Posts mit dem Label Fukushima werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Fukushima werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 28. Februar 2012

Besuch im AKW Fukushima 1

Mit einer Gruppe von ausländischen Journalisten habe ich heute die Atomruinen des AKW Fukushima 1 besucht. Das Foto zeigt mich im Tyvek-Anzug vor der Abfahrt zum AKW.

Hier noch ein Foto von meiner vollen Strahlenschutzausrüstung. Sie ist nur etwas dicker als Papier.


Es ist ein merkwürdiges Gefühl, in 20 Meter Entfernung am Reaktor 3 entlangzufahren, der so stark strahlt, dass bis heute kein Arbeiter ihn betreten kann. Dies führte mir krass vor Augen, was ich bisher schon wusste: Radioaktivität ist eine Gefahr, die wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen, sondern nur rational verstehen lernen können.

In den kommenden Tagen werde ich mehrere Aspekte des Alltags im Strahlenland in Artikeln beschreiben. Sofern vorhanden, werde ich die Links der Artikel hier online stellen.

Mein Dosimeter gab im übrigen an, dass ich während des ungefähr drei Stunden dauernden Aufenthalts auf dem AKW-Gelände 41 Mikrosievert an Strahlung abbekommen habe.

Mittwoch, 1. Februar 2012

Ein Gedicht aus Fukushima

Marika Yoshida hat in einem Gedicht ihre komplizierten Gefühle zu Papier gebracht. Ich mag es, da es sich so wohltuend von der oft holzschnittartigen Berichterstattung abhebt. 
My living in Fukushima

To live in Fukushima, to me

It means, no more opening the window and taking a deep breath every morning

It means, no more drying our laundry outside

It means, to discard the vegetables grown in our garden

It means, to feel a pang at the sight of my daughter leaving the house with a mask and a dosemeter on, without even being told

It means, not to be able to touch this whitest snow

It means, to get slightly irritated sometimes when I hear the “Fight on, Fukushima” slogan

It means, to notice that I became to breathe shallowly

It means, to tell someone that I live in Fukushima and not be able to help adding “but our area’s radiation is still low…”

It means, to feel that now exist 福島 (Fukushima in Chinese characters) and FUKUSHIMA

It means, to get angry when someone tells us to “stay” feeling “What do you think of our lives?,” and to get angry when someone tells us to “flee” feeling “Don’t say it so easily! It’s not that simple!”

It means, to worry if my 6-year-old girl can get married in the future

It means, to feel like abandoning my responsibilities for having chosen to live in Fukushima

It means, to renew a deep understanding in my gut every morning that our daily lives stand on the thin-ice-like “safety,” which is kept on the sacrifices and efforts of others.

It means, to think every night that I might have to leave this house tomorrow and go far away

It means, to still pray every night that we could live in this house tomorrow

First and foremost, I pray for the health and happiness of my daughter

I cannot forget that black smoke

I want someone to understand that we still live happily more or less, nonetheless

I get furious, everyday

I pray, everyday

I have no intention to represent Fukushima. This is what to live in Fukushima means to me, only to me.

Today is the 10-month anniversary for Fukushima.

An der Grenze zum Niemandsland

Dies ist ein Checkpoint an der Grenze zur Evakuierungszone in Minami-Soma, 20 Kilometer nördlich vom AKW Fukushima 1. Es herrscht mehr Betrieb als ich gedacht hatte. Circa 300 bis 400 Autos mit Arbeitern, aber auch evakuierten Bewohnern der Zone passieren den Wachposten täglich, sagte mir ein Polizist. Die Botschaft: Das Leben "normalisiert" sich. Wer nicht weggelaufen ist, beginnt bewusster mit der Strahlung zu leben. 
Im Zentrum Minami-Somas fällt es leichter als in einigen Stadtteilen der Präfekturhauptstadt Fukushima, die 60 Kilometer von den Reaktoren entfernt liegt. Denn an der Küste ist die Jahresdosis mit derzeit etwa drei Millisievert relativ gering. In Fukushimas Stadtteil Watari werden örtlich Werte gemessen, die deutlich darüber liegen. Kinder dürfen dort noch immer nicht draußen spielen. Denn die radioaktive Wolke zog westlich an Minami-Soma vorbei, aber über Fukushima hinweg.

Dienstag, 31. Januar 2012

Dosimeter im Convenience Store

Ich bin gerade von einer Recherchereise aus Fukushima zurückgekehrt und verstrahle eine gewisse Zuversicht, dass die Menschen das Leben stärker in ihre eigenen Hände nehmen. Was bleibt ihnen auch anderes übrig, nachdem die Hauptstadt mit ihrem politischen Schmierentheater sie im Stich gelassen hat. Die Bewohner beginnen in gewisser Weise mit der Radioaktivität zu leben und sehr rational auseinanderzusetzen.
Wenig hilfreich ist dabei allerdings ein Fundstück, dass ich in einem Lawson-Store in Minami Soma aufgetan habe: ein scheckkartengroßes Dosimeter, dessen Anzeige bis 10000 Millisievert reicht. Ein Klick auf das Bild sollte es vergrößern.

Wenn sich der Streifen deutlich wahrnehmbar verfärbt, ist es schon recht schlecht um einen bestellt. Die kleinste Einheit ist 20 Millisievert. Und selbst bei 50 Millisievert muss man schon sehr genau hingucken, um einen Wandel im Farbstreifen zu bemerken. Und um 50 Millisievert einzusammeln, muss man schon recht lange in der Evakuierungszone campen oder ungeschützt an den Reaktoren herumturnen. Kostenpunkt des nutzlosen Gimmicks: rund 4000 Yen.

Hier noch zwei Links:
> Zu einem Gedicht, dass die komplexe Gefühlslage der Bewohner Fukushimas zeigt.
> Zu einem Foto von der Grenze zum Niemandsland

Montag, 14. März 2011

Erdbeben erschüttert Japans Energiepolitik

Ein möglicher Gau im Bebenreaktor von Fukushima erschüttert die Grundlagen von Japans Energiepolitik: die Mär von absoluten Erdbebensicherheit von Japans Atomreaktoren.

Masashi Goto haftet wahrlich nicht der Geruch eines Kernkraftgegners an. Bis vor eineinhalb Jahren war er nach eigener Aussage Gruppenleiter für das Design von Reaktorsicherheitsbehältern beim Kraftwerksbauer Toshiba, der den Krisenreaktor in Japans Erdbebengebiet gebaut hat. Doch gestern warnte er öffentlich vor der Gefahr eines zweiten Tschernobyl. Er halte die Gefahr zwar für sehr gering, aber sollten alle Kühlungsversuche versagen, könnte eine Kernschmelze einer gewaltigen Dampfexplosion führen. Radiokativität könnte weit über den bisherigen 20-Kilometer weiten Sperrbezirk oder 50 Kilometer verteilt werden. „Meine große Sorge ist allerdings, dass eine Explosion in einem auch die anderen Meiler berühren könnte“, sagt Goto. Im schwersten betroffenen Kraftwerkskomplex Fukushima 1 stehen die drei aktiven Reaktoren dicht nebeneinander. Und bei allen gibt es Probleme mit der Kühlung des Kerns, weil die Energieversorgung der Notgeneration fürs Kühlsystem teilweise unterbrochen war.

Goto ist der erste Fachmann aus der Industrie, der öffentlich über einen Super-Gau spricht. Es ist seine Art des Protests gegen die Informationspolitik der Regierung und der Medien, die die Bürger bisher nicht mit dem Durchspielen von Horrorszenarien belasten. Die Situation in den von einem Megabeben beschädigten zwei Kernkraftwerkskomplexen in Fukushima sei unter Kontrolle. Eine Gefahr der Überhitzung bestünde nicht, so Offizielle. "Die Regierung erklärt die Situation nicht offen genug", kritisiert Atsushi Yamada, Journalist der Zeitschrift Aera.
Bislang mahnt nur das „Citizen's Nuclear Information Center“ (CNIC), eine kleine, aber hochangesehene Bürgergruppe, vor den Gefahren. „Von den zehn Meilern der zwei Anlagen besteht bei sieben zumindest die Möglichkeit einer Kernschmelze", sagt CNIC-Chef Hideyasu Ban, früher Mitglied der japanischen Atomplanungskommission.  Die anderen drei nicht betroffenen Meiler waren gerade abgeschaltet, als das Beben und der vernichtende Tsunami trafen.
Der Meiler eins der sechs Meiler vom Kraftwerkskomplex Fukushima 1 konnte nur durch verzweifelte Notoperationen am Durchbrennen gehindert werden. Erst ordnete die Regierung an, radioaktives Gas abzulassen. Dann ließ sie mit Bor versetztes Meerwasser in den Kern und den Sicherheitsbehälter pumpen. Damit kann dieser Meiler niemals mehr ans Netz gehen. Nun hat die Regierung auch den Meiler 3 auf gleiche Weise geopfert, weil die Kühlung ausgefallen war. Sogar der vorsichtige Kabinettamtschef Yukio Edano hat zugegeben, dass sich die Brennstäbe in dem Reaktor bereits verformt hätten. 
Noch besteht wie gesagt keine unmittelbare Gefahr. "Wir sind noch weit von einem Tschernobyl-Szenario entfernt", sagt ein Experte im Außenministerium. Andere Experten sagen, dass der Fall-out selbst bei einer Explosion räumlich weit beschränkter als in Tschernobyl sein würden. Aber schon die entfernte Möglichkeit eines Gau reicht, damit die deutsche und die französische Botschaften fordern ihre Bürger mehr oder weniger direkt zum Verlassen der Region Tokio auf. 
Die deutsche Botschaft schreibt auf ihrer Homepage: „Die Botschaft empfiehlt, die japanischen Medien aufmerksam zu verfolgen. Sie empfiehlt ferner allen Deutschen im Krisengebiet und im Großraum Tokyo/Yokohama zu prüfen, ob ihre Anwesenheit in Japan derzeit erforderlich ist, und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ihre Ausreise aus dem Land in Erwägung zu ziehen. Dies gilt insbesondere für Familien mit kleinen Kindern.“ Frankreich tut das gleiche, mit Hinweis auf ein mögliches Großbeben im Raum Tokio.
Ein aus Bans Sicht willkommenes Opfer könnte allerdings das ehrgeizige Atomprogramm der Regierung werden. Seit Jahrzehnten setzt Japans auf Atomkraft, um das ressourcenarme Land unabhängiger vom Öl zu machen – allen Warnungen vor Erdbeben zum Trotz. 55 Meiler produzieren 34 Prozent des Stroms für Asiens zweitgrößte Wirtschaftsmacht. Die Regierung will den Anteil mittelfristig auf 40 Prozent und langfristig auf 70 Prozent erhöhen. 
Kritik wurde unterdrückt, obwohl schwere Unfälle die Skepsis in der Bevölkerung haben steigen lassen. 1994 kam es im experimentellen Schnellen Brüter zu einem schweren Brand. 1999 kam es im Atomforschungszentrum zu einer nuklearen Kettenreaktion, als drei Mitarbeiter ungesichert hochangereichertes Uran zusammenrührten. 2007 gab es sogar eine regelrechte Generalprobe für das heutige Desaster. 
Direkt unter dem größten Kraftwerkskomplex der Welt in Kashiwazaki-Karima in der Präfektur Niigata bebte die Erde und zwar dreimal stärker als das maximal für möglich gehalten Beben. Es brannte auf dem Reaktorgelände, Radioaktivität trat aus. Doch nichts schlimmes passierte. Die Regierung sah sich in ihrer Mär von der Erdbebensicherheit bestätigt und forcierte den Ausbau der vermeintlich so sauberen Energie. 
Diesmal allerdings war das Beben nicht nur dreimal, sondern 10 mal stärker als für möglich gehalten. Und die Reaktoren haben nicht standgehalten. Zum Glück bläst der Wind in Richtung Meer. Ban von CNIC fordert daher den Einstieg in den Ausstieg. Vielleicht werden ihn die Japaner diesmal anhören. denn die Japaner versetzt das Drama am Meiler in Fukushima wirklich in Angst. 


(PS bitte tippfehler zu entschuldigen)
+++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ Follow Martin Kölling on twitter.com/martin_koelling Mehr über Technik auf TechWatcher-Asia.com