Dienstag, 8. September 2009

Aus der FTD: Japans Führung will Kungelei beenden

Japans designierter Ministerpräsident Yukio Hatoyama hat die Schlüsselposten in Kabinett und Partei mit alten Weggefährten besetzt. Der bisherige stellvertretende Parteichef Naoto Kan wird Vizepremier und Staatsminister für das Büro für nationale Strategie, das für die Durchsetzung der politischen Agenda der Demokratischen Partei Japans (DPJ) zuständig sein wird. Sein zweiter Stellvertreter Ichiro Ozawa soll künftig als DPJ-Generalsekretär die Fraktion auf Kurs halten und die Oberhauswahlen im Sommer 2010 vorbereiten.

Damit setzt das mächtige Führungstrio der Demokraten seine eingespielte Kooperation auch in der Regierung fort. Hatoyama und Kan haben 1996 die Demokraten gegründet und mitgeführt. Ozawa ist zwar erst 2003 zur Partei gestoßen, hat sich aber als Architekt der Wahlsiege in den Oberhauswahlen 2007 und den Unterhauswahlen am 30. August eine Führungsrolle gesichert. Die Umsetzung des ehrgeizigen Reformprogramms der Demokraten wird davon abhängen, ob Hatoyama den Zweckbund zusammenhalten kann.

Die Herausforderung ist enorm, schließlich hat sich die DPJ eine Umwälzung des politischen Systems vorgenommen. Anstelle der mächtigen Zentralministerien sollen in Zukunft die Volksvertreter die Leitlinien der Regierungspolitik und vor allem des Staatsbudgets setzen. Dazu wollen die Demokraten die bisherige komplizierte Kungelei zwischen Bürokratie und den als Lobbyisten handelnden Parteibonzen der abgewählten Liberaldemokratischen Partei (LDP) durch eine klare Top-down-Struktur ersetzen. Die wichtigsten Entscheidungen sollen im Kabinett getroffen, von der Fraktion abgesegnet und von den Beamten umgesetzt werden. Als Vorbild gilt vielen Beobachtern die britische Demokratie mit ihrer „gewählten Diktatur“.

Das Scharnier zwischen Kabinett und Beamtenschaft ist das Amt für nationale Strategie. Es ist für die Haushaltsrahmenplanung, die Kontrolle der Ministerien und die Koordination der 100 Parlamentarier zuständig, die die DPJ in die Ministerien senden will. Als Chef des Amtes ist Kan eine natürliche Wahl. Der 62-jährige, aus der linken Bürgerbewegung stammende Politiker hat Regierungserfahrung. 1996 erwarb er sich Respekt als Gesundheitsminister durch seine Aufklärung eines Skandals um HIV-verseuchte Blutkonserven. Seine Konfliktbereitschaft gilt als vorteilhaft.

Noch entscheidender für die Zukunft könnte aber Ozawa als Generalsekretär werden. Der 67-jährige Vollblutpolitiker gilt als Sollbruchstelle der DPJ. Durch seine wechselreiche Karriere, die ihn von der LDP über diverse kleine Parteien in die DPJ führte, hat er sich den Ruf eines Koalitions- und Parteienzerstörers erworben. Es wäre der „Todeskuss“ für die DPJ, wenn er seine große Macht wie in der Vergangenheit nutzen würde, um der heimliche Herrscher zu sein, warnt der Japan-Experte Gerald Curtis, Politikprofessor der Columbia-Universität.

Unterstellt er sich allerdings mannschaftsdienlich dem Kabinett, könnte er als Einpeitscher die von 113 auf 308 Sitze angeschwollene, von Sozialisten bis zu bürgerlich-konservativen aufgespannte Unterhausfraktion auf Kurs halten, meint der politische Kommentator Tobias Harris. Fraktionsdisziplin wäre indes ein Novum für eine japanische Regierungspartei. Öffentliche Querschüsse einzelner Politiker waren bislang ein Markenzeichen der LDP. So laufen in Japan auch schon die Wetten über Ozawas Handeln und die Überlebenschancen der DPJ.

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