Mittwoch, 30. September 2009

Die WM der Radkuriere

Vorige Woche fand in Tokio die WM der Fahrradkuriere statt. Rund 500 Kuriere aus aller Welt trafen sich zum alljährlichen Mega-Happening ihrer Zunft, um ihre Kräfte zu messen und Freunde zu treffen. 



Alles begann mit einen Vortreffen in Kioto, von wo aus 70 Kuriere zu einer Fahrradtour nach Tokio aufbrachen. Die 600 Kilometer legten viele Kuriere auf Bahnrennrädern zurück, die einen Starrlauf haben. Fixies wird diese Modeerscheinung genannt. Das heißt, die Radler konnten weder am Berg schalten, noch ihre Beine im Leerlauf ausruhen, da die Pedale immer mitdrehen.

Auf der künstlichen Insel Daiba in Tokio wartete dann eine Vielzahl von Events. Hier auf dem Foto ist im Vordergrund Veit Rückert aus Stuttgart beim Fahrradwettstehen zu sehen. Nach den ersten drei Minuten muss man es einhändig, dann freihändig, dann einfüßig und dann freifüßig in der Balance halten. Nach seinem lockeren Sieg im ersten Halbfinale am Dienstag abend zeigte der amerikanische Seriensieger Mike Cobb auf Veit, der im zweiten Halbfinale freihändig auf dem Fahrrad zu meditieren scheint. „Der da wie ein Zen-Mönch auf dem Fahrrad sitzt, auf den musst du achten.“ Und er behielt recht. Im Finale musste sich Veit nur knapp dem Amerikaner geschlagen geben.

Verrückte Fahrradideen dürfen natürlich auch nicht fehlen. Hier ein selbstdesingtes Hochrad eines japanischen Designers. Er nahm damit natürlich nicht an den Rennen teil. "Es sieht gut aus, ist aber sehr langsam", sagte er.
Der Höhepunkt war das Hauptrennen am Mittwoch. Dessen Regeln waren so hart wie der Alltag eines Kuriers. Anders als in bisherigen WMs erhielten die Kuriere nicht mehr einen Liste mit Zielen, die sie abklappern mussten. Stattdessen sammten sie in dem auf maximal zweieinhalb Stunden befristeten Rennen dreimal einen Packen Aufträge ein, die selbst nach Priorität und Strecke ordnen und dann ausliefern mussten. 

Gewinner war, wer das meiste Geld in der kürzesten Zeit einfuhr. Wer das Zeitlimit verfehlte, wurde disqualifiziert. „Das ist sehr nahe am Berufsalltag und für ein Rennen sehr anspruchsvoll, aber auch sehr attraktiv“, sagte der Kurier-Veteran David Beerli aus Basel, der eine Radkurier-EM mitorganisiert hatte. Doch hier in Tokio ist er darüber nicht vergrätzt. „Ich habe wieder viele unterschiedliche Typen getroffen, die eines eint, die Liebe zum Fahrrad.“
Seine Beschreibung erklärt für mich die Begeisterung, die in der Zunft herrscht. Fahrradkurier zu sein ist weniger ein Job, als eine Besessenheit. Der Job hat offensichtlich Suchtpotenzial. Freude am Fahren einmal anders als durch den Tritt auf Gaspedal definiert: 

Der Adrenalinausstoß im Temporausch verbindet sich mit dem Gefühl, körperlich etwas geleistet zu haben. Viele haben den Job als Notlösung begonnen und können sich trotz knallharter Arbeitsbedingungen nicht mehr von ihm lossagen.
Wie bei den meisten Sportarten ist allerdings mit Ende 30 Schluss, denn Kuriere - besonders die in der Mega-City Tokio, reißen manchmal bis zu 100 Kilometer pro Tag ab. Viele wechseln später ins Büro, andere treten kürzer, um länger Kurier bleiben zu können wie Joe Lukow aus Toronto/Kanada, kleines Bäuchlein, graue Haare, 52 Jahre alt. Er tritt bereits 27 Jahre in die Pedale, derzeit allerdings nur drei Tage die Woche im innerstädtischen Nahverkehr. Man ist halt nicht mehr der jüngste. Den Rest der Woche buttert er seinen Lebensunterhalt als professioneller Zocker mit Pferdewetten und Poker auf. Ende des Jahres will er sein Rad ganz an den Nagel hängen und sich nur noch durch Glücksspiel ernähren.
Die Krise und der Siegeszug des Internets trifft allerdings auch die Radkuriere in den meisten Ländern hart. Tokios Kuriere haben nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 deftige Auftragsrückgänge verzeichnet, berichtet Masayuki Watanabe, der seinen Job als Werbefotograf fürs Kurierdasein aufgegeben hat. Laura Downey aus Kalifornien hat sogar eine Woche vor ihrem Abflug nach Tokio ihren Job verloren. Ihr Geschäft leidet zusätzlich darunter, dass in den USA immer mehr Anwälte beglaubigen auch elektronisch über das Internet abwickeln können. Und Anwälte, Designstudios machen in den USA rund 80 Prozent des Umsatzes aus. Doch sie lässt den Kopf nicht hängen. Die Liebhaberin von japanischen Manga-Komiks hat kurzerhand ihren Aufenthalt in Japan bis Jahresende verlängert, um auf einem Öko-Bauernhof auf der nördlichen Insel Hokkaido natürlichen Anbau zu erlernen. „Ich will etwas nützliches mit nach Hause nehmen.“
Zwei Artikel über die WM finden sich Online hier im österreichischen Standard und hier in der Ulmer Südwestpresse, ein weiterer wurde in der FTD veröffentlicht.

Die WM der Radkuriere:

Die Newsliste: Mittwoch, 30.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:


JAPAN
Neuer Bankenminister drängt Banken zum Schuldenmoratorium für Kleinunternehmen
Japans Minister für das Finanzwesen Kamei (Kurzportrait hier) macht ernst mit seiner Ankündigung, die Banken zu einem Schuldenmoratorium für Not leidende Kleinunternehmen zwingen zu wollen. Er hat seine Behörde angewiesen, ein "realistisches" Gesetz auszuarbeiten. Nun will er mit der Bearbeitung der Bankenvorstände beginnen.
* Kamei kommt zwar nur von einer rechten Splitterpartei (der Neuen Volkspartei), aber als ehemaliges Schwergewicht der einst regierenden Liberaldemokraten und ehemaliger Terroristenjäger mit besten Verbindungen in die Polizei ist er ein verdammt ernst zu nehmender Politiker. Und er wird von starken Überzeugungen getrieben, für die er selbst seine politische Karriere aufs Spiel setzt. Er ist was ich als einen buddhistisch-pazifistischen, demokratischen National-Sozialisten bezeichnet habe: Seine nationalistische Gesinnung vereint sich mit dem Eintreten für Kleinunternehmer und Arbeiter, für die Politiker seines Erachtens Politik machen sollen. Sein Vorbild ist interessanterweise der kubanische Revolutionär Che Guevara.


Unternehmen
Toyota ruft in den USA 3,8 Millionen Autos wegen gefährlicher Fußmatten zurück
Die Fußmatten konnten offenbar irgendwie das Gaspedal einklemmen. Ein Fahrer, der gerade dabei war, mit 190 Sachen in den Tod zu rasen, rief in seiner Verzweiflung die Polizei an, dass er den Wagen nicht stoppen konnte, weil sich das Gaspedal verklemmt hatte.
* Ein Schlag für Toyota, die in den USA gerade mit einer großen Marketingkampagne Marktanteile erobern wollen.

Dienstag, 29. September 2009

Die Newsliste: Dienstag, 29.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:



JAPAN
Politik: Neue Regierung stoppt Amakudari
In einer ihrer ersten Amtshandlungen macht Japans neue Regierung mit der viel kritisierten Praxis des Amakudari - vom Himmel herabsteigen - Schluss. Unter Amakudari verstehen die Japaner die Sitte in Ministerien, dass Spitzenbeamte mit 55 Jahren aus dem Ministerium (dem Himmel) aussteigen und gut bezahlte Posten in öffentlichen oder privaten Unternehmen annehmen.
Die Regierung ordnete an, dass die Ministerien versuchen sollen, ihre Top-Beamten wenigstens bis zum 60. Lebensjahr zu halten. Gleichzeitig sollen Posten in öffentlichen Unternehmen zur Tabuzone für frühverrentete Topbürokraten werden.
* Das Amakudari-Verbot ist eines der zentralen Projekte der DPJ. Durch ein Verbot soll die Macht der Ministerien und Verschwendung staatlicher Gelder beschnitten werden. Nicht nur reichte die Macht der Ministerien durch die persönlichen Seilschaften weit in viele Firmen hinein. Zugleich gab die Versendepraxis den Behörden einen hohen Anreiz, möglichst viele Unternehmen und Organisationen als Arbeitsstellen für Top-Bürokraten zu gründen.
Aus dem Schattenreich dieser von Beamten kontrollierten Firmen und Organisationen will die DPJ-Regierung nun Gelder für ihre Wahlgeschenke gewinnen.
Das Amakudari-Verbot ist daher auch wichtig für die Haushaltsverhandlungen, die das Kabinett ebenfalls heute eröffnet hat - unter Führung des Premiers.


Konjunktur: Rekordfall der Verbraucherpreise
Die Krise schleudert Japan in die Deflation zurück. Die Verbraucherpreise sanken im August in dem Rekordtempo von 2,4 Prozent unter das Vorjahresniveau. Dies könnte den Aufschwung bremsen. 
* Das Problem ist, dass sich der wirtschaftlich auszehrende Trend zu fallenden Preisen extrem schwer abschaffen lässt, nachdem er sich erstmal in der Wirtschaft festgesetzt hat. Japan brauchte das letzte mal sechs Jahre an ultralockerer Geldpolitik, Wirtschaftsboom, schwachem Yen und boomender Weltwirtschaft, bis die Preise wieder stiegen.

Donnerstag, 24. September 2009

Die Newsliste: Donnerstag, 24.9.2009


Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:

Technik: Honda stellt Roboter-Einrad vor
Der Autobauer Honda hat heute ein nett designtes Einrad vorgestellt, das dank eingebauter Robotertechnik selbsttätig einen bis zu 100 Kilogramm schweren Menschen, der auf ihm sitzt, ausbalancieren kann. Der zweite Clou neben dem Balanceakt ist das omni-direktionale Rad, das in alle Richtungen, also sowohl nach vorn, hinten, zur Seite oder diagonal, rollen kann. Gesteuert wird das Gerät durch einfache Gewichtsverlagerung - und für rasante Kurvenfahrten zusätzlich mit einer sensiblen Fußspitze.
Dies ist ein Forschungsprojekt aus Hondas Serie "persönliche Mobilität". Die Höchstgeschwindigkeit des Einrades ist auf 6 km/h beschränkt. An eine Vermarktung ist nicht gedacht, obwohl das Gerät ziemlich marktfertig aussieht und sich auch auf Anhieb einfach steuern lässt. Witzig: Wenn man aufsteht, bleibt das Gerät selbst stehen. Aufgerüstet mit einem Näherungssensor könnte ich mir schon vorstellen, dass es sein Herrchen oder Frauchen wie ein Hund begleitet.
Ehrlich gesagt war ich allerdings froh, mich nach der Probefahrt auf meine persönliche Mobilitätseinheit schwingen und an den Schreibtisch zurückradeln zu können.


Banken: Japans Banken verschärfen Regeln gegen Yakuza
Japans Banken wollen ihre Anti-Yakuza-Regeln verschärfen. Nach einem Bericht der Nikkei plant die Bankenvereinigung neue Kontorichtlinien, die das Einfrieren von Konten von mit Yakuza in Verbindung stehenden Unternehmen oder Individuen erleichtern sollen. Die Banken wollen künftig alle Kontoinhaber versichern lassen, nicht im Auftrag organisierter Kriminalität das Konto zu führen. Einige Regionalbanken haben entsprechende Regeln bereits umgesetzt.
* Angesichts der immer schärferen Diskriminierung durch den Staat, die Ordnungshüter, Bewohner, die Börsen und jetzt auch noch die Geldhäuser müssen die Yakuza in Japan ja langsam glauben, dass sie etwas kriminelles tun. Bis vor wenigen Jahren war die Arbeit als ehrenwerter Gangster ja fast noch eine sozial legitime Berufswahl. 
Allerdings haben die bisherigen Verschärfungen vor allem dafür gesorgt, dass Japans Gangster moderner geworden sind. Außerdem blüht das Geschäft durch die Krise. Ein Gewährsmann aus einer entlegenen Präfektur erzählte mir, dass mit der Krise plötzlich auch die Yakuza aufgetaucht sei. Die lokalen Wucherer engagieren sie offenbar gerne zum Schuldeneintreiben. Außerdem soll wohl das Anwerben von Prostituierten in den sozial schwachen Regionen des Landes wieder zunehmen (das habe ich allerdings noch nicht aus einer zweiten Quelle bestätigt).


Unternehmen: Nintendo senkt Preise für die Wii
Nintendo will den Preis für seine Spielekonsole Wii um 50 auf 199 Dollar senken. Damit reagiert der Branchenführer auf Preissenkungen der Rivalen Sony (PS3) und Microsoft (XBox 360).
Nintendo will damit die zuletzt absackenden Verkäufe seines Zugpferdes beleben.
Sony behauptet, dies bei der PS3 geschafft zu haben. In den ersten drei Wochen nach der Preissenkung habe Sony 3 Mio. Konsolen verkauft, teilte das Unternehmen heute mit. Damit ist das Jahresziel von 13 Mio. Stück weiterhin erreichbar.
* So langsam müssen die Hersteller sich mal was neues einfallen lassen. Gehirnwellensteuerung beispielsweise. Hört sich abgefahren an, funktioniert aber. Dazu demnächst mehr.


Unternehmen: JAL-Aktien stürzt ab
Nach Berichten über ein mögliches Auseinanderbrechen der Fluglinie ist der Aktienpreis zwischenzeitlich um 18 Prozent abgestürzt. Die JAL-Aktie schloss den Handelstag letztlich mit minus 11 Prozent.
Die Anleger reagierten damit auf Gerüchte, dass die Gläubiger der Linie weit schärfere Sanierungsmaßnahmen verlangen als die Airline bisher vorgelegt hat. Selbst ein geordnetes Konkursverfahren mit einer Trennung in "gute" und "schlechte" Unternehmensteile (wie beim US-Autobauer GM vorexzerziert) gilt als möglich.
* Bankrott auf Raten: Das Management fürchtet ein wohl organisiertes Konkursverfahren wie der Teufel das Weihwasser. Das ist verständlich, denn bisher ächten die Japaner eine Pleite mit gesellschaftlichem Tod. Anders als in den USA ist es besonders für Individuen kaum möglich, nach einem Bankrott eine zweite Karriere zu beginnen. Die Pleite des einstigen Aushängeschilds der Japan AG könnte dieses Denken erschüttern.

Techno-Blog: Vorsicht vor dem eAuto, Teil III (in Dur oder Moll)

Auf Technology Review wurde heute mein neuester Eintrag zum eAuto veröffentlicht: Vorsicht vor dem eAuto, Teil III (in Dur oder Moll).
Darin beschreibe ich, wie die japanischen eAuto-Hersteller doch allen ernstes daran gehen, dem lautlosen Sprinter die Flügel zu stutzen, um ihn durch künstlich erzeugten Lärm und Motordrossel vermeintlich sicherer zu machen. Wie fantasie- und mutlos! Dabei gibt schon die  deutsche Straßenverkehrsordnung genügend Denkanstöße, wie sich Probleme wie Lautlosigkeit beim langsamen Fahren oder das tolle Beschleunigungsverhalten lösen lassen. Man vertraue zum Beispiel auch mal auf den Faktor Mensch. Durch rücksichtsvolles Fahren und sanfte Behandlung des Gaspedals erledigen sich die meisten eingebildeten Probleme von selbst. Und wenn das nicht reicht: Wie wär's mit im Dreiklang harmonisch summendem Straßenverkehr? Doch lesen Sie selbst.

Mittwoch, 23. September 2009

Techno-Blog: Vom Klo zum Robotbutler

Technology Review hat heute meinen Roboter-Artikel aus dem September-Heft online gestellt. Darin beschreibe ich, wie in Japan die Roboter über den Umweg über die Robotisierung von Haushaltsgeräten und Pflegeeinrichtungen in den Alltag vordringen. 
Gleichzeitig zeigt der Artikel auf, dass wir für viele Dinge, für die Menschen sich früher Roboter gewünscht haben, keine Roboter benötigen, weil sie mit neuer Technik anders einfacher und billiger zu lösen sind.
Am Donnerstag erscheint mein neuer Blog auf Technology Review. Thema der Polemik diesmal: Wie die deutsche Straßenverkehrsordnung das eAuto rettet (in Dur oder Moll)

Freitag, 18. September 2009

Roboter: "Transformer" im Hospital

Der Elektronikkonzern Panasonic hat heute einen Roboter vorgestellt, der sich von einem Bett in einen Rollstuhl "verwandeln" kann. Verwandeln ist dabei vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Denn eigentlich handelt es sich um ein modulares Bett, in dem ein Rollstuhl steckt, der ausscheren und losfahren kann. Der Robot-Bettrollstuhl soll bettlägerigen Menschen ein eigenständigeres Leben ermöglichen und gleichzeitig der Pflegern die Arbeit erleichtern, erklärt Panasonic. 
Und so funktioniert das Gerät rollende Schlafmobiliar: Die Matraze besteht nicht aus einem Stück, sondern mehreren Blöcken. In der Mitte ist eine Fläche ausgeschnitten, unter der der Rollstuhl steckt. Bei der Metamorphose des Betts in den Rollstuhl stellt sich das Rückteil auf, die Matrazenstücke neben der Sitzfläche klappen zur Seitenlehne hoch, ein Matrazenteil am Fussende klappt nach unten weg und ermöglicht so dem Fussteil und damit dem gesamten Rollstuhlmodul, seitlich aus dem Bettgestell auszuscheren. 
Darüber hinaus soll das Bett auch die Bettlägerigen im Liegen bewegen und so die Gefahr von wundgelegenen Stellen senken. Während der Fahrt unterstützt Robotertechnik den Fahrer. So soll das Gerät beim Umfahren von Hindernissen helfen können. Zusätzlich gibt es in einer Kuppel über dem Bett natürlich einen Fernseher, über den auch Haushaltsgeräte gesteuert werden können. 
Panasonics Roboter unterstreicht den jüngsten Trend der japanischen Roboterindustrie: Roboter werden auf dem Umweg über die Pflege in den Alltag der Menschen eingeführt. Weil Roboter zu Beginn sehr teuer sind, konzentrieren sich die Unternehmen auf Geräte in der Pflege, mit denen die Menschen länger selbstständig bleiben können. Denn staatliche Pflegeeinrichtungen haben einen wirklichen Vorteil von den bisherigen Fähigkeiten der Robotertechnik (Stichwort höhere Effizienz) und verfügen vor allem über mehr Geld als ein privater Haushalt.

Donnerstag, 17. September 2009

Mann mit Mission: Anmerkungen und Köpfe zum Hatoyama-Kabinett

Yukio Hatoyama gab sich ergriffen, als er am Mittwoch abend erstmals als Japans Ministerpräsident vor die Nation trat. Bei seiner Wahl durch das Unter- und Oberhaus habe er verwirklicht, „dass sich in diesem Moment Japans Geschichte geändert hat.“ Der Chef der demokratischen Partei Japans (DPJ) trifft damit den Punkt. In den Unterhauswahlen am 30. August hatten Japans Wähler die seit 54 Jahre fast ununterbrochen regierende liberaldemokratische Partei (LDP) aus dem Amt gefegt. Hatoyamas Wahlergebnis verdeutlicht die historische Dimension des DPJ-Siegs. 327 der 480 Unterhausabgeordneten stimmten für ihn. Im Oberhaus kam er dank der Stimmen seiner kleinen Koalitionspartner, den linken Sozialdemokraten und der rechten Neuen Volkspartei, auf 124 von 240 Stimmen. Die LDP wurde erstmals nur zweitstärkste Partei.

Die Revolution Den Wählern versprach Hatoyama gestern, wie im Wahlkampf versprochen die Nation zu revolutionieren. „Wir müssen Japan in ein Land verändern, in dem die Menschen das Sagen haben“, beschwor er die historische Mission seiner Regierung. Die DPJ will durchsetzen, was sich in Europa wie eine demokratische Selbstverständlichkeit anhört: Volksvertreter sollen die Leitlinien der Politik bestimmen. Hingegen sind in Japans Machtkartell aus Wirtschaftsbossen, Politikern der LDP und Bürokraten, das Japan aus Trümmern zur führenen Hightechnation auf gebaut hat, die Beamten zu den eigentlichen Herrschern aufgestiegen. Die Politiker sanken zu wenig mehr als klüngelnden Lobbyisten herab.

Gewählte Diktatur Um dieses tief verwurzelte System zu brechen, will die DPJ das britische System einer starken Kabinettsregierung kopieren, das oft als „gewählte Diktatur“ bezeichnet wird. Die Politik soll im Kabinett entschieden werden, weswegen die Chefs der Koalitionspartner Ministerposten erhielten. Die Ministerien sollen die Politik ausführen. Zum Brechen der unvermeidlichen Widerstände richtet die DPJ eine Art Zentralministerium ein. Das Amt für nationale Strategie soll den Rahmenplan für den Haushalt festlegen und die Ministerien koordinieren und kontrollieren. Chef und gleichzeitig Vize-Premier wird der als jähzornig bekannte Parteigründer und bisherige Parteivize Naoto Kan. Einpeitscher der zwischen linken und konservativen zerrissenen DPJ-Fraktion wird Ichiro Ozawa. Als zweiter Parteivize, ehemaliger Parteichef und Architekt des Wahlsiegs hat er die meisten Politiker in der Hand. Auch wichtige Schlüsselämter mit internationaler Bedeutung besetzt Hatoyama mit politischen Schwergewichten.  


Finanzminister Hirohisa Fujii: ein alter Fuchs 
Auf der Suche nach einer ruhigen Hand für das Amt des Schatzmeisters hat die DPJ kurz vor der Wahl hat die DPJ das 77-jährige Urgestein der japanischen Politik aus dem Rentendasein zurückgeholt. Er soll die Politik der Regierung im Ministerium umsetzen und gleichzeitig die auf fast 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angeschwollene Verschuldung managen. Der ausscheidende Finanzminister Kaoru Yosano bezeichnete ihn als "den richtigen Mann" für den Job. 
Fujii zeichnen zwei Qualitäten aus, die den meisten DPJ-Politikern fehlen. Erstens stammt er aus dem Finanzministerium und kennt daher alle Tricks, Kniffe und Ausflüchte der Beamten aus dem FF. Zweitens war er bereits ab 1993 für elf Monate einmal Finanzminister der damaligen Anti-LDP-Koalition. Damals lernte er den heutigen US-Finanzminister Timothy Geithner und den Wirtschaftsberater der US-Regierung Lawrence Summers kennen. Fujii ist überdies ein Weggefährte vom starken Mann der DPJ, Ichiro Ozawa, mit dem er 1993 die Liberaldemokraten verlassen hatte. 
Fiskalpolitisch gilt Fujii als konservativ. Beobachter rechnen daher weder mit einem steilen Anstieg der Neuverschuldung noch mit einem abrupten Kurswechsel der Währungspolitik. „Die DPJ-geführte Regierung und der neue Finanzminister werden wahrscheinlich keine Politik des starken Yen einführen“, glaubt Tohru Sasaki, Währungsexperte von JP Morgan in Tokio. Genausowenig wird sie die Weigerung der LDP aufgeben, mit Währungsinterventionen gegen eine graduelle Entwertung des Dollars vorzugehen, so Sasaki.

Außenminister Katsuya Okada: Technokrat mit Rückgrat 
Dem 56-jährigen Politiker kommt die schwierige Aufgabe zu, das Militärbündnis mit den USA zu managen. Auf Drängen ihres sozialdemokratischen Koalitionspartners hat die DPJ eine Nachverhandlung des bilateralen Truppenstationierungsabkommens und der Umorganisation der US-Streitkräfte auf Okinawa als Ziel der Regierung ausgegeben. Beides ist für die USA – und nebenbei bemerkt auch für den konservativen Flügel der DPJ – kaum akzeptabel. 
Mit dem kühl wirkenden Okada hat Hatoyama einen Kandidaten gefunden, dem der Spagat gelingen könnte. Der ehemalige Beamte des heutigen Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie ist sowohl für die Konservativen wie auch für die Linken tragbar. Als ehemaliger Parteipräsident und Generalsekretär verfügt er überdies auch an politischem Einfluss, allzu forsche Vorstöße der Koalition zu bremsen. 
Auch die Beamtenschaft des Außenministeriums dürfte ihn willkommen heißen. Denn als ehemaliger Beamter strebt er nicht wie einige DPJler eine radikale Entmachtung der Bürokratie an, sondern eine neue, respektvolle Form der Zusammenarbeit.  

Minister für das Finanzwesen und Postdienste Shizuka Kamei: der buddhistisch-pazifistische, demokratische National-Sozialist 
Der 72-jährige Führer der Neuen Volkspartei, dem konservativen Koalitionspartner der DPJ, für das Amt des obersten Finanzaufsehers kann getrost als Fleisch gewordener Albtraum für das Finanzkapital und neoliberale Strukturreformer gelten. Denn Kamei ist einer der schärfsten Deregulierungsgegner. Für seinen Widerstand gegen die Postprivatisierung von Reformpremier Junichiro Koizumi nahm er 2005 sogar einen Ausschluss aus der LDP in Kauf.
Er ist dabei einer der wenigen Gesinnungstäter in der Politik. Am besten lässt er sich als buddhistisch-pazifistischer, demokratischer National-Sozialist bezeichnen. Er sieht sich selbst rechts vom für seine ausländerfeindlichen Sprüche berüchtigten, nationalistischen Bürgermeister Tokios, Shintaro Ishihara. Gleichzeitig ist er Fan des kubanischen Revolutionärs Che Guevara. Der Hobbymaler fordert daher Hilfe für Arbeiter, Bauern und den Mittelstand sowie Gewinnverzicht von Großkonzernen zum Wohle der Angestellten. Zudem ist er aus religiösen Gründen einer der raren Gegner gegen die Todesstrafe. Zuletzt ist er mächtig und auch bereit, seine Macht zu nutzen. Als ehemaliger Ordnungshüter und oberster Terroristenjäger des Landes verfügt er über beste Kontakte in der Polizei. Niemand legt sich daher unnötig mit ihm an. 
Nun will er seine Position nutzen, um die Privatisierung der Post zu überprüfen. Einige sehen in ihm eine Gefahr für Japan, andere glauben, dass er nur wenig Bewegungsfreiheit hat.

Starkes Kabinett Hatoyama hat sein Kabinett also mit den starken Köpfen der Partei besetzt. Fast alle Flügel sind vertreten. In vielen Fällen wie Naoto Kan als Strategieminister, Hirohisa Fujii als Finanzminister oder Katsuya Okada als Außenminister scheinen die Ämter auf die Minister gewartet zu haben, so gut passen sie - wenigstens dem Augenschein nach. 
Die große Frage ist, ob die Minister dieses Mal einen Unterschied machen. Zu Zeiten der LDP war der Minister meist nur gerade lange genug im Amt, um den Weg zum Klo ohne Hilfe zu finden. Länger als ein Jahr blieb kaum ein Minister - und nebenbei bemerkt kaum ein Ministerpräsident - im Amt. Die DPJ wird das mit ihrem Drang, Politiker an die Hebel der Macht zu setzen, nun hoffentlich ändern. 
Die Chancen stehen gut, dass die DPJ das schafft. Allzuoftes Auswechseln kann sich die Partei noch nicht erlauben. Denn die Ersatzbank ist nur spärlich besetzt. Zwei Drittel der Abgeordneten sind Frischlinge. Und von den alten verfügen nur wenige über Erfahrung in Spitzenämtern oder gar Regierung. Die Partei steht nun vor der Herausforderung, eine zweite Garde auszubilden.

Mittwoch, 16. September 2009

Die Newsliste: Mittwoch, 16.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:
TECHNIK
3D-TV im Wartestand: Sharp stellt neue LCD-Technik vor
Der japanische Elektronikhersteller Sharp hat heute sein 3D-taugliches LCD-Panel der nächsten Generation vorgestellt. Die UV²A (Ultraviolet induced multi-domain Vertical Alignment) genannte Technik soll schwarz noch schwärzer darstellen, die Reaktionsgeschwindigkeit der Pixel auf unter vier Millisekunden drücken und die Produktionskosten senken. Ich werde auf die Hintergründe und größere Bedeutung dieser neuen Technik am Donnerstag in meinem Technology Review-Blog eingehen. Vorab verraten sei, dass Sharp die Ausrichtung der Flüssigkritalle inzwischen im Picometerbereich kontrollieren und damit das Licht der Hintergrundbeleuchtung von LCDs besser blocken kann. Das Schwarz wirkt daher schwärzer.

Politik
Hatoyama wird neuer Ministerpräsident - Kamei bereitet Strukturreformern Sorgen
Nach seiner Wahl will er sein neues Kabinett präsentieren. Die Überraschung ist die Berufung von Shizuka Kamei vom kleinen Koalitionspartner, der Neuen Volkspartei, zum Minister für das Finanzwesen. Kamei ist der Fleisch gewordene Albtraum neoliberaler Reformer. Er war einer der schärfsten Gegner der Postprivatisierung von Ministerpräsident Junichiro Koizumi. Für seine Überzeugung nahm er sogar den Auschluss aus der liberaldemokratischen Partei in Kauf. Außerdem gilt er als scharfer Kritiker von Kasino- und Großkapital. Seines Erachtens haben Unternehmen eine Verantwortung dem "Volkskörper" (würde er als überzeugter Nationalist wohl sagen) gegenüber.
* Kamei ist einer der interessantesten Politiker Japans, weil er nicht einfach zu fassen ist. Er ist einerseits nationalistisch, andererseits ein Fan des kubanischen Revolutionärs Che Guevara. Vor seiner Politikerkarriere war er hochrangiger Polizeioffizier, dennoch ist er als einer der wenigen Japaner aus religiösen Gründen gegen die Todesstrafe. Ich charakterisiere ihn daher als buddhistisch-pazifistischen, demokratischen National-Sozialisten.

Unternehmen
Sanyo verbündet sich mit TomTom bei Car-Navis
Der japanische Elektronikhersteller Sanyo (der bald von Panasonic gekauft werden wird) will durch einen Bund mit dem niederländischen Hersteller von Navigationsgeräten TomTom seine Position im europäischen Markt stärken.
* Japans Car-Navi-Größen versuchen ihre technische Führerschaft immer stärker in Marktanteile außerhalb der eigenen Inseln umzusetzen. In Japan sind Car-Navis schon seit zehn Jahren Standard. Durch die Verbindung mit dem Internet werden sie immer mehr zum untentbehrlichen Interface zwischen Fahrer, Auto und seiner Umwelt.

Unternehmen
Megafusion japanischer Chiphersteller
Die japanischen Chiphersteller NEC Electronics und Renesas Technology wollen sich im April 2010 zum drittgrößten Halbleiterhersteller der Welt zusammenschließen.
* Dieser Schritt ist Teil einer Konsolidierungswelle in der japanischen Chipindustrie. Denn selbst Japans Riesen fühlen sich inzwischen zu klein, um die immer höheren Investitionen für neue Chipfabriken alleine zu stemmen. So haben sich mehrere Konzerne erst kürzlich in einem Konsortium zusammengefunden, um eine Stromspartechnik für die neue Chipgeneration gemeinsam zu entwickeln.

Dienstag, 15. September 2009

Die Newsliste: Dienstag, 15.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:


JAPAN
Wissenschaft: Lasker Preis für Japans Stammzellenforscher Yamanaka
Shinya Yamanaka von der Kyoto Universität wurde für die Entdeckung der induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) mit dem amerikanischen Lasker Preis ausgezeichnet. Yamanaka (hier ein Blogeintrag auf Technology Review vom vorigen Jahr) zeigte sich vom Zeitpunkt der Ehrung überrascht: "Ich hatte die vage Hoffnung, dass dies in 30 bis 40 Jahren passieren würde, aber es sind erst zwei Jahre nach der Veröffentlichung unseres Forschungsberichts vergangen."
iPS-Zellen werden aus normalen Zellen gewonnen und sollen sich genauso wie embryonale Stammzellen in jedwedes Körpergewebe verwandeln können. Durch ihren Einsatz würden Forscher nicht mehr vor dem ethischen Dilemma stehen, Embryonen zu verwenden.
* Der Preis ist Balsam für die japanische Forscherseele. Jahrelang plagte sich das Land mit einem Minderwertigkeitskomplex, weil seine Wissenschaftler nicht so viele Nobel-Preise gewonnen haben wie die anderer Nationen. Doch inzwischen gibt es einige akademische Stars.


Politik
Regierungsbildung schreitet voran
Hatoyama will morgen Ministerpräsident werden. Noch heute will er daher entscheiden, wer ihn auf die Regierungsbank begleiten soll. Naoto Kan als Strategieminister, Katsuya Okada als Außenminister und Hirohisa Fujii als Finanzminister stehen schon länger fest. Die Chefin der Sozialdemokraten Mizuho Fukushima soll das Verbraucherministerium erhalten. Shizuka Kamei von der Neuen Volkspartei gilt als Kandidat für das Amt des Ministers für das Finanzwesen, obwohl er heute morgen noch als Verteidigungsminister gehandelt wurde. 
* Die Demokraten haben offenbar entschieden, dass ihre kleinen Koalitionspartner auch nur mit kleinen Ämtern belohnt werden sollen. Der alte Hase Fujii als Finanzminister dürfte wiederum die Finanzmärkte beruhigen.


Unternehmen: Sanierungsplan von JAL nimmt Gestalt an
Die angeschlagene Fluggesellschaft JAL will der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge bis 2012 das Flugpersonal um 20 Prozent und die Kosten um 30 Prozent unter das Niveau von 2008 senken. Das Unternehmen will durch die Einsparungen aus seiner Existenz bedrohenden Krise fliegen. Wie schlecht es um die Airline steht, zeigen die Bündnisverhandlungen JALs mit den US-Gesellschaften Delta und American. Die Japaner brauchen Geld von Partnern, um das Sanierungsprogramm stemmen zu können. 
* JALs Sanierung ist bislang ein Trauerspiel gewesen. Gefangen zwischen Kostendruck, dem internen Klüngel und Druck der Belegschaft hat das Management bislang zu wenig getan. Erst als die Regierung im Juli sich als Beobachter mit ins Cockpit setzte, startet die Sparfraktion durch.


NORDKOREA: 
Eine Posse: Reden, ohne was zu sagen 
Am Wochenende boten die USA Nordkorea in einer diplomatischen Kehrtwende direkte Gespräche an. Bis dahin wollten die USA nur im Rahmen der Sechs-Nationen-Gespräche mit dem Norden über die Abwicklung des nordkoreanischen Atomprogramms verhandeln. Jetzt heißt es zur Beruhigung der Partner und um das eigene Gesicht zu wahren, dass die direkten Gespräche nicht substanziell sein würden. Richtig verhandelt würde natürlcih weiterhin im multilateralen Kreise. 
* Eine diplomatische Posse: Das erinnert mich an Bill Clintons Spruch, wohl am Joint gezogen, aber nicht inhaliert zu haben. Nun denn, es ist auch wichtig, dass Gesicht zu wahren. Frage ist, ob das Kalkül aufgeht, dass Kim Jong-il nach einer netten Fotogelegenheit wirklich brav an den Verhandlungstisch zurückkehrt. 


SÜDKOREA
Wiedererwachte Wachstumshoffnung
Moody's sagt Südkoreas Wirtschaft für kommendes Jahr ein Wachstum von 3 Prozent voraus. Schon in diesem Jahr dürfte das Minus nur 1 Prozent betragen. Denn neben den Konjunkturprogrammen beflügelt der schwache Won die Exportwirtschaft...
* ... auf Kosten der japanischen Erzrivalen, deren Gewinne durch die Aufwertung des Yen aufgelöst haben.

Montag, 14. September 2009

Aus der FTD: Zwei US-Airlines kämpfen um JAL

Die führenden US-Fluggesellschaften American und Delta haben sich in einen Bieterkampf um die angeschlagene Japan Airlines (JAL) gestürzt. Nachdem Delta der in Kapitalnot geratenen JAL vergangene Woche angeboten hatte, bis zu 50 Mrd. Yen (380 Mio. Euro) für eine Beteiligung an dem Konzern zu investieren, meldete am Wochenende auch American Interesse an.
Mit dem Gegenangebot will die zweitgrößte Fluglinie der Welt verhindern, dass der Allianzpartner JAL aus dem gemeinsamen Luftverkehrsbündnis Oneworld ausschert und in den Skyteam-Verbund des Rivalen Delta wechselt. Das wäre bereits die zweite Niederlage in kurzer Zeit. Denn im vergangenen Jahr hatte Delta den US-Konkurrenten Northwest geschluckt und war damit zur größten Fluggesellschaft der Welt aufgestiegen.
JAL ist mit seinem dichten Flugnetz im Wachstumsmarkt Asien von großem Interesse für die Amerikaner, deren Luftfahrtverbünde mit der von der Lufthansa geführten Star Alliance konkurrieren. In Ostasien hat die Star Alliance mit JALs Rivalen All Nippon Airways (ANA) einen starken Partner. Zur Oneworld-Allianz gehört auch British Airways, während Skyteam von Air France-KLM angeführt wird.
Der Einstieg von Ausländern beim einstigen Kronjuwel Japans wird durch die tief greifende Krise des Konzerns möglich. Denn nach dem offensichtlichen Scheitern des inzwischen ins vierte Jahr gehenden Sanierungsplans hat die Regierung die Geduld mit dem Management verloren und akzeptiert inzwischen auch ausländische Investoren zur Rettung des Traditionsunternehmens.
Nachdem die Fluglinie 2007 kurz in die Gewinnzone zurückgeflogen war, sackte sie 2008 wieder mit 63,2 Mrd. Yen in die Verlustzone. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (bis Ende März 2010) schwollen die Verluste bereits auf 99 Mrd. Yen an. Wegen der erneuten Probleme gewährte die Regierung JAL im Juni durch ein Konsortium unter der Führung der japanischen Entwicklungsbank eine Kreditlinie von 100 Mrd. Yen. Im Gegenzug übernahm das Transportministerium die Kontrolle über die Sanierung.
Für JAL war das eine schwerwiegende Zensur. Denn einige Mitglieder des Beratungsausschusses des Transportministeriums sprachen offen von der Möglichkeit eines Konkursverfahrens, um dann drastische Einsparungen durchsetzen zu können. Kaum verhohlen hatte dies im Juli bereits der Chef der Tokioter Börse, Atsushi Saito, gefordert. „Falls sich JAL wirklich verbessert, kann das Unternehmen ja schnell wieder auferstehen“, sagte der Manager. Er verwies dabei auf US-Fluglinien, die teilweise schon mehrfach am Rande der Pleite standen und nur durch Gläubigerschutzverfahren gerettet werden konnten – so etwa auch Delta.
Das Ministerium hat JAL bis Ende September Zeit gegeben, seinen kurzfristigen Sanierungsplan nachzubessern und eine Strategie für künftiges Wachstum vorzulegen. Zur Finanzierung benötigt der Konzern weitere 250 Mrd. Yen an frischem Kapital, berichtete am Samstag die Wirtschaftszeitung „Nikkei“. Neben einer Kapitalspritze durch einen neuen Großinvestor bemühe sich JAL bei Banken um Kredite in Höhe von 100 Mrd. Yen. Die gleiche Summe solle durch den Verkauf von Wertpapieren und die Ausgabe neuer Aktien eingespielt werden.
Der Ausgang des Bieterkampfes dürfte vom Ringen zwischen dem Ministerium und dem JAL-Management abhängen. Das Ministerium zieht informierten Personen zufolge Delta vor, das nach dem Kauf von Northwest über mehr transpazifische Flüge als American verfügt. Durch den möglichen Abschluss eines „Open Sky“-Abkommens zwischen Japan und den USA könnten JAL und Delta einfacher bei Flügen kooperieren.
JAL hingegen bevorzugt seinen angestammten Partner American, mit dem die Japaner schon seit Jahren ihre Flüge koordinieren. JAL-Chef Haruka Nishimatsu versucht nun mit ausgefallenen Aktionen, seine Position in der Öffentlichkeit besser zu vermarkten. In eine traditionelle Joppe gewandet, verteilte er zum Beispiel am Freitag mit einigen Angestellten in der japanischen Hauptstadt Flugblätter, um Kunden zu werben.

Die Newsliste: Montag, 14.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:

Japan wird das Schwert als Symbol seiner Kultur nicht los. Selbst das Online-Technikmagazin des Verlags Nikkei BP, Tech-On, sieht offenbar einen metaphysischen Link zwischen dem extrem analog metzelnden Samurai-Schwert und modernster Hightech des Digitalzeitalters. Just stellte es den vierten Teil über "das japanische Schwert" (Teil 1 hier) in seiner Rubrik waza no kokoro (die Seele der Technik) online. In der Serie wird das Schwert umfassend von seiner Bedeutung über die einzelnen Produktionsschritte bis zum letzten Schliff begleitet. Damit soll wohl die Liebe zum Detail beschworen werden, die in der Selbst- und Außenwahrnehmung vieler japanische Produkte von denen anderer Nationen abhebt. Das gilt allerdings bisher vorrangig für handfeste Güter. Japanische Softwarehäuser von Weltrang sucht man bisher vergebens. Es besteht noch die kleine Chance, dass sich dies mit dem mobilen Internet ändert. Einige japanische Firmen schreiten in die Welt hinaus. Aber ob sie es zu Riesen schaffen?

Die NEWs des Tages:
JAPAN
Passend zum Schwert eine Heldengeschichte
HELDEN: Baseballstar Ichiro Suzuki schreibt Geschichte in Amerika
Japans Megastar Ichiro Suzuki schreibt Geschichte im Mutterland des Baseballs. Als erster Spieler der Major League hat er neun Saisons in Folge mehr als 200 Hits erzielt. Die Post nimmt ab morgen Bestellungen für eine Ichiro-Sonderbriefmarke entgegen.
* Ichiro wird heute bestimmt die Top-Nachricht in den Abendnachrichten werden. Ichiro ist Kult, selbst für einen Baseballbanausen wie mich. Er ist einfach cool, schnell, brillant und vollbringt mit dem Baseballschläger Wunder, die Samurai mit dem Schwert zugetraut werden.

Unternehmen: Hitachi und Casio besiegeln Handy-Merger
Die Konsolidierung in Japans dicht gedrängtem Handymarkt schreitet voran. Hitachi und Casio haben heute die Zusammenlegung ihrer Handy-Sparten unterschrieben. Weitere Deals werden folgen. Denn der Markt schrumpft nicht nur. Gleichzeitig drängen ausländische Hersteller wie HTC oder LG auf den Markt und werden von den Mobilgesellschaften prominent im Fernsehen beworben.
* Die Konsolidierung mitsamt der Marktöffnung für ausländische Firmen ist ein deutliches Zeichen, dass Japan mit dem Boom von UMTS-Handys seine Führungsrolle bei der Hardware, sprich dem Handy, verliert. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass das Land bei Anwendungen, Inhalten und Diensten für das mobile Internet der Welt noch um Jahre voraus ist. Und immer mehr Firmen haben das verstanden (siehe der in der gestrigen Newsliste erwähnte Kauf von Net mobile durch NTT Docomo) und versuchen, ihr Know-how global in Marktanteile umzumünzen.

Politik: LDP sucht einen Chef
Es ist ein Posten, den keiner will: der Parteivorsitz der (nieder)geschlagenen Liberaldemokratischen Partei. Nach dem Rücktritt von Premier Aso als Parteichef traute sich bislang kein Nachfolger aus der Deckung. Als erster wagt sich nun der ehemalige Finanzminister Sadakazu Tanigaki hervor.
* Der dröge wie ein Buchhalter wirkende Politiker ist mit Sicherheit nicht der Retter der Partei. Muss er auch nicht sein. Die LDP braucht jetzt erstmal einen Pappkameraden, der den Posten des Parteichefs besetzt, während die Partei intern den neuen Weg diskutiert. Ein undankbarer Job. Aber irgendjemand muss es ja machen.

Unternehmen: Toyota bleibt bei NiMH-Akkus für Hybride
Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg hat ein Test mit Lithium-Ionen-Akkus bestückten Prius' ergeben, dass das geringere Gewicht der neuen Hochleistungsakkus nicht durch die höheren Kosten gerechtfertigt werden kann. Also bleibt Toyota für seine Massenhybride bei den bewährten NiMH-Batterien.
* Nun, dass ist nicht ganz neu, aber schön zusammengefasst. Für eAutos und Plug-in-Hybride sieht die Gleichung allerdings anders aus.

Sonntag, 13. September 2009

Die Newsliste: Sonntag, 13.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:

JAPAN
Unternehmen: JAL sucht (widerstrebend) Hilfe bei Delta
Am Sonnabend verteilte der Präsident von Japan Airlines, Haruka Nishimatsu, auf der Straße Flugblätter, um Kunden für seine kriselnde Fluggesellschaft zu werben. Auch in Vorstandsetagen wirbt er derzeit - um Kapitalspritzen. 250 Mrd. Yen (rund 2 Mrd. Euro) braucht JAL für ihren Restrukturierungsplan, berichtet heute die Nikkei. Den Investor für die ersten 50 Mrd. Yen scheinen die Japaner schon gefunden zu haben: Delta Airlines, die größte Fluggesellschaft der Erde, hat erklärt, sich an JAL beteiligen zu wollen. Die Amerikaner erhoffen sich davon eine Stärkung ihrer Stellung im aeronautischen Wachstumsmarkt Asien.
* Dass JAL die Avance der Amerikaner ernsthaft erwägen muss, verdeutlicht, wie unguldig Japans Regierung mit der seit Jahren kränkelnden Airline inzwischen geworden ist. Einflussreiche Wirtschaftsführer plädierten in der jüngeren Vergangenheit sogar dafür, JAL pleite gehen zu lassen, um in einem Bankrottverfahren die notwendigen radikalen Einsparungen durchsetzen zu können. 

Unternehmen: Docomo kauft deutsches Internetunternehmen NetMobil
Docomo hat seine Expansionsstrategie im Ausland diversifiziert. Neben Beteiligungen an Netzbetreibern in Asien setzt Japans Mobilnetzgigant in Europa auf den Kauf von Inhalteanbietern. Für rund 40 Mio. Euro kaufen die Japaner rund dreiviertel der Aktien der NetMobile AG. Das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen vertreibt Musik und Spiele für Handys.
Docomo will mit dem Einstieg in den deutschen Markt für Inhalte seine großen Erfahrungen im Betrieb von Vertriebsplattformen zu einem globalen Inhaltevertreiber aufsteigen. In Japan hat Docomo mit seinem Geschäftsmodell dem mobilen Internet zum Durchbruch verholfen. Es bucht nicht nur ihren Kunden Micropayments für Inhalte seiner offiziellen Partner gegen einen geringen Wegezoll bequem über die Telefonrechnung ab. Inzwischen dient der Konzern mit ins Handy eingebauten Kreditkartenfunktionen auch im normalen Leben als Zahlungsplattform.
* Interessant dürfte sein, was Docomo wirklich den deutschen Anbieten kann. Denn das Geschäftsmodell in Europa, bei dem die Netzbetreiber auf hohe Transfergebühren von Zahlungen setzen, hat Docomo bereits einmal beim Export seines in Japan extrem erfolgreichen Internetdienstes I-Mode scheitern lassen.

NORDKOREA
USA signalisieren Gesprächsbereitschaft
Nun ist die erahnte Katze aus dem Sack: Die USA wollen Nordkorea mit dem Angebot von bilateralen Gesprächen an den Verhandlungstisch zurückbringen. Das ganze soll offiziell im Rahmen der Sechs-Nationen-Gespräche über die Abwicklung von Nordkoreas Atomprogramm stattfinden.
* Ich denke mal, dass Nordkorea darauf früher oder später auf das Angebot eingehen wird. Chinas Geduld mit dem Norden scheint dünner zu werden.

Freitag, 11. September 2009

Die Newsliste: Freitag, 11.9.2009

Sporadisch, subjektiv * und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die News vom Tage:

Japans Hundertjährige würden bereits eine Kleinstadt füllen. Nach der jüngsten Bevölkerungsstatitistik ist die Zahl der Super-Alten auf über 40000 gestiegen. Der Trend dürfte sich noch eine Weile fortsetzen. Denn die jetzt 80-jährigen erfreuen sich oft noch unverschämt guter Gesundheit. Bei den jüngeren Seniorensemestern bin ich mir nicht mehr sicher. Denn die haben in ihrem Leben zu viel an Weißbrot, Fett und Zuckerkram verzehrt und sich weniger bewegt als ihre Eltern. Dies Problem ist besonders auf der Insel Okinawa bekannt, die den höchsten Anteil von Hundertjährigen an der Bevölkerung aufweist. Bei einer Recherche für einen Artikel über das Shangri-La für das leider jung verblichene Schweizer Magazin Facts sagte mir der Bürgermeister von des Dorfes Ogimi (berühmt für seinen Spitzenplatz in der Langlebigkeitsrangliste), dass die Alten ihm keine Sorgen bereiten, wohl aber deren Kinder.

Und hier nun die News:

JAPAN
Weltraum: Tütensuppen aus Nippon - Japan beliefert erstmals die Weltraumstation
Japans Weltraumbehörde Jaxa feierte heute eine doppelte Premiere: Ihr neuer Lastesel, die H-IIB-Rakete, beförderte heute auf ihrem Jungfernflug erstmals ein Transportschiff ins All, das die internationale Weltraumstation mit 4,5 Tonnen Fracht versorgen soll.
Mit der Mission tritt die Weltraumnation endgültig aus dem Schatten der Amerikaner, Russen und Europäer hervor. Denn Japans neue Rakete und das Transportvehikel werden eine zentrale Rolle in der Versorgung des menschlichen Außenpostens im All spielen, wenn die amerikanischen Space Shuttles demnächst eingemottet werden. Das japanische zehn Meter lange und 4,40 Meter breite Transportmodul kann dank seiner 1,20 Meter breiten Ladeklappe Güter fassen, die die Raketen anderer Nationen nicht einladen können.
* Was lange währt, wird endlich gut. Bis vor wenigen Jahren fielen Japans Raketen vor allem durch Fehlstarts auf. Dass es der Hightech-Nation nicht gelang, verlässliche Raketen zu bauen, drückte den Verantwortlichen mächtig aufs Selbstbewusstsein. Massives Stühlrücken war die Folge, mit Erfolg.

Konjunktur: Japan wächst langsamer als bisher gedacht
Heute wurde das Wirtschaftswachstum im zweiten Jahresviertel um ein Drittel auf 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesenkt. Durch die Bank wurden die Werte aus der ersten Schätzung zusammengestrichen, am stärksten für Lagerhaltung und Unternehmensinvestitionen.
* Es geht wohl weiter aufwärts. Doch dürften sich jetzt auch die letzten Firmen von der Hoffnung verabschiedet haben, dass sie ihre im Boom ausgebauten Fabriken in naher Zukunft wieder auslasten könnten. Toyota macht vor, was der Rest der Japan AG nachahmen wird: Produktionskapazitäten abbauen.


Politik/Konjunktur: Japans Demokraten finden einen Schatz
Japans Liberaldemokraten haben den siegreichen Demokraten einen riesigen Schatz hinterlassen. Von den werbewirksam vor der Wahl beschlossenen Konjunkturpaketen sind etwa 60 Mrd. Euro noch nicht ausgegeben worden, verriet heute ein Führungsmitglied der Demokraten der japanischen Presse.
Die Demokraten hoffen offenbar, die Gelder zur Finanzierung ihrer Wahlversprechen zu nutzen. Bisher gingen sie davon aus, dass sie dazu Gelder gegen wahrscheinlich massive Widerstände aus dem Staatsetat umwidmen müssten.
* Diese Idee hat Vorzüge, die jedem Politiker sofort einleuchten werden: Da es sich um nicht budgetierte Gelder handelt, müssen die Demokraten niemandem etwas wegnehmen. Das ist politisch einfach durchzusetzen. Allerdings hat eine Umwidmung Folgen. Es wird damit weniger Geld für Bauprojekte geben, aber wahrscheinlich mehr für die klammen Konsumenten. Nutzniesser könnte die private Nachfrage sein.


KOREA
Tauwetter: Lohnverzicht für den Dialog
Nordkorea zieht seine Forderung nach Lohnerhöhungen für nordkoreanische Arbeiter in der Wirtschaftssonderzone Kaesong zurück. Nordkorea hatte zuvor eine Vervierfachung der Gehälter und höhere Mieten für Fabrikgelände verlangt.
* Der Zickzack-Kurs des Nordens geht weiter. Die Drohung war offenbar nur ein Druckmittel, um durch die mögliche Pleite der südkoreanischen Investoren im Industriepark Südkoreas Regierung zur Aufgabe ihres harten Kurses gegenüber dem Norden zu bewegen.