Donnerstag, 14. Januar 2010

Google vs. China – Das Internet ist nicht per se demokratisch

Nach Googles Rückzug aus China kann endlich einer der hartnäckigsten Mythen über das Internet begraben werden: Das Internet ist nicht inhärent demokratisch. Zu Anfang mag es den Anschein gegeben haben, weil den Staaten vielleicht die Technik, aber vor allem der politischen Wille zur Überwachung und Unterdrückung der virtuellen Welt fehlte. Aber wie Chinas Regierung in den letzten Jahren gezeigt hat, kann das Internet nicht nur kontrolliert, sondern sogar zum Instrument der Diktatur gemacht werden. Wahrscheinlich funktioniert die Überwachung vermeintlich subversiver Elemente nun sogar wirkungsvoller denn je, die notwendige Skrupellosigkeit seitens der Staatsmacht vorausgesetzt.

Mitlesen, Bewegungen im Internet zu verfolgen, Profile erstellen ist sogar einfacher möglich, als es zu Zeiten des analogen Zeitalters war, als man beispielsweise noch die Wohnung aufbrechen musste, um an die privaten Notizen zu gelangen. Auch lassen sich Internetseiten inzwischen recht wirkungsvoll blocken. Ich konnte selbst meinen eigenen Blog und Facebook nicht lesen, als ich in China war, weil anscheinend Blogger.com unter Generalverdacht steht. 

Selbst die Tatsache, dass es in China Mittel und Wege gibt, Kontrollen zu umgehen und Nachrichten zu verbreiten, unterstützt das Internet-ist-demokratisch-Argument meines Erachtens nicht. Erstens gibt es in Diktaturen immer Widerstand und Risse in der Überwachung – in Nordkorea mögen sie kleiner sein, doch selbst da gibt es sie. 

Zweitens geht es nicht um eine Vollkontrolle, die ist in China wegen der Menschenmasse und der vielen Außenkontakte seiner Bürger ohnehin nicht möglich. Aber die chinesische Geheimpolizei weiß vermutlich recht genau, wer die Menschen sind, die der Staat als Feinde definiert hat. Bei Bedarf können mögliche Aufrührer einkassiert und weggeschlossen werden. 

Außerdem hat die Staatsmacht gelernt, dass sich das Internet, besonders in seiner mobilen Form über das Handy, bei Gefahr im Verzug wortwörtlich und ganz real ausschalten lässt. Ohne Netz kann sich der Feind auch nicht mehr vernetzen. Und der Staat gewinnt Zeit zur Schadensbegrenzung.

Die Schlussfolgerung ist unbequem. Die virtuelle sieht gar nicht so grundverschiedenen von der realen Welt aus. Menschenrechte, Demokratie und – das ich möchte ergänzen – die Herrschaft des Rechts (des Urheberrechts beispielsweise) muss hier wie dort verteidigt oder erkämpft werden. Demokratie wird den Menschen nicht in den Schoß gelegt, auch nicht durch das Internet.

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