Montag, 17. August 2009

In der FTD: Japans Opposition bündelt ihre Kräfte

Kurz vor den Unterhauswahlen sieht Japans regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) bereits so gut wie erledigt aus. In Meinungsumfragen hinkt sie der größten Oppositionspartei, den Demokraten, mit großem Abstand hinter her. Doch die Opposition will nichts dem Zufall überlassen, wie ich am Montag in der Financial Times Deutschland beschrieben habe.

"Japans Opposition bündelt ihre Kräfte
Drei Parteien planen gemeinsame Koalition · Erstmals seit 1955 ernst zu nehmender Gegner für Regierungspartei

Vor der Parlamentswahl in Japan haben sich drei Oppositionsparteien zu einer gemeinsamen Wahlkampfplattform zusammengeschlossen. Sie soll als Basis für eine spätere Koalition zwischen der großen Demokratischen Partei Japans (DPJ) sowie zwei Splitterparteien, den linken Sozialdemokraten und der rechten Neuen Volkspartei, dienen.

Mit der ungewöhnlichen Blockbildung erhöht die Opposition ihre Chance, die seit 1955 fast ununterbrochen regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) in den Unterhauswahlen am 30. August abzulösen. Zwar führen die Demokraten in Meinungsumfragen mit großem Abstand vor der LDP. Durch einen Stimmenpakt mit ihrem Koalitionspartner, der Neuen Gerechtigkeitspartei, hält die LDP das Ergebnis in vielen Wahlkreisen aber noch offen.

Japan steht damit vor einer historischen Abstimmung. „Erstmals haben die Wähler eine Wahl“, brachte der Gouverneur der Präfektur Miyazaki, der ehemalige Komiker Hideo Higashikokubaru, die Stimmung auf den Punkt. Denn Japans bisheriges System aus einer großen Regierungspartei und einer chancenlosen, zersplitterten Opposition entwickelt sich in Richtung eines Zweiparteiensystems. Auf der einen Seite steht dabei die Mitte-rechts-Partei LDP, auf der anderen die Links-Mitte-Partei DPJ. Die könnte Beobachtern zufolge eine absolute Mehrheit im Unterhaus erlangen, braucht aber Partner, um auch im Oberhaus eine Mehrheit zu haben.

Die Möglichkeit eines dauerhaften Regierungswechsels ist für Japan ein Novum. Bis vor wenigen Jahren hatte die LDP keinen ebenbürtigen Gegner. Politik und Bürokratie sind daher stark verfilzt. Die Partei geriet zwar bereits 1993 einmal nach einer verlorenen Wahl in die Opposition. Aber die Koalition der Sieger zerbrach schnell, und die LDP kehrte an die Macht zurück.

Die 1996 gegründete DPJ hat sich als robuster als alle bisherigen Oppositionsparteien erwiesen. Selbst die Niederlagen in den Unterhauswahlen 2003 und 2005 konnten den aus Sozialisten und Ex-LDPlern zusammengewürfelten Haufen nicht spalten. „Die DPJ hat damit eine Schwelle überschritten, und viele Wähler halten sie jetzt für wählbar“, sagte der Analyst und Japan-Experte Tobias Harris.

Mit Spannung verfolgen die Japaner den Zweikampf zwischen DPJ-Chef Yukio Hatoyama und Regierungschef Taro Aso. Hatoyama ist in der Offensive. Er beschwört ein „revolutionäres Rennen“. Er verspricht unter anderem, seine DPJ werde durchsetzen, dass wichtige Entscheidungen von gewählten Volksvertretern getroffen werden und nicht mehr von mächtigen Beamten in den Ministerien selbst.

„Die LDP ist nur noch ein Anhängsel der Bürokraten“, sagt Stephen Church, Volkswirt von Japaninvest. „Wenn die DPJ ihre Politik erfolgreich umsetzen kann, wäre das ein radikaler Wandel.“

Darüber hinaus lockt die DPJ die Wähler mit Wahlgeschenken: Das Kindergeld soll erhöht, die Autobahngebühren abgeschafft und die Umsatzsteuer in den kommenden vier Jahren nicht angehoben werden. Diesen Punkten haben sich die Sozialdemokraten und die Neue Volkspartei gern angeschlossen.

Viele politische Schwergewichte in Japan setzen offen auf die DPJ als Sieger. Die kürzlich vom abtrünnigen LDP-Spitzenpolitiker Yoshimi Watanabe gegründete „Minna no to“ („Die Partei für alle“) hat sich vorige Woche auf die DPJ als Koalitionspartner festgelegt. Die in der Präfektur Niigata beliebte ehemalige LDP-Politikerin Makiko Tanaka ist am Wochenende sogar der DPJ beigetreten.

Um sich aus der Defensive zu befreien, greift die LDP den Herausforderer für japanische Verhältnisse ungewöhnlich aggressiv mit einer Angstkampagne an. Einige Politiker verstiegen sich zu der Warnung, die DPJ werde das Land in den Ruin treiben. LDP-Generalsekretär Hiroyuki Hosoda entschuldigte sich fast dafür: „Wir wollen keine negative Kampagne führen, aber wir müssen doch die Probleme im rosigen Bild der DPJ aufzeigen.“

Bisher hat es der LDP nicht geholfen. Die DPJ hält in allen Umfragen ihren hohen Vorsprung.

Doch japanische Kommentatoren wie Atsuo Ito, der seit 1973 mehreren Parteien als Topberater diente, warnen davor, schon jetzt von einem sicheren Wahlsieg der DPJ auszugehen. Japans Wähler seien sehr emotional und beeinflussbar. „Der Wind kann ganz schnell umschlagen“, sagt Ito."

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