Weltweit suchen Stahlhersteller nach Lösungen im Umgang mit den neuen Erzverträgen. „Ich frage alle: Was können wir tun?“, sagte gestern etwa Lakshmi Mittal, Chef des größten Stahlkonzerns ArcelorMittal. Eine Antwort gebe es noch nicht, sondern wohl erst im nächsten Jahr, erwartet er: „Das System wurde ja gerade erst verkündet, und auch die Eisenerzanbieter lernen noch dazu.“
Die Verkürzung der Laufzeiten von Eisenerzverträgen von einem Jahr auf drei Monate stellt die Stahlbranche vor große Probleme. Denn ein Großteil der Kunden ist seinerseits nicht dazu bereit, die Laufzeiten zu verkürzen. So bleiben die Stahlhersteller künftig auf den höheren Rohstoffkosten sitzen, wenn diese von Quartal zu Quartal steigen.
„Bei einem Bauprojekt, das über mehrere Jahre geht, muss man einschätzen können, wie teuer das Rohmaterial ist“, argumentierte Ian Christmas, Generaldirektor des Weltstahlverbands. Auch die Autoindustrie plant ihre Produktion in langen Zyklen und steht daher kurzfristigen – vielleicht sogar durch Spekulation verstärkten – Preissprüngen extrem ablehnend gegenüber.
Die Stahlindustrie würde daher liebend gern zum alten System der Jahresverträge zurückkehren und versucht die Minenbetreiber zurzeit davon zu überzeugen, dass Volatilität allen schadet. Rohstoffkonzerne wie BHP Billiton liebäugeln hingegen sogar mit einer weiteren Verkürzung der Laufzeit auf einen Monat.
Das Ergebnis des Fingerhakelns zwischen Stahl- und Minenkonzernen sei noch nicht abzusehen, sagen Stahlmanager. Ein wichtiges Indiz wird aber sein, wie Mittal sich verhält. „Wir werden machen, was der Marktführer macht“, sagte etwa der Chef des zweitgrößten deutschen Stahlkonzerns Salzgitter, Wolfgang Leese. Faktisch jedoch kontrollieren die drei größten Minenkonzerne 70 Prozent des globalen Erzhandels.
Eine große Sorge der Stahlkonzerne ist, dass die Banken mit Finanzinstrumenten in den Markt springen, sagte Stahllobbyist Christmas. Auf der einen Seite könne man zwar argumentieren, dass damit das Risiko abgesichert werde. „Aber die Industrie befürchtet, dass die Börsen als Spielkasinos und nicht zum Hedgen von Risiken genutzt werden“, so Christmas.
Alternativen wie der Einstieg in Minenprojekte stehen nicht jedem Unternehmen offen. Salzgitter hat die Idee beispielsweise eingemottet: „Wir haben nicht die Finanzkraft, so etwas zu machen“, so Leese.
Gleichzeitig stoßen die Stahlhersteller an Grenzen, die höheren Rohstoffkosten durchzureichen. „Die Preiserhöhungen konnten wir nicht komplett weitergeben“, sagte der Stahlvorstand bei Salzgitter, Johannes Nonn. Ähnliche Erfahrungen machten auch die Stahlkonzerne in Japan.
Zwar rechnen Analysten damit, dass die Rohstoffpreise in der zweiten Jahreshälfte nachgeben und die Hersteller davon profitieren könnten. Salzgitter-Chef Leese hält das zwar für zu optimistisch. Dennoch werde sein Unternehmen „dieses Jahr mit einem blauen Auge davonkommen“: Er erwarte weiterhin ein ausgeglichenes Ergebnis.
Ein weiteres Rohstoffproblem droht von anderer Seite: Die Stahlhersteller kämpfen mit einer Verschlechterung der Koksqualität. „Die fette Kokskohle ist recht knapp, und nach Vorhersagen wird die Lage angespannt bleiben“, sagte Nonn.
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