Posts mit dem Label Internet werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Internet werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 18. November 2010

"Twitter gibt China erstmals volle Redefreiheit" - Chinas Star-Blogger Michael Anti über die Macht Twitters in China und Japans kolossales Missverständnis der chinesischen Politik, Teil 1

Auf Technology Review erscheint am Donnerstag der erste Teil meiner Aufzeichnungen eines Pressegesprächs mit Michael Anti (Zhao Jing), einem der bekanntesten Blogger Chinas.


Der erste Teil dreht sich um das Internet und China, später werde ich noch in einem zweiten Teil schildern, warum Anti meint, dass Japan durch das totale Ignorieren der chinesischen Bloggerszene China gründlich missversteht. 


Twitter belebt Chinas Zivilgesellschaft

Der chinesischer Starblogger- und -Twitterer Michael Anti erzählt in Tokio, wie Twitter China seines Erachtens erstmals in der Geschichte volle Redefreiheit verschafft.

Als studierter Chinakundler (lang ists her) bin ich immer froh, neues über China zu erfahren. Als anregender Quell entpuppte sich Michael Anti, der mit über 30000 Followern viertmeist gefolgte Twitterer der Volksrepublik China (twitter.com/mranti). Zhao Jing heißt er mit bürgerlichen Namen, hält sich gerade für zwei Monate in Japan auf und relativierte einige meiner Vorurteile. Aus meinem japanischen Exil hatte ich in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, dass Chinas Regierung den Beweis erbringt, wie gut sich das vermeintlich ach so demokratische Internet zur Gedankenkontrolle eignet. Das scheint mir auch noch immer so zu sein, nur eben klappt es bei weitem nicht vollständig, zeigte Anti. Seine These: Durch das Internet und vor allem durch Twitter ist eine „sehr lebendige Zivilgesellschaft“ entstanden.

Seine Aussage überrascht. Denn nur 100000 Chinesen twittern. Aber die wenigen entfalten eine große Wirkung, da sie zur Informationselite des Landes gehören und oft selbst Journalisten sind. Außerdem ist der Charakter von Twitter mit seiner Beschränkung auf 140 Zeichen in China dank des Schriftsystems nicht der eines Kurztext- sondern eines richtigen Nachrichtendienstes. 140 chinesische Schriftzeichen sind bereits ein kleiner Text, 140 Anschläge in Buchstaben nur ein Satz.

Immer wieder schafft es Twitter daher, vor allem von der chinesischen Regierung unterdrückte Geschichte vor allem in ausländische, manchmal aber auch in chinesische Zeitungen zu bringen. Ein Beispiel ist die Ehefrau des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo. Liu Xia hat über ihr Twitter-Account twitter.com/liuxia64 der Welt umgehend gepetzt, wie sie von der Staatsmacht unter Druck gesetzt wurde. Und flugs fanden sich ihre Tweets auf BBC wieder. Eine Demo für den Künstler Ai Weiwei, die erste Demo nahe des Tiananmen-Platzes seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung, schaffte es sogar dank Twitter in die englischsprachige Ausgabe der Global Times einem Sprachrohr der kommunistischen Partei Chinas, inklusive getwittertem Bild. Die Zensoren hätten nicht die Ressourcen, Tweets minütlich zu folgen, erklärt Anti den Erfolg: „Twitter ist die erste nationale Plattform für 100-prozentige Redefreiheit in Chinas Geschichte.“

Man merkt, Anti ist Journalist. Er liebt das starke, überspitzte Zitat. Ganz so gemütlich geht es im Reich der Mitte freilich nicht zu. Der einzelne Twitterant läuft schon noch Gefahr, dass die Polizei an seine Tür klopft, wenn der Obrigkeit ein Tweet missfällt, gesteht Anti. Denn neben den Fans „folgen“ die Zensoren den frechsten Bloggern. Aber im großen Ganzen gesehen kann man Antis Gedankengang dann wieder verstehen. Denn dummerweise (aus der Sicht der Staatsmacht gesehen) ist das Malheur im Zweifel selbst dann schon geschehen, wenn der missliebige Tweet zeitnah gesperrt werden kann. Schließlich können heute schon Minuten für die pandemische Infektion der Netizen mit ungesundem Gedankengut ausreichen.

Mitverantwortlich dafür ist der Charakter der chinesischen Blog-Sphäre, der sich sehr stark von der anderer Länder unterscheidet. Idealtypisch gesehen ist das Internet in den USA das Medium des Anti-Mainstreams, in Japan des privaten Klatsches. In China hingegen ist die Blogsphäre der Tummelplatz professioneller Journalisten der Mainstream-Medien, die gerne mal im Internet Geschichten veröffentlichen, die sie in ihren Blättern nicht los werden, erklärt Anti.

Die Ursache sei Chinas Mediengeschichte, so Anti. Als die kommerziellen Medien im Jahr 2000 ihre Expansion starteten, fanden sie keine qualifizierten Journalisten. Denn die Schulbücher der Journalistenschulen seien „Mist“. Also heuerten die Herausgeber in ihrer Not „Blogger“ der ersten Stunde wie Anti an, die durch ihre Arbeit im Internet bewiesen hätten, dass sie schreiben können. „Ich bin eigentlich ein Computerfreak“, kokettiert Anti mit seiner Vergangenheit. Das Ergebnis: Journalismus und Bloggen seien in China von Beginn an verschmolzen. „Wir können das Internet und die Medien nicht trennen“, so Anti. Für den Staat sei das Internet daher das „Schlachtfeld“. Für Anti ist es hingegen „der Platz der Zivilgesellschaft.“

Das Internet wird das Denken der Chinesen verändern, sagt er voraus. 1. wird die neue Generation Redefreiheit als angeborenes Recht betrachten. „Selbst Nationalisten wollen Redefreiheit, da gibt es Konsens.“ 2. Die jungen Netizen betrachten „Information“ als ihren Besitz und hätten daher auch Google beim Konflikt mit der chinesischen Regierung verteidigt. 3. empfinden immer mehr Menschen und auch die Partei „partizipative Demokratie“ als gut. Der Gesellschaftsvertrag sieht in etwa so aus: Die Partei gewährt recht viele individuelle Freiheiten und vor allem Wohlstandswachstum, dafür verzichten die Bürger darauf, sich politisch zu organisieren. Zuwiderhandlung wird bisweilen wird mit Einkerkerung bestraft, siehe Liu Xiaobo.

Anti warnt uns daher in einem interessanten Dreh seiner Argumentation davor, wegen des Wandels auf eine Demokratisierung Chinas im westlichen Sinne zu hoffen. Partizipative Demokratie sei nicht gleich repräsentative Demokratie mit vom Volk gewählten Politikern, meint Anti. „Es wird nicht in Richtung repräsentative Demokratie gehen.“

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Follow Martin Kölling on twitter.com/martin_koelling
Mehr Technik auf TechWatcher Asia
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Dienstag, 9. November 2010

Undichte Stellen: Sicherheitsvorkehrungen für Apec-Gipfel im Internet durchgeleckt

Das Japan es mit der Datensicherheit nie so ganz genau genommen hat, haben bereits diverse Skandale über verlorene Kundendaten von Banken oder Präsentationen von F-22-Kampfflugzeugen bewiesen. Doch waren in den Fällen vielleicht Gier, vielleicht auch nur Schusseligkeit schuld, lehnen sich jetzt Beamte offenbar mit gezielten Internet-Leckagen gegen ihren Dienstherrn auf. 


Der erste Fall, die Veröffentlichung des Videos über den Rammstoß eines chinesischen Fischkutters gegen ein Schiff der japanischen Küstenwache, kann dabei gerne noch als legitim durchgehen. Die hätte die Regierung nie als Staatsgeheimnis behandeln sollen. Aber nun sollen auch noch die Sicherheitsvorkehrungen für den Apec-Gipfel am kommenden Wochenende auf einer File-Sharing-Seite ins Web zum Download gestellt worden sein, berichtete der Fernsehsender NHK heute in seinen Abendnachrichten. Da hört der Spaß allerdings auf. 


Der eifrige Löcherbohrer hat dabei sogar die Chuzpe besessen, sieben mal auf der File-Sharing-Seite nachzuschauen, wie oft die Datensätze herunter geladen worden sind. Ein Experte vermutete auf NHK, dass er die Zahl der Downloads hätte prüfen wollen, um bei zu niedriger Verbreitung die Akten zu propagieren. Das wäre ziemlich dreist.


Ich würde gerne mal mit einem Geheimdienstler darüber sprechen, als wie sicher und gut Japans Sicherheitskräfte und Geheimdienste gelten. Nach einigen Veranstaltungen frage ich mich, ob sie so gut sind, dass man sie nicht bemerkt, oder ob sie ganz einfach nicht da sind.

Freitag, 5. November 2010

News: Internet-Leck von Kutter-Rammstoß, Toyota hinkt hinter Suzuki her, Lebensversicherer Meiji Yasuda kauft sich in Deutschlands Talanx ein, Resona Bank schmiert ab

Die News, sporadisch, * subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Japan hat nun seinen eigenen Internet-Leck-Vorfall.
Irgendwer hat die Videos vom Rammstoss des chinesischen Kutters gegen ein Schiff der japanischen Küstenwache ins Netz gestellt. Die Regierung wollte sie gerne unter Verschluss halten, wohl um vor dem Apec-Gipfel in Japan die hitzigen diplomatischen Probleme mit China abzukühlen.
* Ein Treffen von Ministerpräsident Kan mit Chinas Präsident Hu Jintao morgen in einer Woche wird nun immer schwieriger. Denn Chinas reagiert genervt. Japans Regierung sagt, man müsse die Echtheit der Videos prüfen. 
Missmanagement in Zeiten des Internetzeitalters pur.
Links zu Videos:
Hier der Link, Blick vom gerammten Schiff aus (mal sehen, wie lange er funktioniert):
Hier der Link, Blick vom Begleitschiff.

Unternehmen
Halbjahresbilanz Toyota
Toyota kehrt in der ersten Jahreshälfte in die Gewinnzone zurück, bleibt allerdings hinter seinen Rivalen in Sachen Profitabilität zurück. Zudem senkte der Konzern die Umsatzprognose leicht auf 19000 Mrd. Yen, erhöhte aber die Gewinnprognose um 50 Mrd. auf 380 Mrd. Yen. Selbst Suzukis Gewinnmarge liegt mit 5,2 Prozent über Toyotas runden drei Prozent. 
* An den Märkten mosern die Analysten inzwischen darüber, dass sich Toyota nicht so stark wie die Rivalen um Gewinnvermehrung kümmert. Der Vorwurf: Der Konzern zögere beim Abbau von Beschäftigung und Produktion in Japan, die für den Export beim jetzigen Wechselkursstand zum Dollar wenig einträglich ist.

Banken
Gerüchte um Kapitalerhöhung: Resonas Aktienkurs stürzt ab
Der Aktienkurs von Japans viertgrößter Bankengruppe Resona ist mit 16 Prozent gestern so stark abgesackt wie seit sieben nicht mehr. Auslöser waren Medienberichte, dass die Bank ihr Kapital durch die Ausgabe neuer Aktien um 600 Mrd. Yen erhöhen will, um mit den Geldern den Staat auszubezahlen. 
* Die vom Staat vor der Pleite gerettete Bank steht unter Druck, die staatlichen Finanzspritzen von geschätzt 1700 Mrd. Yen zurückzuzahlen. Ausserdem haben die anderen Megabanken die fast nur im Inland aktive Finanzgruppe mit großen Kapitalerhöhungen unter Zugzwang gesetzt, ebenfalls ihre Kapitalbasis zu verstärken. 

Nikkei: Meiji Yasuda Life kauft sich in dt. Versicherer ein
Nach einem Bericht der Zeitung Nikkei will die japanische Lebensversicherung Meiji Yasuda nächstes Jahr in Form von Wandelsanleihen 300 Mio. Euro in die deutsche Versicherungsgruppe Talanx investieren. Die Japaner wollen auch zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden und planen, die Anleihe nach einem Börsengang von Talanx in Aktien umzuwandeln.
Mit ihrem größten Auslandsinvestment wollen die Japaner vor allem den noch wachsenden LV-Markt in Osteuropa anzapfen. 
* Und da beschwere sich noch mal jemand über den starken Yen. Denn im rechten Lichte betrachtet schmerzt er zwar die Exporteure bei Exporten, dafür erleichtert er jeder Menge anderer Firmen, die unter dem Druck stehen, ins Ausland expandieren zu müssen, Firmenkäufe in Übersee.

Dienstag, 2. November 2010

Tech-Blog: Wie Digitaltechnik Nordkorea für Reporter öffnet

Meine wöchentliche Kolumne auf Technology Review ist diese Woche bereits heute erschienen. Das Thema ist diesmal, wie Technik die Verbreitung von Untergrundjournalismus in Nordkorea erlaubt. Der Beitrag basiert auf einer Buchvorstellung von Jiro Ishimura, dem Gründer des Journalistennetzwerks AsiaPress, am Montag im Foreign Correspondents' Club of Japan.
AsiaPress hat inzwischen sechs nordkoreanische "Journalisten", die in Text, Foto und Film direkt vom Leben der Nordkoreaner berichten.
Die Bilder, die Ishimura gezeigt hat, sind eindrucksvoll. Hier finden sich ein paar...
AsiaPress hat nun einen Teil ihrer Geschichten in dem Buch "Rimjin-gang" auf englisch veröffentlicht.
Für 9000 Yen kann man es direkt beim Verlag bestellen. 

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Tech-Blog: Nordkoreas Internet-Drive

Auf Technology Review erscheint heute mein wöchentliches Blog über die erste Homepage der nordkoreanischen Nachrichtenagentur (KCNA). Der Beitrag wird gegen neun Uhr morgens deutscher Zeit online gestellt.
Eine andere Fassung gibt es auf meinem neuen Testballon, dem TechWatcher Asia (techwatcher-asia.com). Die Seite ist noch im experimentellen Aufbau.

Freitag, 8. Oktober 2010

Buchrezension: Was macht das Internet mit unserem Hirn?

Ok, der Artikel, auf den ich jetzt hinweisen werde, ist nicht brandneu, aber vielleicht dennoch von Interesse. 
"Die Welt" hat vorige Woche meine Buchrezension des neuen Buchs US-Internet-Gurus/-Kritikers Nicholas Carr, "The Shallows - What The Internet Does To Our Brains", veröffentlicht. 


Wie FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher in seinem Buch "Payback" hat Carrs beobachtet, dass seine Fähigkeit, lange Texte zu lesen, abgenommen hat. 


Verantwortlich für diese Entwicklung ist für ihn das Internet, dass durch seine technische Wirkungsweise unser Gehirn neu verdrahtet. 


Carrs These ist, dass jede Technik auf neuraler Ebene unser Gehirn und damit unser Denken verändert, in diesem Fall zum Schlechten. Während der Buchdruck in seinen Augen die Kunst des "tiefen Lesens" und damit Denkens demokratisiert hat, glaubt Carr, dass das Internet unser Denken und damit unserer Fühlen systemisch verflacht. Denn es zerstreut durch die ewige Erreichbarkeit, den Zwang zu schnellen Antworten auf eMails, multimediale Angebote und die vielen Links in Texten unsere Aufmerksamkeit und zerstört die Konzentration, die wir für die Abspeicherung von Informationen in unserem Langzeitgedächtnis benötigen. 


Ich habe das Buch sehr genossen. Denn es beschreibt nicht nur detailliert und verständlich die neurologischen Auswirkungen des Internets auf unser Hirn, sondern erinnert uns nebenbei mit einer Fülle von Einsichten alter Denker an die Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte intellektueller Techniken


Dennoch ist es nicht mehr als ein sehr gutes Fundament für die notwendige Diskussion über die Frage, was wir Menschen werden wollen. Denn Carr liefert keine Lösungen für das Dilemma, einerseits das Internet nicht mehr abschaffen zu können und andererseits entgegen seiner inhärenten Wirkungsweise das tiefe Denken bewahren oder gar fördern zu wollen. Am Ende wird er sogar wieder recht pessimistisch. Das wichtige sei nicht das Werden, sondern was wir werden.
Foto: Commons  http://spaceresearch.nasa.gov/general_info/05feb_superconductor.html

Donnerstag, 14. Januar 2010

Google vs. China – Das Internet ist nicht per se demokratisch

Nach Googles Rückzug aus China kann endlich einer der hartnäckigsten Mythen über das Internet begraben werden: Das Internet ist nicht inhärent demokratisch. Zu Anfang mag es den Anschein gegeben haben, weil den Staaten vielleicht die Technik, aber vor allem der politischen Wille zur Überwachung und Unterdrückung der virtuellen Welt fehlte. Aber wie Chinas Regierung in den letzten Jahren gezeigt hat, kann das Internet nicht nur kontrolliert, sondern sogar zum Instrument der Diktatur gemacht werden. Wahrscheinlich funktioniert die Überwachung vermeintlich subversiver Elemente nun sogar wirkungsvoller denn je, die notwendige Skrupellosigkeit seitens der Staatsmacht vorausgesetzt.

Mitlesen, Bewegungen im Internet zu verfolgen, Profile erstellen ist sogar einfacher möglich, als es zu Zeiten des analogen Zeitalters war, als man beispielsweise noch die Wohnung aufbrechen musste, um an die privaten Notizen zu gelangen. Auch lassen sich Internetseiten inzwischen recht wirkungsvoll blocken. Ich konnte selbst meinen eigenen Blog und Facebook nicht lesen, als ich in China war, weil anscheinend Blogger.com unter Generalverdacht steht. 

Selbst die Tatsache, dass es in China Mittel und Wege gibt, Kontrollen zu umgehen und Nachrichten zu verbreiten, unterstützt das Internet-ist-demokratisch-Argument meines Erachtens nicht. Erstens gibt es in Diktaturen immer Widerstand und Risse in der Überwachung – in Nordkorea mögen sie kleiner sein, doch selbst da gibt es sie. 

Zweitens geht es nicht um eine Vollkontrolle, die ist in China wegen der Menschenmasse und der vielen Außenkontakte seiner Bürger ohnehin nicht möglich. Aber die chinesische Geheimpolizei weiß vermutlich recht genau, wer die Menschen sind, die der Staat als Feinde definiert hat. Bei Bedarf können mögliche Aufrührer einkassiert und weggeschlossen werden. 

Außerdem hat die Staatsmacht gelernt, dass sich das Internet, besonders in seiner mobilen Form über das Handy, bei Gefahr im Verzug wortwörtlich und ganz real ausschalten lässt. Ohne Netz kann sich der Feind auch nicht mehr vernetzen. Und der Staat gewinnt Zeit zur Schadensbegrenzung.

Die Schlussfolgerung ist unbequem. Die virtuelle sieht gar nicht so grundverschiedenen von der realen Welt aus. Menschenrechte, Demokratie und – das ich möchte ergänzen – die Herrschaft des Rechts (des Urheberrechts beispielsweise) muss hier wie dort verteidigt oder erkämpft werden. Demokratie wird den Menschen nicht in den Schoß gelegt, auch nicht durch das Internet.

Donnerstag, 7. Januar 2010

Die Taube auf Twitter - Premier Hatoyama hat zu twittern und bloggen begonnen

Japans Ministerpräsident Yukio Hatoyama hat zum Jahresanfang das Twittern und das Blog „Taubencafe“ angefangen. Doch Hatoyama geht weiter und bringt das Blog auch in die reale Welt.





Das Amt des japanischen Ministerpräsidenten scheint eine magische Kraft auszuüben. Regelmäßig verwandelt es digitale Analphabeten in Internetpioniere. Jetzt hat es auch den neuen Premier Yukio Hatoyama erwischt: Am 1. Januar begann er zu twittern und zu bloggen. Dabei ging er sogar noch einen Schritt weiter als sein Vorbild, US-Präsident Barack Obama. Der Premier will das Blog „Hatocafe“, das in Anspielung auf seinen Namen Hatoyama (Taubenberg) eine Flügel schlagende Taube, die auf zwei sich überschneidenden Sprechblasen sitzt, als Markenzeichen hat, ins reale Leben zerren. Wem das Internet zu digital ist, soll künftig zu einem noch nicht näher genannten Zeitpunkt ein periodisch geöffnetes, reales „Hatocafe“ im Kantei, dem Sitz des Ministerpräsidenten, besuchen können, Plausch mit dem Chef und Hatocafe-Becher inklusive.  

Die Magie tat das erste mal vor neun Jahren bei Yoshiro Mori ihre Wunder. Der damals 63-jährige setzte sich in einer Art Mediengag vor einen Computer und klickte sich erstmals in seinem Leben per Maus durchs Netz. Gedacht war die Schau zur Förderung seines übrigens erfolgreichen Plans, Japan vom Internetentwicklungsland in die führende Breitbandinternetnation zu verwandeln. Sein kultiger Nachfolger Junichiro Koizumi (2001 bis 2006) lancierte als eine seiner ersten Amtshandlungen einen wöchentlichen E-Mail-Newsletter, der rasant auf mehr als eine Million Empfänger kam. Der blasse Nachfolger Shinzo Abe entwickelte in seinem kurzen Amtsjahr das Internetvideo zur Kunstform, wenig Substanz unfreiwillig komisch in Langeweile zu verpacken.  

In seinem ersten Blogeintrag erklärt Hatoyama sein Motiv. Er starte Blog und Twitter, um die Distanz zwischen Volk und Politik zu verringern und gemeinsam das Land zu verändern. Zurück geht die Idee übrigens auf eine „Arbeitsgruppe zur Verringerung der Distanz zwischen Bürgern und Politik“ aus Theater- und Drehbuchautoren, Bloggern und anderen kreativen Geistern, verrät der zweite Eintrag. 

Die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Internetkanälen stellt sich Hatoyama wie folgt vor: Während seine Politik im Mailmagazin dargestellt würde, wolle er im Blog Dinge aus seinem Umfeld berichten und auf Twitter seinen Befinden und Eilnachrichten mit Links zu seinen Reden oder was auch immer verbreiten.  
So viel Experimentierfreude ruft natürlich auch Kritiker auf den Plan. Der Oppositionspolitiker Koichi Kato stichelte, dass ein Ministerpräsident zu solchen Dingen keine Zeit haben sollte. Nur dürfte diese Kritik verpuffen. Und das ist auch gut so, denn erstens geht sie am Kern des Problems vorbei. Hatoyama hat zu recht erkannt, dass er in der heutigen Zeit alle Informationskanäle nutzen muss, um seine Botschaft möglichst weit zu verbreiten. Viele junge Japaner lesen keine Zeitung mehr, sondern informieren sich allein über das Internet, oft sogar nur über seine mobile Form per Handy. Da hilft kein Klagen über den Verfall der Informationskultur, sondern nur die Umarmung der neuen Kommunikationswege, um möglichst viele Menschen am politischen Prozess teilhaben zu lassen.  

Zweitens wird der Premier das Regieren schon aus purem Selbsterhaltungstrieb nicht vergessen. Denn ohne Ergebnisse droht ihm das Schicksal vieler Vorgänger, die bis auf wenige Ausnahmen bereits nach einem Jahr wieder abgelöst wurden, weil ihre Popularität in Meinungsumfragen auf niedrige Werte absackte. Und drittens müssen die Japaner wirklich nicht befürchten, dass ihr Premier internetsüchtig wird. Nur einmal täglich will er twittern und das Blog nur einmal pro Woche erneuern. Außerdem scheint er zu verstehen, sich Ruhezeiten einzurichten. Am Sonntag legte er bereits seine erste Twitter-Pause ein.
Hier die Links zu Twitter, zum Blog, zu seiner offiziellen Homepage und zum Kantei, seinem derzeitigen Arbeitsplatz.

Dienstag, 5. Januar 2010

Technik: Panasonic bringt ersten Skype-TV auf den Markt

Panasonic baut Skype in Plasma-TVs ein 
Soweit mir bekannt wird Panasonic als erster TV-Hersteller Flachfernseher durch eine Kooperation mit Skype ab Werk in ein Internet-Videotelefon verwandeln. Der Hersteller wird dazu die Internet-Videokonferenzsoftware von Skype zuerst in einige Highend-Modelle seiner Viera-Plasmafernseher einbauen. Zuerst werden ab diesem Frühjahr die USA in den Genuss des Videokonferenz-TVs kommen. Im Sommer sollen Japan und Europa folgen. Mehr kosten soll das Skype-Modell auch. 
* Mit dieser Nachricht heizt Panasonic pünktlich zur amerikanischen Konsumelektronikmesse CES die Marketingschlacht der Fernsehhersteller an. Mit zunehmender technische Reife der Flachfernseher werden die Geräte zum Schaden für die Gewinnmarge immer stärker über den Preis verkauft. Die Hersteller suchen daher beständig nach neuen Ideen und Funktionen, um sich von der Konkurrenz absetzen und damit etwas mehr Geld für ihre Produkte verlangen zu können. Ein Skype-Fernseher soll dem Vernehmen nach mehr als hundert Euro mehr kosten als ein normales Modell. In einem weiteren Versuch werden Panasonic und Sony noch in diesem Jahr 3D-taugliche Flachfernseher auf den Markt bringen.

Dienstag, 24. November 2009

Back from China: Ein Opfer der Internet-Zensur

Ich war einige Wochen in China, daher der Aussetzer im Blog. Wie ich feststellen konnte, sperrt die chinesische Regierung nämlich den freien Zugang zu Blogger, Facebook und einigen anderen Seiten derzeit. Auch Youtube und Google Images waren nur sehr eingeschränkt verfügbar. 
Ansonsten werde ich in lockerer Folge über einige Reiseeindrücke aus dem Reich der Mitte berichten. 
Auf einen Selbstversuch zum Thema Internetzensur in China habe ich verzichtet, weil ich während meiner Recherche auf einen lesenswerten wie aktuellen Test gestoßen bin. 

Freitag, 21. August 2009

Ausgetwittert


Ausgerechnet in Japan, der modernsten Internetnation der Welt, ist Online-Wahlkampf so gut wie verboten.

In Japan hätte Barack Obama wohl nie eine Wahl gewonnen. Durch einen gut organisierten Internetwahlkampf hat er in den USA Millionen Menschen als Wähler und Millionen Dollar als Spenden mobilisiert. Die Kandidaten für die japanischen Unterhauswahlen am 30. August hingegen dürfen seit dem offiziellen Wahlkampfbeginn am Dienstag weder twittern, noch bloggen oder gar ihre Internetseiten auf den neuesten Stand bringen. Stattdessen fahren sie wie vor 30 Jahren mit Lautsprecherwagen durch ihre Stadtteile, schütteln Hände, verteilen Flugblätter, kleben Plakate und halten auf Bierkisten stehend Reden vor ein paar Dutzend Passanten.

Schuld daran sind archaische Regeln im 59 Jahre alten Wahlgesetz. Die verbieten, nach Wahlkampfbeginn Materialien zu verändern, die den Namen von Kandidaten tragen, sprich auch Blogs und Internetseiten. Auch die Verteilung von gedruckten Material ist streng reglementiert. So darf jeder Volksvertreter in seinem Wahlkreis 70000 Flugblätter verteilen, die alle einen speziellen Stempel tragen müssen.

„Die Regeln sorgen dafür, dass die Hürde für kleine Parteien und unabhängige Kandidaten sehr hoch gelegt und die regierende Liberaldemokratische Partei bevorteilt wird“, schimpft der Japan-Experte Tobias Harris, der in den Oberhauswahlen im Jahr 2007 für den damaligen Spitzenpolitiker der oppositionellen Demokraten Keiichiro Asao den Wahlkampf mitorganisiert hat. Reiche Kandidaten oder Kandidaten großer Parteien können ein größeres Team beschäftigen und damit mehr Menschen erreichen. Mehrere zig tausend bis hunderttausend Euro kann eine Wahlkreiskampagne verschlingen.

Der Oberhausabgeordnete Asao kann ein Lied davon singen. Heute bewirbt er sich gegen den Willen seiner Partei um einen Sitz im einflussreicheren Unterhaus und wurde dafür aus der Partei geworfen. Anders als bei der letzten Wahl muss er als Mitglied der Splitterpartei „Minna no to“ (Partei für alle) die Wahlkampfkosten selber berappen.

In seiner Not hat er das Internet entdeckt. Bis Montag konnte er mit wenig Aufwand mehr Menschen in seinem Wahlkreis in der Präfektur Kanagawa erreichen als mit den teuren Postern und Flugblättern. Jeden Auftritt übertrug der 45-jährige Politiker per Video live im Internet und tippte auf seinem iPhone zig kurze Twitter-Nachrichten pro Tag. „Ich habe vor zwei Wochen mit dem Twittern angefangen und schon 2000 Menschen, die meine Nachrichten verfolgen“, sagt er. Doch nun hat er ausgetwittert.

Auch die großen Parteien stöhnen inzwischen über das Gesetz. Sie können zwar ihre Internetseiten updaten. „Aber wir müssen sehr aufpassen, die Regeln nicht zu verletzen“, sagt ein Mitglied des Wahlkampfteams der Demokraten. Die Demokraten setzen sich bereits seit Jahren vehement dafür ein, Internetwahlkampf zuzulassen.

Wahrscheinlich können sie ihre Forderung bald umsetzen. Laut Meinungsumfragen könnten sie den seit 1955 fast ununterbrochen regierenden Liberaldemokraten eine historische Niederlage zufügen. Dann hätte bei der nächsten Wahl auch ein japanischer Obama die Chance, die Wähler zu begeistern.