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Montag, 8. März 2010

Die Newsliste: Montag, 8.3.2010

Sporadisch, * subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die News vom Tage:


Kaiserliches Update: 
Prinzessin Aiko traut sich wieder in die Schule
Prinzessin Aiko ist heute wieder in die Schule gegangen. Sie hatte vorige Woche ein paar Tage Auszeit genommen, weil sie sich so vor einem stürmischen Buben erschreckt hatte, der sie bei seinem Versuch, den Zeitraum seines Zuspätkommens durch eilenden Schritt zu verkürzen, fast über den Haufen gerannt hatte. (So wenigstens eine Darstellung der Schule).
Am Freitag gab's zu diesem Thema hier was kurzes.


Konjunktur
Stimmung verbessert sich, Zahlungsbilanzplus vergrößert sich
Ermutigende Zeichen von der Konjunktur, aber nichts wirklich neues. Die jüngsten Zahlen unterstützen die Hoffnung, dass Japan motorisiert durch die Auslandsnachfrage und einen stabilen Konsum einen Rückfall in die Rezession vermeiden kann.


IPO
Zweitgroesster IPO Japans
Die Lebensversicherung Daiichi legt Ausgabepreis fest.
Mit rund 8 bis 10 Mrd. Euro wäre dies Japans zweitgrößter IPO aller Zeiten.


Politik
Popularität der Regierung sinkt auf Rekordtief
Ihre kontinuierlich sinkende Popularität lässt bei Japans Regierung die Alarmglocken schrillen. Die Regierung brauche einen Durchbruch, sagte Premier Yukio Hatoyama heute. Die schwerste Aufgabe, die von vielen Beobachtern zu seiner Schicksalsfrage hochgejubelt wird, ist die Frage des Umzugs einer US-Luftwaffenbasis auf der Insel Okinawa. Die Stadt Nago hat heute gegen die ursprünglich geplante Ansiedlung der Basis auf ihrem Gebiet gestimmt. Die Koalitionspartner der Demokraten werden heute ihre Vorschläge vorlegen.
Doch auch sein Generalsekretär Ichiro Ozawa ist eine Bürde, seit die Staatsanwaltschaft ihn durch ein bei Rechtsexperten als fehlerhaft kritisiertem Verfahren in einen Parteispendenskandal verwickeln wollte.
Die Luft wird dünn für Hatoyama.


Gut: 
Japans Unternehmensverband Nippon Keidanren entpolitisiert sich (ein wenig) 
Er will doch seinen Mitgliedern tatsächlich keine Spendenempfehlung für politische Parteien mehr geben. 

Dienstag, 26. Januar 2010

Showdown in Tokio - Viel Feind, viel Ehr'

DPJ-Mastermind Ozawa duelliert sich mit der Staatsanwaltschaft


Japans Demokraten sind im Stimmungstief wegen der Verwicklung von Premier Yukio Hatoyama und DPJ-Generalsekretär Ichiro Ozawa in Spendenskandale. Paradoxerweise ist dies eher ein Zeichen dafür, dass sie wie im Wahlkampf versprochen ihre politische Revolution in Japan umsetzen, argumentiere ich in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). 
Anders als der legendäre Reformpremier Junichiro, der einen Friedenspakt mit dem Finanzministerium und der Bank von Japan geschlossen hat, greifen die Demokraten die Bürokraten an allen Fronten an. Die Attackierten wehren sich - durch die Staatsanwaltschaft und die Medien. Es entwickelt sich eine dramatische Schlacht.
Den vollständigen Artikel gibt es hier ...

Donnerstag, 14. Januar 2010

Ein Mönch als Chefpilot - Kyocera-Gründer Kazuo Inamori soll Japan Airlines heil aus dem Konkurs steuern

Er ist bereits buddhistischer Mönch und Japans größte lebende Managementlegende. Am Mittwoch hat Kazuo Inamori, der 77-jährige Gründer und Ehrenvorsitzende des Elektronikunternehmens Kyocera, auch noch eingewilligt, sich ein Denkmal als Sanierer zu setzen. Er will Japan Airlines als Chief Executive Officer durch den Konkurs zu steuern. „Wenn wir den Sanierungsplan, der von der Firmensanierungsgesellschaft Etic ausgearbeitet wurde, stetig umsetzen, glaube ich, dass eine Wiedergeburt von JAL möglich ist“, begründete er seine Entscheidung. Bereits in der kommenden Woche könnte er den bisherigen JAL-Chef Haruka Nishimatsu beerben.

Inamori folgt damit einem Ruf eines seiner engsten politischen Freunde. Kein geringerer als Ministerpräsident Yukio Hatoyama hat Inamori das Himmelfahrtskommando angeboten, die unter der Schuldenlast von 1440 Mrd. Yen abgestürzte Fluglinie in den kommenden drei Jahren durch den Abbau von einem Drittel des Personals in die Gewinnzone zurückzusteuern. Es ist eine riskante Wahl. Denn Inamori ist nicht als Sanierer bekannt, gesteht selbst, ein „kompletter Amateur“ in der Transportindustrie zu sein und wegen seines Alters nur vier Tage die Woche arbeiten zu können. Dennoch gilt er der Regierung als idealer Kandidat.

Zum einen wollen die erst seit vier Monaten regierenden Demokraten einen Vertrauten an der JAL-Spitze wissen, und Inamori ist einer der wenigen Wirtschaftsführer, der die jungen Demokraten schon in der Opposition unterstützt hat. Denn JALs Sanierung gilt als struktur- und innenpolitischer Testfall. Noch nie ist in Japan ein Unternehmen dieser Größe durch ein Konkursverfahren saniert worden. Gleichzeitig symbolisiert der ehemalige Staatsbetrieb den Filz zwischen Bürokratie und Politikern der ehemaligen Regierungspartei, den Liberaldemokraten, den die Demokraten zerreißen wollen.

Zum anderen hofft Hatoyama, dass Inamori der als bürokratisch und und langsam geltenden Traditionslinie Unternehmertum und Agilität einhaucht, während ein Fachmann als sein Chief Operating Officer das tägliche Geschäft leitet. Er hege große Erwartungen in die Führungsqualitäten des Mannes, der in einer Lebenszeit zwei Unternehmen aufgebaut habe, so Hatoyama. 

1959 gründete Inamori als 27-jähriger Kyoto Ceramics, kurz Kyocera, einen Hersteller von Elektronikbauteilen. 1984 nutzte er die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes und schuf DDI, den Vorläufer des heute zweitgrössten Mobilnetzbetreibers KDDI. 

Dabei blieb er ein Mann auf Mission. 1984 stiftete er den Kyoto-Preis, einen Wissenschafts- und Kulturpreis von Weltrang. Ausserdem begann er, seine Philosophie vom Wirtschaften in gesellschaftlicher Verantwortung zu verbreiten. 1997 legte er im Alter von 65 Jahren den Vorsitz von Kyocera und DDI nieder und wurde buddhistischer Mönch. Gestern machte er seinem Mönchsnamen Daiwa, grosse Harmonie, alle Ehre. Er wolle mit der Übernahme der JAL-Führung zum Glück der Belegschaft beitragen, sagte er Reportern. Und wenn die Sanierungsrezepte nicht anschlagen, kann er das Unternehmen ja vielleicht gesundbeten.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Die Newsliste: Mittwoch, 30.12.2009

Sporadisch, * subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die News des Tages


JAPAN - Wirtschaftspolitik
Japan legt neue Wirtschaftsstrategie vor
Japans neue Regierung hat ihre lang erwartete Wirtschaftsstrategie vorgelegt. Danach soll die Wirtschaft bis 2020 nominal um 3 und inflationsbereinigt um 2 Prozent wachsen. Als Wachstumsmotoren sieht die Regierung Umweltschutz und grüne Industrien, das Gesundheitswesen und Tourismus. Im Unterschied zu der seit 1955 fast ununterbrochen regierenden LDP wollen die neuen Machthaber nicht durch Bauprojekte Unternehmen fördern, sondern die Nachfrage der Bürger steigern, sagte Premier Yukio Hatoyama.


* Hatoyama hat seine große Chance verspielt, Japanern die Angst vor dem Niedergang zunehmen. De facto ist der Plan eine schlechte Nachricht. Denn mit dieser Wachstumsphilosophie wird Japan sein Schuldenproblem nicht lösen. Japans konsolidierte Staatsschuld beläuft sich auf fast 230 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, haben Ökonomen berechnet. Dabei ist der Ausweg (volkswirtschaftlich gesehen) so einfach:
Erstens Anhebung der Steuern, deren Anteil am Nationaleinkommen derzeit weit unterhalb des europäischen Durchschnitts liegen, um die Schulden abbauen zu können. 
Zweitens ein offizielles Inflationsziel von 2 Prozent für die Notenbank, um die reale Schuldenlast klein zu inflationieren. 
Die Wirtschaftsstrategie der Demokraten deutet allerdings nur auf eine Inflation von 1 Prozent hin. Steuererhöhungen schließt die Regierung zudem für die kommenden vier Jahre aus, während die Verschuldung krisenbedingt explodieren wird. Für das im April beginnende Haushaltsjahr hat Japan einen Rekordhaushalt von 92 Billionen Yen eingeplant, der sich nur durch hohe Neuverschuldung finanzieren läßt.
Die Sorge um die Schulden wird sich Japanern wie Unternehmen auf die Seele legen. Konsumenten werden daher weiterhin ihre Geldbörsen zu halten, um für die angenommenen schlechten Zeiten zu sparen, was wiederum die Abwanderungsabsichten der Unternehmen stärken wird. 
Vor diesem Hintergrund ist besonders bedenklich, dass die Regierung offenbar eine stärker nach innen gerichtete Wirtschaft in einer Zeit propagiert, in der Japans bisherige Wachstumsmotoren, die Großkonzerne, sich stärker internationalisieren müssen, um mittel- und langfristig international wettbewerbsfähig bleiben zu können. Der Managerverband Keizai Doyukai fordert massiv eine Öffnung der Unternehmen wie des Landes für Ausländer. Doch die Botschaft der Regierung scheint zu sein: Wir wollen es zuhause warm und wohlig haben, die Welt ist uns zu bös und kalt. 

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Die Newsliste: Donnerstag, 10.12.2009

Sporadisch, * subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die News vom Tage:



Unternehmen
Panasonic erwirbt Aktienmehrheit an Sanyo
Der japanische Elektronikgigant Panasonic hat heute für 404 Mrd. Yen (über den Daumen knapp über drei Mrd. Euro) 50,18 Prozent der Aktien an dem Elektronikhersteller Sanyo erworben.
Der strategisch für Panasonic wichtige Deal lag lange auf Eis, weil die Wettbewerbshüter in China und den USA ihre Genehmigung hinausgezögert haben. Denn durch den Kauf hat Panasonic zum Beispiel bei einigen Batterietypen einen dominierenden Marktanteil. 
Panasonic ist besonders an Sanyos Lithium-Ionen- und Solarzellengeschäft interessiert. Panasonic selbst ist ebenfalls stark bei Akkus, aber vertraglich bei Batterien für Hybrid- und Elektroautos durch ein Joint Venture bisher an Toyota gebunden. Sanyo hingegen bedient mehrere Autohersteller wie Volkswagen. 
Solarzellen hat Panasonic bisher gar nicht im Programm. Doch das Management sieht darin einen wichtigen Wachstumsmarkt. Durch den Kauf von Sanyo will das Unternehmen zu einem der führenden Anbieter von umweltfreundlichen Energieprodukten werden.
* Darüber hinaus hat der Kauf auch eine sentimentale Note. Er ist eine Herzensangelegenheit. Panasonic holt ein verlorenes Kind, das in eine tiefe finanzielle Krise gefallen ist, zurück in die Familie. Sanyo wurde nach dem Krieg von einem Schwager des Panasonic-Gründers Konosuke Matsushita gegründet. Die Hauptquartiere beider Konzerne liegen an einer Bahnstation in Osaka.


Konjunktur
Regierung genervt von BIP-Korrekturen
Japans Regierung will die Berechnungsmethode des Bruttoinlandsprodukts ändern, um schneller verlässlichere Daten zu produzieren. Dies sagte heute ein Sprecher des Kabinettamts heute. 
Die Regierung reagiert damit auf die drastische Senkung des BIP für das dritte Quartal. Nach der ersten Schätzung war das Wachstumstempo mit 1,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal noch in der Spitzengruppe der Industrieländer. Doch nach den neuen Daten stellt sich nun heraus, dass die Wirtschaft mit 0,3 Wachstum nahezu stagnierte. Auch das Wachstum für weiter zurückliegende Quartale wurde teilweise deutlich revidiert. 
* Die Unzuverlässigkeit der Daten ist in Japan ein ständiger Wegbegleiter. Es gab meines Wissens schon mehrere Versuche, die Ergebnisse akkurater zu machen. Aber bisher hat es offensichtlich nicht funktioniert. Ich habe daher schon seit Jahren keine Lust mehr, über die erste Schätzung der BIP-Daten zu schreiben. Auch Ökonomen verlassen sich bei ihren Analysen nicht auf sie, sondern auf andere Indikatoren. Ich frage mich allerdings, wie sie Wachstumsprognosen erstellen, wenn die Daten immer auf Jahre zurück revidiert werden.


POLITIK
DPJ-Dele trifft in Beijing ein
Die regierende DPJ hat rund 140 ihrer Parlamentarier zu Gesprächen nach Beijing geschickt. Chef der Delegation ist Ozawa. Die japanischen Politiker treffen auf chinesische Kollegen. 
Die DPJ führt diese Reisen schon seit Jahren durch, um den Dialog zwischen beiden Nationen zu vertiefen. Sowohl Ozawa als auch Hatoyama fordern eine stärkere Einbindung Japans an die asiatische Wirtschaft. Eine gutnachbarliche Beziehung mit dem Milliarden-Volk ist eine Bedingung dafür. 
Das jetzige Treffen hat natürlich einen sehr viel höheren Stellenwert als die vergangenen. Denn seit September sind die Demokraten das erste Mal in ihrer Parteigeschichte Regierungspartei. 
Ozawa sagt zwar, Regierungsgeschäfte würden nicht berührt, da es sich um reine Parteigespräche handeln würde. Aber er könnte die Treffen dennoch nutzen, um informell einige brisante Fragen zu besprechen. Tokio reagierte gestern unwirsch auf Berichte, dass China eine Gasförderplattform in einem von beiden Nationen beanspruchten Seegebiet gebaut hat und kurz vor der Inbetriebnahme steht. Damit würde China aus japanischer Sicht gegen bisherige Abkommen verstoßen. 

Donnerstag, 17. September 2009

Mann mit Mission: Anmerkungen und Köpfe zum Hatoyama-Kabinett

Yukio Hatoyama gab sich ergriffen, als er am Mittwoch abend erstmals als Japans Ministerpräsident vor die Nation trat. Bei seiner Wahl durch das Unter- und Oberhaus habe er verwirklicht, „dass sich in diesem Moment Japans Geschichte geändert hat.“ Der Chef der demokratischen Partei Japans (DPJ) trifft damit den Punkt. In den Unterhauswahlen am 30. August hatten Japans Wähler die seit 54 Jahre fast ununterbrochen regierende liberaldemokratische Partei (LDP) aus dem Amt gefegt. Hatoyamas Wahlergebnis verdeutlicht die historische Dimension des DPJ-Siegs. 327 der 480 Unterhausabgeordneten stimmten für ihn. Im Oberhaus kam er dank der Stimmen seiner kleinen Koalitionspartner, den linken Sozialdemokraten und der rechten Neuen Volkspartei, auf 124 von 240 Stimmen. Die LDP wurde erstmals nur zweitstärkste Partei.

Die Revolution Den Wählern versprach Hatoyama gestern, wie im Wahlkampf versprochen die Nation zu revolutionieren. „Wir müssen Japan in ein Land verändern, in dem die Menschen das Sagen haben“, beschwor er die historische Mission seiner Regierung. Die DPJ will durchsetzen, was sich in Europa wie eine demokratische Selbstverständlichkeit anhört: Volksvertreter sollen die Leitlinien der Politik bestimmen. Hingegen sind in Japans Machtkartell aus Wirtschaftsbossen, Politikern der LDP und Bürokraten, das Japan aus Trümmern zur führenen Hightechnation auf gebaut hat, die Beamten zu den eigentlichen Herrschern aufgestiegen. Die Politiker sanken zu wenig mehr als klüngelnden Lobbyisten herab.

Gewählte Diktatur Um dieses tief verwurzelte System zu brechen, will die DPJ das britische System einer starken Kabinettsregierung kopieren, das oft als „gewählte Diktatur“ bezeichnet wird. Die Politik soll im Kabinett entschieden werden, weswegen die Chefs der Koalitionspartner Ministerposten erhielten. Die Ministerien sollen die Politik ausführen. Zum Brechen der unvermeidlichen Widerstände richtet die DPJ eine Art Zentralministerium ein. Das Amt für nationale Strategie soll den Rahmenplan für den Haushalt festlegen und die Ministerien koordinieren und kontrollieren. Chef und gleichzeitig Vize-Premier wird der als jähzornig bekannte Parteigründer und bisherige Parteivize Naoto Kan. Einpeitscher der zwischen linken und konservativen zerrissenen DPJ-Fraktion wird Ichiro Ozawa. Als zweiter Parteivize, ehemaliger Parteichef und Architekt des Wahlsiegs hat er die meisten Politiker in der Hand. Auch wichtige Schlüsselämter mit internationaler Bedeutung besetzt Hatoyama mit politischen Schwergewichten.  


Finanzminister Hirohisa Fujii: ein alter Fuchs 
Auf der Suche nach einer ruhigen Hand für das Amt des Schatzmeisters hat die DPJ kurz vor der Wahl hat die DPJ das 77-jährige Urgestein der japanischen Politik aus dem Rentendasein zurückgeholt. Er soll die Politik der Regierung im Ministerium umsetzen und gleichzeitig die auf fast 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angeschwollene Verschuldung managen. Der ausscheidende Finanzminister Kaoru Yosano bezeichnete ihn als "den richtigen Mann" für den Job. 
Fujii zeichnen zwei Qualitäten aus, die den meisten DPJ-Politikern fehlen. Erstens stammt er aus dem Finanzministerium und kennt daher alle Tricks, Kniffe und Ausflüchte der Beamten aus dem FF. Zweitens war er bereits ab 1993 für elf Monate einmal Finanzminister der damaligen Anti-LDP-Koalition. Damals lernte er den heutigen US-Finanzminister Timothy Geithner und den Wirtschaftsberater der US-Regierung Lawrence Summers kennen. Fujii ist überdies ein Weggefährte vom starken Mann der DPJ, Ichiro Ozawa, mit dem er 1993 die Liberaldemokraten verlassen hatte. 
Fiskalpolitisch gilt Fujii als konservativ. Beobachter rechnen daher weder mit einem steilen Anstieg der Neuverschuldung noch mit einem abrupten Kurswechsel der Währungspolitik. „Die DPJ-geführte Regierung und der neue Finanzminister werden wahrscheinlich keine Politik des starken Yen einführen“, glaubt Tohru Sasaki, Währungsexperte von JP Morgan in Tokio. Genausowenig wird sie die Weigerung der LDP aufgeben, mit Währungsinterventionen gegen eine graduelle Entwertung des Dollars vorzugehen, so Sasaki.

Außenminister Katsuya Okada: Technokrat mit Rückgrat 
Dem 56-jährigen Politiker kommt die schwierige Aufgabe zu, das Militärbündnis mit den USA zu managen. Auf Drängen ihres sozialdemokratischen Koalitionspartners hat die DPJ eine Nachverhandlung des bilateralen Truppenstationierungsabkommens und der Umorganisation der US-Streitkräfte auf Okinawa als Ziel der Regierung ausgegeben. Beides ist für die USA – und nebenbei bemerkt auch für den konservativen Flügel der DPJ – kaum akzeptabel. 
Mit dem kühl wirkenden Okada hat Hatoyama einen Kandidaten gefunden, dem der Spagat gelingen könnte. Der ehemalige Beamte des heutigen Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie ist sowohl für die Konservativen wie auch für die Linken tragbar. Als ehemaliger Parteipräsident und Generalsekretär verfügt er überdies auch an politischem Einfluss, allzu forsche Vorstöße der Koalition zu bremsen. 
Auch die Beamtenschaft des Außenministeriums dürfte ihn willkommen heißen. Denn als ehemaliger Beamter strebt er nicht wie einige DPJler eine radikale Entmachtung der Bürokratie an, sondern eine neue, respektvolle Form der Zusammenarbeit.  

Minister für das Finanzwesen und Postdienste Shizuka Kamei: der buddhistisch-pazifistische, demokratische National-Sozialist 
Der 72-jährige Führer der Neuen Volkspartei, dem konservativen Koalitionspartner der DPJ, für das Amt des obersten Finanzaufsehers kann getrost als Fleisch gewordener Albtraum für das Finanzkapital und neoliberale Strukturreformer gelten. Denn Kamei ist einer der schärfsten Deregulierungsgegner. Für seinen Widerstand gegen die Postprivatisierung von Reformpremier Junichiro Koizumi nahm er 2005 sogar einen Ausschluss aus der LDP in Kauf.
Er ist dabei einer der wenigen Gesinnungstäter in der Politik. Am besten lässt er sich als buddhistisch-pazifistischer, demokratischer National-Sozialist bezeichnen. Er sieht sich selbst rechts vom für seine ausländerfeindlichen Sprüche berüchtigten, nationalistischen Bürgermeister Tokios, Shintaro Ishihara. Gleichzeitig ist er Fan des kubanischen Revolutionärs Che Guevara. Der Hobbymaler fordert daher Hilfe für Arbeiter, Bauern und den Mittelstand sowie Gewinnverzicht von Großkonzernen zum Wohle der Angestellten. Zudem ist er aus religiösen Gründen einer der raren Gegner gegen die Todesstrafe. Zuletzt ist er mächtig und auch bereit, seine Macht zu nutzen. Als ehemaliger Ordnungshüter und oberster Terroristenjäger des Landes verfügt er über beste Kontakte in der Polizei. Niemand legt sich daher unnötig mit ihm an. 
Nun will er seine Position nutzen, um die Privatisierung der Post zu überprüfen. Einige sehen in ihm eine Gefahr für Japan, andere glauben, dass er nur wenig Bewegungsfreiheit hat.

Starkes Kabinett Hatoyama hat sein Kabinett also mit den starken Köpfen der Partei besetzt. Fast alle Flügel sind vertreten. In vielen Fällen wie Naoto Kan als Strategieminister, Hirohisa Fujii als Finanzminister oder Katsuya Okada als Außenminister scheinen die Ämter auf die Minister gewartet zu haben, so gut passen sie - wenigstens dem Augenschein nach. 
Die große Frage ist, ob die Minister dieses Mal einen Unterschied machen. Zu Zeiten der LDP war der Minister meist nur gerade lange genug im Amt, um den Weg zum Klo ohne Hilfe zu finden. Länger als ein Jahr blieb kaum ein Minister - und nebenbei bemerkt kaum ein Ministerpräsident - im Amt. Die DPJ wird das mit ihrem Drang, Politiker an die Hebel der Macht zu setzen, nun hoffentlich ändern. 
Die Chancen stehen gut, dass die DPJ das schafft. Allzuoftes Auswechseln kann sich die Partei noch nicht erlauben. Denn die Ersatzbank ist nur spärlich besetzt. Zwei Drittel der Abgeordneten sind Frischlinge. Und von den alten verfügen nur wenige über Erfahrung in Spitzenämtern oder gar Regierung. Die Partei steht nun vor der Herausforderung, eine zweite Garde auszubilden.

Freitag, 11. September 2009

Die Newsliste: Freitag, 11.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:

Japans Hundertjährige würden bereits eine Kleinstadt füllen. Nach der jüngsten Bevölkerungsstatitistik ist die Zahl der Super-Alten auf über 40000 gestiegen. Der Trend dürfte sich noch eine Weile fortsetzen. Denn die jetzt 80-jährigen erfreuen sich oft noch unverschämt guter Gesundheit. Bei den jüngeren Seniorensemestern bin ich mir nicht mehr sicher. Denn die haben in ihrem Leben zu viel an Weißbrot, Fett und Zuckerkram verzehrt und sich weniger bewegt als ihre Eltern. Dies Problem ist besonders auf der Insel Okinawa bekannt, die den höchsten Anteil von Hundertjährigen an der Bevölkerung aufweist. Bei einer Recherche für einen Artikel über das Shangri-La für das leider jung verblichene Schweizer Magazin Facts sagte mir der Bürgermeister von des Dorfes Ogimi (berühmt für seinen Spitzenplatz in der Langlebigkeitsrangliste), dass die Alten ihm keine Sorgen bereiten, wohl aber deren Kinder.

Und hier nun die News:

JAPAN
Weltraum: Tütensuppen aus Nippon - Japan beliefert erstmals die Weltraumstation
Japans Weltraumbehörde Jaxa feierte heute eine doppelte Premiere: Ihr neuer Lastesel, die H-IIB-Rakete, beförderte heute auf ihrem Jungfernflug erstmals ein Transportschiff ins All, das die internationale Weltraumstation mit 4,5 Tonnen Fracht versorgen soll.
Mit der Mission tritt die Weltraumnation endgültig aus dem Schatten der Amerikaner, Russen und Europäer hervor. Denn Japans neue Rakete und das Transportvehikel werden eine zentrale Rolle in der Versorgung des menschlichen Außenpostens im All spielen, wenn die amerikanischen Space Shuttles demnächst eingemottet werden. Das japanische zehn Meter lange und 4,40 Meter breite Transportmodul kann dank seiner 1,20 Meter breiten Ladeklappe Güter fassen, die die Raketen anderer Nationen nicht einladen können.
* Was lange währt, wird endlich gut. Bis vor wenigen Jahren fielen Japans Raketen vor allem durch Fehlstarts auf. Dass es der Hightech-Nation nicht gelang, verlässliche Raketen zu bauen, drückte den Verantwortlichen mächtig aufs Selbstbewusstsein. Massives Stühlrücken war die Folge, mit Erfolg.

Konjunktur: Japan wächst langsamer als bisher gedacht
Heute wurde das Wirtschaftswachstum im zweiten Jahresviertel um ein Drittel auf 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesenkt. Durch die Bank wurden die Werte aus der ersten Schätzung zusammengestrichen, am stärksten für Lagerhaltung und Unternehmensinvestitionen.
* Es geht wohl weiter aufwärts. Doch dürften sich jetzt auch die letzten Firmen von der Hoffnung verabschiedet haben, dass sie ihre im Boom ausgebauten Fabriken in naher Zukunft wieder auslasten könnten. Toyota macht vor, was der Rest der Japan AG nachahmen wird: Produktionskapazitäten abbauen.


Politik/Konjunktur: Japans Demokraten finden einen Schatz
Japans Liberaldemokraten haben den siegreichen Demokraten einen riesigen Schatz hinterlassen. Von den werbewirksam vor der Wahl beschlossenen Konjunkturpaketen sind etwa 60 Mrd. Euro noch nicht ausgegeben worden, verriet heute ein Führungsmitglied der Demokraten der japanischen Presse.
Die Demokraten hoffen offenbar, die Gelder zur Finanzierung ihrer Wahlversprechen zu nutzen. Bisher gingen sie davon aus, dass sie dazu Gelder gegen wahrscheinlich massive Widerstände aus dem Staatsetat umwidmen müssten.
* Diese Idee hat Vorzüge, die jedem Politiker sofort einleuchten werden: Da es sich um nicht budgetierte Gelder handelt, müssen die Demokraten niemandem etwas wegnehmen. Das ist politisch einfach durchzusetzen. Allerdings hat eine Umwidmung Folgen. Es wird damit weniger Geld für Bauprojekte geben, aber wahrscheinlich mehr für die klammen Konsumenten. Nutzniesser könnte die private Nachfrage sein.


KOREA
Tauwetter: Lohnverzicht für den Dialog
Nordkorea zieht seine Forderung nach Lohnerhöhungen für nordkoreanische Arbeiter in der Wirtschaftssonderzone Kaesong zurück. Nordkorea hatte zuvor eine Vervierfachung der Gehälter und höhere Mieten für Fabrikgelände verlangt.
* Der Zickzack-Kurs des Nordens geht weiter. Die Drohung war offenbar nur ein Druckmittel, um durch die mögliche Pleite der südkoreanischen Investoren im Industriepark Südkoreas Regierung zur Aufgabe ihres harten Kurses gegenüber dem Norden zu bewegen.

Dienstag, 8. September 2009

Aus der FTD: Japans Führung will Kungelei beenden

Japans designierter Ministerpräsident Yukio Hatoyama hat die Schlüsselposten in Kabinett und Partei mit alten Weggefährten besetzt. Der bisherige stellvertretende Parteichef Naoto Kan wird Vizepremier und Staatsminister für das Büro für nationale Strategie, das für die Durchsetzung der politischen Agenda der Demokratischen Partei Japans (DPJ) zuständig sein wird. Sein zweiter Stellvertreter Ichiro Ozawa soll künftig als DPJ-Generalsekretär die Fraktion auf Kurs halten und die Oberhauswahlen im Sommer 2010 vorbereiten.

Damit setzt das mächtige Führungstrio der Demokraten seine eingespielte Kooperation auch in der Regierung fort. Hatoyama und Kan haben 1996 die Demokraten gegründet und mitgeführt. Ozawa ist zwar erst 2003 zur Partei gestoßen, hat sich aber als Architekt der Wahlsiege in den Oberhauswahlen 2007 und den Unterhauswahlen am 30. August eine Führungsrolle gesichert. Die Umsetzung des ehrgeizigen Reformprogramms der Demokraten wird davon abhängen, ob Hatoyama den Zweckbund zusammenhalten kann.

Die Herausforderung ist enorm, schließlich hat sich die DPJ eine Umwälzung des politischen Systems vorgenommen. Anstelle der mächtigen Zentralministerien sollen in Zukunft die Volksvertreter die Leitlinien der Regierungspolitik und vor allem des Staatsbudgets setzen. Dazu wollen die Demokraten die bisherige komplizierte Kungelei zwischen Bürokratie und den als Lobbyisten handelnden Parteibonzen der abgewählten Liberaldemokratischen Partei (LDP) durch eine klare Top-down-Struktur ersetzen. Die wichtigsten Entscheidungen sollen im Kabinett getroffen, von der Fraktion abgesegnet und von den Beamten umgesetzt werden. Als Vorbild gilt vielen Beobachtern die britische Demokratie mit ihrer „gewählten Diktatur“.

Das Scharnier zwischen Kabinett und Beamtenschaft ist das Amt für nationale Strategie. Es ist für die Haushaltsrahmenplanung, die Kontrolle der Ministerien und die Koordination der 100 Parlamentarier zuständig, die die DPJ in die Ministerien senden will. Als Chef des Amtes ist Kan eine natürliche Wahl. Der 62-jährige, aus der linken Bürgerbewegung stammende Politiker hat Regierungserfahrung. 1996 erwarb er sich Respekt als Gesundheitsminister durch seine Aufklärung eines Skandals um HIV-verseuchte Blutkonserven. Seine Konfliktbereitschaft gilt als vorteilhaft.

Noch entscheidender für die Zukunft könnte aber Ozawa als Generalsekretär werden. Der 67-jährige Vollblutpolitiker gilt als Sollbruchstelle der DPJ. Durch seine wechselreiche Karriere, die ihn von der LDP über diverse kleine Parteien in die DPJ führte, hat er sich den Ruf eines Koalitions- und Parteienzerstörers erworben. Es wäre der „Todeskuss“ für die DPJ, wenn er seine große Macht wie in der Vergangenheit nutzen würde, um der heimliche Herrscher zu sein, warnt der Japan-Experte Gerald Curtis, Politikprofessor der Columbia-Universität.

Unterstellt er sich allerdings mannschaftsdienlich dem Kabinett, könnte er als Einpeitscher die von 113 auf 308 Sitze angeschwollene, von Sozialisten bis zu bürgerlich-konservativen aufgespannte Unterhausfraktion auf Kurs halten, meint der politische Kommentator Tobias Harris. Fraktionsdisziplin wäre indes ein Novum für eine japanische Regierungspartei. Öffentliche Querschüsse einzelner Politiker waren bislang ein Markenzeichen der LDP. So laufen in Japan auch schon die Wetten über Ozawas Handeln und die Überlebenschancen der DPJ.

Montag, 31. August 2009

Japans Chance auf den Wandel

Japans Wähler haben deutlich gesprochen. Mit überwältigender Mehrheit haben sie der seit zehn Jahren mit den Hufen scharrenden Demokraten endlich den Auftrag zum Wandel erteilt. Das politische System der Nachkriegsgeschichte mit einer regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) und einer schwachen Opposition als Sparringspartner ist vor bei.

Die Höhe des Ergebnisses drückt dabei den riesigen Reformstau aus, den die Demokratische Partei Japans (DPJ) nun auflösen muss. Es ist nichts weniger als eine Generalüberholung. Denn das politische wie wirtschaftliche Geschäftsmodell der Japan AG mit seiner starken Rolle der Zentralministerien und der großen Abhängigkeit von der Exportindustrie begann bereits mit dem Platzen der Aktien- und Immobilienblase 1990 zu versagen.
Der Reformbedarf ist dabei kurioserweise grundsätzlich auch weiten Teilen der konservativen LDP klar. Dies zeigt schon die Tatsache, dass DPJ-Chef Yukio Hatoyama, sein Stellvertreter Ichiro Ozawa und der Generalsekretär Katsuya Okada bis 1993 der LDP angehörten. Außerdem war es die seit 1955 fast ununterbrochen herrschende LDP, die den Bankensektor liberalisierte, unter dem legendären Reformpremier Junichiro Koizumi die Dezentralisierung der hochzentralisierten Staatswesens zum Jahrhundertvorhaben erhob und die Privatisierung der Post begann.
Doch zeigte sich schon zu Koizumis Amtszeit, dass die LDP zu sehr mit Konzernen und der Zentralbürokratie verfilzt ist, um wirklich harte Schnitte durchsetzen zu können. Dies kann Japan sich nur von einer neuen Kraft erhoffen. Das starke Volksmandat gibt der DPJ immerhin eine gute Ausgangsposition für ihren schwierigen Kampf.
Ihre erste Mission ist, die Entscheidung über die Regierungspolitik den Bürokraten zu entringen und in die Hände gewählter Volksvertreter zu legen. Dann muss sie mit leeren Kassen mitten in der Wirtschaftskrise die seit Jahren stagnierende Binnenmarkt wiederbeleben.
An diesen Aufgaben mag die DPJ sehr wohl scheitern. Gewiss jedoch ist, dass Japan nach dieser Wahl nicht mehr zum alten System zurückkehren wird. Wie das neue Japan aussehen wird, weiß niemand. Aber wenn die Geschichte von Revolutionen eines lehrt, dann dies: Es wird kein gradliniger Prozess werden. Japan steht vor spannenden Jahren.

Freitag, 21. August 2009

Ausgetwittert


Ausgerechnet in Japan, der modernsten Internetnation der Welt, ist Online-Wahlkampf so gut wie verboten.

In Japan hätte Barack Obama wohl nie eine Wahl gewonnen. Durch einen gut organisierten Internetwahlkampf hat er in den USA Millionen Menschen als Wähler und Millionen Dollar als Spenden mobilisiert. Die Kandidaten für die japanischen Unterhauswahlen am 30. August hingegen dürfen seit dem offiziellen Wahlkampfbeginn am Dienstag weder twittern, noch bloggen oder gar ihre Internetseiten auf den neuesten Stand bringen. Stattdessen fahren sie wie vor 30 Jahren mit Lautsprecherwagen durch ihre Stadtteile, schütteln Hände, verteilen Flugblätter, kleben Plakate und halten auf Bierkisten stehend Reden vor ein paar Dutzend Passanten.

Schuld daran sind archaische Regeln im 59 Jahre alten Wahlgesetz. Die verbieten, nach Wahlkampfbeginn Materialien zu verändern, die den Namen von Kandidaten tragen, sprich auch Blogs und Internetseiten. Auch die Verteilung von gedruckten Material ist streng reglementiert. So darf jeder Volksvertreter in seinem Wahlkreis 70000 Flugblätter verteilen, die alle einen speziellen Stempel tragen müssen.

„Die Regeln sorgen dafür, dass die Hürde für kleine Parteien und unabhängige Kandidaten sehr hoch gelegt und die regierende Liberaldemokratische Partei bevorteilt wird“, schimpft der Japan-Experte Tobias Harris, der in den Oberhauswahlen im Jahr 2007 für den damaligen Spitzenpolitiker der oppositionellen Demokraten Keiichiro Asao den Wahlkampf mitorganisiert hat. Reiche Kandidaten oder Kandidaten großer Parteien können ein größeres Team beschäftigen und damit mehr Menschen erreichen. Mehrere zig tausend bis hunderttausend Euro kann eine Wahlkreiskampagne verschlingen.

Der Oberhausabgeordnete Asao kann ein Lied davon singen. Heute bewirbt er sich gegen den Willen seiner Partei um einen Sitz im einflussreicheren Unterhaus und wurde dafür aus der Partei geworfen. Anders als bei der letzten Wahl muss er als Mitglied der Splitterpartei „Minna no to“ (Partei für alle) die Wahlkampfkosten selber berappen.

In seiner Not hat er das Internet entdeckt. Bis Montag konnte er mit wenig Aufwand mehr Menschen in seinem Wahlkreis in der Präfektur Kanagawa erreichen als mit den teuren Postern und Flugblättern. Jeden Auftritt übertrug der 45-jährige Politiker per Video live im Internet und tippte auf seinem iPhone zig kurze Twitter-Nachrichten pro Tag. „Ich habe vor zwei Wochen mit dem Twittern angefangen und schon 2000 Menschen, die meine Nachrichten verfolgen“, sagt er. Doch nun hat er ausgetwittert.

Auch die großen Parteien stöhnen inzwischen über das Gesetz. Sie können zwar ihre Internetseiten updaten. „Aber wir müssen sehr aufpassen, die Regeln nicht zu verletzen“, sagt ein Mitglied des Wahlkampfteams der Demokraten. Die Demokraten setzen sich bereits seit Jahren vehement dafür ein, Internetwahlkampf zuzulassen.

Wahrscheinlich können sie ihre Forderung bald umsetzen. Laut Meinungsumfragen könnten sie den seit 1955 fast ununterbrochen regierenden Liberaldemokraten eine historische Niederlage zufügen. Dann hätte bei der nächsten Wahl auch ein japanischer Obama die Chance, die Wähler zu begeistern.

Montag, 17. August 2009

In der FTD: Japans Opposition bündelt ihre Kräfte

Kurz vor den Unterhauswahlen sieht Japans regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) bereits so gut wie erledigt aus. In Meinungsumfragen hinkt sie der größten Oppositionspartei, den Demokraten, mit großem Abstand hinter her. Doch die Opposition will nichts dem Zufall überlassen, wie ich am Montag in der Financial Times Deutschland beschrieben habe.

"Japans Opposition bündelt ihre Kräfte
Drei Parteien planen gemeinsame Koalition · Erstmals seit 1955 ernst zu nehmender Gegner für Regierungspartei

Vor der Parlamentswahl in Japan haben sich drei Oppositionsparteien zu einer gemeinsamen Wahlkampfplattform zusammengeschlossen. Sie soll als Basis für eine spätere Koalition zwischen der großen Demokratischen Partei Japans (DPJ) sowie zwei Splitterparteien, den linken Sozialdemokraten und der rechten Neuen Volkspartei, dienen.

Mit der ungewöhnlichen Blockbildung erhöht die Opposition ihre Chance, die seit 1955 fast ununterbrochen regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) in den Unterhauswahlen am 30. August abzulösen. Zwar führen die Demokraten in Meinungsumfragen mit großem Abstand vor der LDP. Durch einen Stimmenpakt mit ihrem Koalitionspartner, der Neuen Gerechtigkeitspartei, hält die LDP das Ergebnis in vielen Wahlkreisen aber noch offen.

Japan steht damit vor einer historischen Abstimmung. „Erstmals haben die Wähler eine Wahl“, brachte der Gouverneur der Präfektur Miyazaki, der ehemalige Komiker Hideo Higashikokubaru, die Stimmung auf den Punkt. Denn Japans bisheriges System aus einer großen Regierungspartei und einer chancenlosen, zersplitterten Opposition entwickelt sich in Richtung eines Zweiparteiensystems. Auf der einen Seite steht dabei die Mitte-rechts-Partei LDP, auf der anderen die Links-Mitte-Partei DPJ. Die könnte Beobachtern zufolge eine absolute Mehrheit im Unterhaus erlangen, braucht aber Partner, um auch im Oberhaus eine Mehrheit zu haben.

Die Möglichkeit eines dauerhaften Regierungswechsels ist für Japan ein Novum. Bis vor wenigen Jahren hatte die LDP keinen ebenbürtigen Gegner. Politik und Bürokratie sind daher stark verfilzt. Die Partei geriet zwar bereits 1993 einmal nach einer verlorenen Wahl in die Opposition. Aber die Koalition der Sieger zerbrach schnell, und die LDP kehrte an die Macht zurück.

Die 1996 gegründete DPJ hat sich als robuster als alle bisherigen Oppositionsparteien erwiesen. Selbst die Niederlagen in den Unterhauswahlen 2003 und 2005 konnten den aus Sozialisten und Ex-LDPlern zusammengewürfelten Haufen nicht spalten. „Die DPJ hat damit eine Schwelle überschritten, und viele Wähler halten sie jetzt für wählbar“, sagte der Analyst und Japan-Experte Tobias Harris.

Mit Spannung verfolgen die Japaner den Zweikampf zwischen DPJ-Chef Yukio Hatoyama und Regierungschef Taro Aso. Hatoyama ist in der Offensive. Er beschwört ein „revolutionäres Rennen“. Er verspricht unter anderem, seine DPJ werde durchsetzen, dass wichtige Entscheidungen von gewählten Volksvertretern getroffen werden und nicht mehr von mächtigen Beamten in den Ministerien selbst.

„Die LDP ist nur noch ein Anhängsel der Bürokraten“, sagt Stephen Church, Volkswirt von Japaninvest. „Wenn die DPJ ihre Politik erfolgreich umsetzen kann, wäre das ein radikaler Wandel.“

Darüber hinaus lockt die DPJ die Wähler mit Wahlgeschenken: Das Kindergeld soll erhöht, die Autobahngebühren abgeschafft und die Umsatzsteuer in den kommenden vier Jahren nicht angehoben werden. Diesen Punkten haben sich die Sozialdemokraten und die Neue Volkspartei gern angeschlossen.

Viele politische Schwergewichte in Japan setzen offen auf die DPJ als Sieger. Die kürzlich vom abtrünnigen LDP-Spitzenpolitiker Yoshimi Watanabe gegründete „Minna no to“ („Die Partei für alle“) hat sich vorige Woche auf die DPJ als Koalitionspartner festgelegt. Die in der Präfektur Niigata beliebte ehemalige LDP-Politikerin Makiko Tanaka ist am Wochenende sogar der DPJ beigetreten.

Um sich aus der Defensive zu befreien, greift die LDP den Herausforderer für japanische Verhältnisse ungewöhnlich aggressiv mit einer Angstkampagne an. Einige Politiker verstiegen sich zu der Warnung, die DPJ werde das Land in den Ruin treiben. LDP-Generalsekretär Hiroyuki Hosoda entschuldigte sich fast dafür: „Wir wollen keine negative Kampagne führen, aber wir müssen doch die Probleme im rosigen Bild der DPJ aufzeigen.“

Bisher hat es der LDP nicht geholfen. Die DPJ hält in allen Umfragen ihren hohen Vorsprung.

Doch japanische Kommentatoren wie Atsuo Ito, der seit 1973 mehreren Parteien als Topberater diente, warnen davor, schon jetzt von einem sicheren Wahlsieg der DPJ auszugehen. Japans Wähler seien sehr emotional und beeinflussbar. „Der Wind kann ganz schnell umschlagen“, sagt Ito."