Der G20-Gipfel hat am Donnerstag für Gastgeber Südkorea mit einer Niederlage begonnen, die zum Sinnbild für das Treffen der Staats- und Regierungschef der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer werden könnte. Die bilateralen Verhandlungen mit den USA über die Ratifizierung der bereits 2007 beschlossenen Freihandelszone sind vorerst geplatzt. Sie sollen im kommenden Jahr fortgesetzt werde.
Auch auf dem wichtigsten Forum der Welt scheint es immer schwieriger zu werden, an einer neuen, abgestimmten Wachstumsstrategie für die Welt zu zimmern. Stattdessen streiten sich die G-20 über das Management von Handelsungleichgewichten und Wechselkursen. Die Diskussionen im Vorfeld des Gipfels seien bereits so hitzig geführt worden, dass man die Türen habe öffnen müssen, witzelte ein südkoreanischer Verhandlungsführer.
Für Reibung sorgen vor allem die Konjunkturpolitik der USA und die harschen Forderungen von US-Finanzminister Timothy Geithner zur Beschränkung der Handelsungleichgewichte. Die US-Notenbank hatte kürzlich angekündigt, durch den Kauf von US-Staatsanleihen 600 Mrd. frisch gedruckte Dollar in die Wirtschaft zu pumpen. Gleichzeitig hatte Geithner verbindliche Zielgrössen für Überschüsse oder Defizite in Leistungsbilanzen der Länder gefordert.
Wie US-Präsident Barack Obama in einem Brief an die G-20 ausführte, erwarten die USA von Ländern mit hohen Überschüssen wie die Deutschland, China oder Japan, ihre Importe zu erhöhen und Exporte zu senken, um so die Abhängigkeit der Welt von den USA als Absatzmarkt zu verringern. „Wenn alle Nationen ihren Teil beitragen – die aufstrebenden nicht weniger als die entwickelten, die mit Überschuss wie die mit einem Defizit – dann werden wir alle von höherem Wachstum profitieren“, so Obama.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gab Obama auf dem Gipfel der Konzernchefs eine klare Abfuhr. Politisch festgelegte Zielkorridore seien "weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen" und widersprächen dem freien Welthandel, so Merkel.
Andere Länder werfen den wiederum USA offen vor, mit der Dollarschwemme gezielt den Dollar zu schwächen und durch den massiven Kapitalexport Spekulationsblasen wie Währungskrisen in Schwellenländern zu befeuern.
Auch auf Obamas 80-minütigen Treffen mit Chinas Staatschef Hu Jintao ging es „grösstenteils“ um Wechselkurse, so Robert Gibbs, der Sprecher des Weissen Hauses. Die USA fordern von China, die Landeswährung Yuan steigen zu lassen, um Chinas Leistungsbilanzüberschuss mit den USA zu senken. Hu wiederholte gestern öffentlich, dies allerdings nur schrittweise und langsam tun zu wollen.
Chinas Kreditbewertungsagentur hatte sich überdies diese Woche die Spitze erlaubt, die Bonität der USA herabzustufen. Obama sah sich angesichts der Kritik bemüssigt, sich auf einer Pressekonferenz zu rechtfertigen: „Das wichtigste, dass die USA für die Weltwirtschaft tun kann, ist zu wachsen.“
Viele exportorientierte Ländern und vor allem globale Konzerne sind daher besorgt, dass die Tendenz zu Währungskriegen und Protektionismus weltweit weiter zunehmen könnte, wenn es in wichtigen Fragen keine Fortschritte geben würde. Neben den Währungs- und Handelsfragen stehen noch die globale Wirtschaftspolitik mit konkreten wirtschaftspolitischen Empfehlungen für die Länder, inklusive der Sanierung der Staatshaushalte auf der Tagesordnung.
Die Industrieländer haben versprochen, ihre Etatdefizite bis 2013 zu halbieren. Indiens Premier Manmohan Singh will die G-20 am Freitag in seiner Rede daran erinnern. Doch schon heute fragen sich Experten, wie die USA ihr Versprechen angesichts des riesigen Defizits von 1300 Mrd. Dollar halten können.
Angesichts dieser Stimmung rechnen Beobachter vor Ort damit, dass nur einfache Punkte wie die neuen Richtlinien zu Bankenregulierung (Basel III) oder die Reform des Internationalen Währungsfonds, die China mehr Macht gibt, durchgewunken werden. Chancen auf eine Lösung der Streitpunkte sehen sie kaum. „Es wird sehr schwer, Kompromisse zu finden“, sagt in Südkorea Peter Wahl, Gründer und Beirat der Bürgerrechtsgruppe Attac Deutschland.