gelbe Torpedo, das AUV. Es wird autonom über den Meeresgrund surren und die Topographie weit genauer erfassen als es von einem Schiff möglich wäre.

Donnerstag, 18. November 2010

"Twitter gibt China erstmals volle Redefreiheit" - Chinas Star-Blogger Michael Anti über die Macht Twitters in China und Japans kolossales Missverständnis der chinesischen Politik, Teil 1

Auf Technology Review erscheint am Donnerstag der erste Teil meiner Aufzeichnungen eines Pressegesprächs mit Michael Anti (Zhao Jing), einem der bekanntesten Blogger Chinas.


Der erste Teil dreht sich um das Internet und China, später werde ich noch in einem zweiten Teil schildern, warum Anti meint, dass Japan durch das totale Ignorieren der chinesischen Bloggerszene China gründlich missversteht. 


Twitter belebt Chinas Zivilgesellschaft

Der chinesischer Starblogger- und -Twitterer Michael Anti erzählt in Tokio, wie Twitter China seines Erachtens erstmals in der Geschichte volle Redefreiheit verschafft.

Als studierter Chinakundler (lang ists her) bin ich immer froh, neues über China zu erfahren. Als anregender Quell entpuppte sich Michael Anti, der mit über 30000 Followern viertmeist gefolgte Twitterer der Volksrepublik China (twitter.com/mranti). Zhao Jing heißt er mit bürgerlichen Namen, hält sich gerade für zwei Monate in Japan auf und relativierte einige meiner Vorurteile. Aus meinem japanischen Exil hatte ich in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, dass Chinas Regierung den Beweis erbringt, wie gut sich das vermeintlich ach so demokratische Internet zur Gedankenkontrolle eignet. Das scheint mir auch noch immer so zu sein, nur eben klappt es bei weitem nicht vollständig, zeigte Anti. Seine These: Durch das Internet und vor allem durch Twitter ist eine „sehr lebendige Zivilgesellschaft“ entstanden.

Seine Aussage überrascht. Denn nur 100000 Chinesen twittern. Aber die wenigen entfalten eine große Wirkung, da sie zur Informationselite des Landes gehören und oft selbst Journalisten sind. Außerdem ist der Charakter von Twitter mit seiner Beschränkung auf 140 Zeichen in China dank des Schriftsystems nicht der eines Kurztext- sondern eines richtigen Nachrichtendienstes. 140 chinesische Schriftzeichen sind bereits ein kleiner Text, 140 Anschläge in Buchstaben nur ein Satz.

Immer wieder schafft es Twitter daher, vor allem von der chinesischen Regierung unterdrückte Geschichte vor allem in ausländische, manchmal aber auch in chinesische Zeitungen zu bringen. Ein Beispiel ist die Ehefrau des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo. Liu Xia hat über ihr Twitter-Account twitter.com/liuxia64 der Welt umgehend gepetzt, wie sie von der Staatsmacht unter Druck gesetzt wurde. Und flugs fanden sich ihre Tweets auf BBC wieder. Eine Demo für den Künstler Ai Weiwei, die erste Demo nahe des Tiananmen-Platzes seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung, schaffte es sogar dank Twitter in die englischsprachige Ausgabe der Global Times einem Sprachrohr der kommunistischen Partei Chinas, inklusive getwittertem Bild. Die Zensoren hätten nicht die Ressourcen, Tweets minütlich zu folgen, erklärt Anti den Erfolg: „Twitter ist die erste nationale Plattform für 100-prozentige Redefreiheit in Chinas Geschichte.“

Man merkt, Anti ist Journalist. Er liebt das starke, überspitzte Zitat. Ganz so gemütlich geht es im Reich der Mitte freilich nicht zu. Der einzelne Twitterant läuft schon noch Gefahr, dass die Polizei an seine Tür klopft, wenn der Obrigkeit ein Tweet missfällt, gesteht Anti. Denn neben den Fans „folgen“ die Zensoren den frechsten Bloggern. Aber im großen Ganzen gesehen kann man Antis Gedankengang dann wieder verstehen. Denn dummerweise (aus der Sicht der Staatsmacht gesehen) ist das Malheur im Zweifel selbst dann schon geschehen, wenn der missliebige Tweet zeitnah gesperrt werden kann. Schließlich können heute schon Minuten für die pandemische Infektion der Netizen mit ungesundem Gedankengut ausreichen.

Mitverantwortlich dafür ist der Charakter der chinesischen Blog-Sphäre, der sich sehr stark von der anderer Länder unterscheidet. Idealtypisch gesehen ist das Internet in den USA das Medium des Anti-Mainstreams, in Japan des privaten Klatsches. In China hingegen ist die Blogsphäre der Tummelplatz professioneller Journalisten der Mainstream-Medien, die gerne mal im Internet Geschichten veröffentlichen, die sie in ihren Blättern nicht los werden, erklärt Anti.

Die Ursache sei Chinas Mediengeschichte, so Anti. Als die kommerziellen Medien im Jahr 2000 ihre Expansion starteten, fanden sie keine qualifizierten Journalisten. Denn die Schulbücher der Journalistenschulen seien „Mist“. Also heuerten die Herausgeber in ihrer Not „Blogger“ der ersten Stunde wie Anti an, die durch ihre Arbeit im Internet bewiesen hätten, dass sie schreiben können. „Ich bin eigentlich ein Computerfreak“, kokettiert Anti mit seiner Vergangenheit. Das Ergebnis: Journalismus und Bloggen seien in China von Beginn an verschmolzen. „Wir können das Internet und die Medien nicht trennen“, so Anti. Für den Staat sei das Internet daher das „Schlachtfeld“. Für Anti ist es hingegen „der Platz der Zivilgesellschaft.“

Das Internet wird das Denken der Chinesen verändern, sagt er voraus. 1. wird die neue Generation Redefreiheit als angeborenes Recht betrachten. „Selbst Nationalisten wollen Redefreiheit, da gibt es Konsens.“ 2. Die jungen Netizen betrachten „Information“ als ihren Besitz und hätten daher auch Google beim Konflikt mit der chinesischen Regierung verteidigt. 3. empfinden immer mehr Menschen und auch die Partei „partizipative Demokratie“ als gut. Der Gesellschaftsvertrag sieht in etwa so aus: Die Partei gewährt recht viele individuelle Freiheiten und vor allem Wohlstandswachstum, dafür verzichten die Bürger darauf, sich politisch zu organisieren. Zuwiderhandlung wird bisweilen wird mit Einkerkerung bestraft, siehe Liu Xiaobo.

Anti warnt uns daher in einem interessanten Dreh seiner Argumentation davor, wegen des Wandels auf eine Demokratisierung Chinas im westlichen Sinne zu hoffen. Partizipative Demokratie sei nicht gleich repräsentative Demokratie mit vom Volk gewählten Politikern, meint Anti. „Es wird nicht in Richtung repräsentative Demokratie gehen.“

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