Südkoreas Hauptstadt Seoul ist im Gipfelfieber. Um den Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) ab Donnerstag ein störungsfreies zweitägiges Gipfeltreffen zu garantieren, hat die Regierung nicht weniger als 50000 Polizisten und 10000 Soldaten mobilisiert. Das sind doppelt so viele Sicherheitskräfte wie auf dem vorigen G-20-Gipfel in Toronto.
Bei dieser bewehrten Gastfreundschaft werden die Medien voraussichtlich wenig Gelegenheit erhalten, über Randale auf den Straßen zu berichten. Stattdessen wird sich der Fokus auf die Tagesordnung des ersten G-20-Gipfels in Asien richten. Und die selbst gesteckten Ansprüche sind hoch.
Die Teilnehmer wollen die G-20 „als höchstes Forum unserer globalen wirtschaftlichen Kooperation“ nutzen, sagte der britische Premierminister David Cameron. Und der Gastgeber, Südkoreas Präsident Lee Myung-bak, forderte forsch, „die bisher getroffene Vereinbarungen in konkretes Handeln umzusetzen." Offensichtlich will sich Südkorea, das als erster Staat außerhalb der führenden sieben Industrienationen ein derart wichtiges globales Ereignis organisiert, sich als diplomatische Macht darstellen.
Die Tagesordnung ist dementsprechend ambitioniert: Vor allem soll eine globale Wachstumsstrategie mit länderspezifischen Zielen festgelegt werden, damit die Welt künftig ausgeglichener und krisenfreier wachsen kann. Ein wichtiger Punkt ist das Versprechen hochverschuldeter Industrieländer, mit der Sanierung ihrer Haushalte zu beginnen.
Verstärkte Regulierung des Finanzmarkts, der Ausbau eines globalen Finanznetzes und die Reform des Internationalen Währungsfonds runden sie ab. So wird der Machtzuwachs Chinas im internationalen Währungsfonds abgesegnet werden. Nach Stimmanteilen wird China künftig Deutschland als drittwichtigstes Land ablösen.
Zudem will Lee sich ein bleibendes Denkmal setzen und einen Aktionsplan zur wirtschaftlichen Entwicklung der ärmsten Länder der Welt ins Leben rufen. Südkorea, das nach dem Krieg in bisheriger Rekordzeit vom Bauernstaat zur Industriegroßmacht aufgestiegen ist, will dabei mit seinen Erfahrungen als „Brücke“ zwischen armen und reichen Ländern wirken, so ein südkoreanischer Diplomat.
Mit besonderer Spannung wird allerdings erwartet, ob die Staatschefs hinter verschlossenen Türen die USA für die jüngste Dollarschwemme kritisieren werden. Die US-Notenbank hat kürzlich als Konjunkturmaßnahme beschlossen, durch den Kauf von US-Staatsanleihen 600 Mrd. frisch gepresste Dollar in die Wirtschaft zu pumpen.
Bereits am vergangenen Wochenende blies US-Finanzminister Timothy Geithner auf dem Finanzministertreffen des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums (Apec), das den Apec-Gipfel am kommenden Wochenende vorbereitet hatte, der Wind ins Gesicht. Offen sorgten sich Asiens Schwellenländer, dass die Dollarflut mangels Kreditnachfrage in den USA in andere Staaten schwappen und dort Spekulationsblasen wie Währungsschwankungen auslösen könnte.
Damit ist der Unmut noch nicht vom Tisch. China erneuerte diese Kritik gestern. Die Weltbank riet kleineren Staaten sogar dazu, punktuell Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, um eine Destabilisierung ihrer Volkswirtschaften und Währungen zu verhindern.
Angesichts dem globalen Unbehagen mit der US-Politik dürften allerdings auch die radikalen Forderungen Geithners für den Abbau der Handelsungleichwichte vom Tisch sein. Er hatte kürzlich laut darüber nachgedacht, ein negatives oder positives Handelsbilanzsaldo von 4 Prozent des Bruttoninlandsprodukts als globales handels- wie währungspolitisches Ziel anzuvisieren. Bereits nach der Apec-Tagung sagte er allerdings, er strebe keine spezifischen Zielvorgaben an.
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