Sonntag, 10. Oktober 2010

Das Roboter-Manifest, Teil 2: Googles Roboter-Auto und meine Roboter-Timeline

Übers Wochenende haben sich die Meldungen über Roboter-Autos überschlagen. Erst steuert "Leonie" durch Braunschweig, dann das Google-Roboterauto durch Kalifornien
In dem Bild-Artikel geht der Forscher Sebastian Thrun davon aus, dass richtige "Automobile", also wirklich selbst fahrende Wagen, in den kommenden acht Jahren fertig entwickelt werden könnten. 

In meinem Roboter-Manifest auf Technology Review habe ich bereits im Mai eine ähnliche Vorhersage gemacht (die allerdings von den Redakteuren etwas gekürzt wurde.
Hier ist sie in voller Länge:

Das Roboter-Manifest 
2010 Medizinsortierroboter etc werden für Krankenhäuser eingeführt, der Verkauf von Cyberdynes Roboteranzug HAL beginnt ernsthaft. Und Daimler lässt einige fahrerischen Testroutinen seiner Luxuslimousinen durch Roboterfahrer ausführen.

2011 Tokyo Motor Show. Japans Hersteller werden mit einer Reihe marktreifer Mobilitätskonzepte zu überraschen versuchen, die auf Robotertechniken basieren. 
Kleine Ein-Personen-Renner wie Toyotas rasender Sessel ("i-Real") zum Beispiel, der auf Zuruf herbeikommen und beim Ausflug neben anderen Personen herfahren kann. Außerdem: autonome Rollstühle. 
Damit zeichnet sich ab, was sich Ende des Jahrzehnts bestätigen wird: Aus naheliegenden Gründen wird die Autoindustrie neben Fabriken und Pflegeeinrichtungen zur treibenden Kraft der Roboterisierung. 
Die Hersteller haben in den vergangenen 20 Jahren schon so viele Sensoren zur Wahrnehmung der Umwelt in Autos eingebaut, dass der Schritt zum wahren Automobil, dem Auto mit Roboterchauffeur, zwangsläufig ist. Außerdem rücken die ersten Roboter in der Industrie aus ihren Käfigen neben den Menschen ans Fließband oder die Werkbank vor. Noch beliebter ist allerdings die Ausstattung von Werkzeugen/Maschinen mit Robotertechniken.

2012 ist der Meilenstein für Partner- und Pflegeroboter. 
Die Industrie hat sich auf Sicherheitsstandards und versicherungstechnische Regeln für den Einsatz autonomer und halbautonomer Roboter unter Menschen geeinigt. Und prompt kommen die ersten Pflegeroboter in größeren Stückzahlen auf den Markt. Panasonics Roboterbett zum Beispiel, das sich von einem Bett in einen Rollstuhl verwandeln kann und so bettlägerigen Menschen eigenständige Mobilität erlaubt, wird mit unter 10.000 Dollar im Vergleich zu anderen Hightech-Krankenhausbetten gar nicht mal so teuer sein.

Außerdem: Das japanische Forschungsinstitut Riken stellt eine Weiterentwicklung seiner Gedankensteuerung von Rollstühlen vor. Die Fahrer müssen keine Haube mit zahlreichen Kontaktkabeln mehr tragen, eine fesche Baseballkappe mit wenigen Sensoren reicht. Damit eröffnen sich ganz neue Perspektiven für die Mensch-Maschine-Kommunikation. "In fünf Jahren werden wir die Sensoren im Brillenbügel unterbringen können", verspricht ein Forscher.

Bis 2013 dürfte die Roboterindustrie eine wahre Partnerroboterexplosion erleben. Denn durch jahrelange kollektive Forschung auf offenen Entwicklungsplattformen haben die notwendigen Sensor- und Mapping-Techniken endlich ein kommerzielles Niveau erreicht. Diese Form der simplen Helfer ist beliebt, weil Patienten dann für einfache Handreichungen nicht mehr das Pflegepersonal rufen müssen. Merke: Menschen wollen anderen nicht zur Last fallen.

Als Hitprodukte können sich jedoch zwei eher spielerische Anwendungen herausstellen. Da sind zum einen Stofftiere wie Fujitsus freundliche Roboter, denen für komplexe Aufgaben wie Sprach- und Gesichtserkennung durch die schnurlose Verbindung zum Internet die Rechenpower großer Server zur Verfügung steht. Sie sind besonders beliebt bei Kindern und Senioren als Kommunikations- und Vorleseroboter.

Zum anderen bringen Spielzeughersteller halbautonome Roboter auf den Markt, die sich über die Full-Body-Steuerung von Spielekonsolen steuern lassen. Besonders beliebt in Japan könnten dann Wettkämpfe zwischen 50 Zentimetern hohen Gundam-Robotern werden. Ein (koreanischer) Hersteller wird das Spektrum zusätzlich mit der Idee erweitern, über das Internet in weit entfernte rollende Roboter zu "schlüpfen", ohne körperlich vor Ort zu sein.

Der Partyhit 2014: telekontrollierte Roboterhände, die an einer rollbaren Säule angebracht sind. Laut der Werbung sollen die noch recht plumpen und teuren Hände getrennten Liebhabern zum Fernstreicheln dienen. In der Realität werden sie allerdings häufiger in Restaurants und auf Partys als Stimmungskanonen eingesetzt, mit der Gäste andere Gäste mehr oder weniger unsittlich betatschen können. Komischerweise finden die Leute dies weitaus lustiger als Berührungen durch eine richtige Hand. 

Außerdem möglich: Cyborgs! Roboterprothesen kommen immer mehr in Mode, nachdem Cyberdine nicht nur anschnallbare Exoskelette für Beine und Arme entwickelt hat, sondern auch richtigen Bein- und Handersatz. Die Patienten mögen die Prothesen, da sie auf nichtinvasiver Technik beruhen. Sie können Bewegungsintention ihrer Träger über die Haut ablesen und benötigen daher keinen operativen Eingriff.

Für 2015 sage ich auf der Tokyo Motorshow erste Vorschläge für wahre Automobile voraus – kleine Elektroautos mit Roboterchauffeur. Die Idee ist, sie als einfach abrufbare Taxis im Straßenverkehr einzusetzen. Zwei Methoden sind heute schon im Gespräch: einmal das vollautonome Auto, das ohne menschlichen Fahrer auskommt, zum anderen die halbautonome Droschke, die selbsttätig zum Kunden fährt und sich auf Handbetrieb umschalten lässt. "Ich wäre sehr enttäuscht, wenn wir die ersten Modelle nicht bis Ende des Jahrzehnts auf die Straße brächten", sagt der Chef eines japanischen Autobauers. Damit zeichnet sich eine Revolution der Autogesellschaft ab. Immer weniger Menschen werden noch Autos selbst besitzen, weil sie individuelle Automobilität immer und überall parat haben.

2016 ist ein wenig enttäuschend. Es gibt keine Bahn brechenden Neuerungen, vielmehr wird bestehendes verbessert und vor allem verbilligt. Aber es ist wie beim Internet und der digitalen Fotografiererei. Die Entwicklung schreitet langsam in Riesenschritten voran, und ehe wir uns versehen, hat eine Revolution stattgefunden.

Für etwas Aufsehen sorgt die erste Ro-Butler Weltmeisterschaft. Die Diener müssen einen harten Zehnkampf bewältigen: Erkennnung und Ausführung von Sprachbefehlen, Gesichts-, Mimik- und Stimmungserkennung, autonomes Mapping einer neuen Umgebung inklusive Erkennung der Funktion von Geräten und Einrichtungsgegenständen, unter einer Minute Wasser aus dem Kühlschrank holen und servieren, ein Toast toasten und servieren, abdecken, Geschirr in die Spülmaschine räumen, vorlesen, Fähigkeiten der Außenverbindung und Informationsaufbereitung (Display oder Projektor) unter Beweis stellen – und als ultimative Herausforderung Schinken mit Spiegelei zubereiten und heil servieren (das Eigelb muss noch halbweich sein).

2017 überrascht ein chinesischer Hersteller mit der Praxisdemo eines Roboterautos. Das sieht schon sehr gut aus, aber selbst die Chinesen scheuen sich noch, das Gefährt in freier Wildbahn einzusetzen. „Das könnten wir vielleicht in Japan wagen, wo die Fahrer gesittet fahren, hier in China ist der Verkehr noch immer viel zu rabiat und chaotisch“, sagt ein Ingenieur.

2018 ziehen auch die Japaner mit Prototypen nach. 

Die ersten Modelle werden für 2019 versprochen und auch ausgeliefert. Aber sie werden noch nicht so schnell das Straßenbild bestimmen, denn der Ersatz des Taxi und vor allem individuellen Autobestands wird Jahre in Anspruch nehmen. Auf den humanoiden Alleskönner musst du allerdings noch eine Weile warten, sagt das Orakel.

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