Montag, 31. August 2009

Japans Chance auf den Wandel

Japans Wähler haben deutlich gesprochen. Mit überwältigender Mehrheit haben sie der seit zehn Jahren mit den Hufen scharrenden Demokraten endlich den Auftrag zum Wandel erteilt. Das politische System der Nachkriegsgeschichte mit einer regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) und einer schwachen Opposition als Sparringspartner ist vor bei.

Die Höhe des Ergebnisses drückt dabei den riesigen Reformstau aus, den die Demokratische Partei Japans (DPJ) nun auflösen muss. Es ist nichts weniger als eine Generalüberholung. Denn das politische wie wirtschaftliche Geschäftsmodell der Japan AG mit seiner starken Rolle der Zentralministerien und der großen Abhängigkeit von der Exportindustrie begann bereits mit dem Platzen der Aktien- und Immobilienblase 1990 zu versagen.
Der Reformbedarf ist dabei kurioserweise grundsätzlich auch weiten Teilen der konservativen LDP klar. Dies zeigt schon die Tatsache, dass DPJ-Chef Yukio Hatoyama, sein Stellvertreter Ichiro Ozawa und der Generalsekretär Katsuya Okada bis 1993 der LDP angehörten. Außerdem war es die seit 1955 fast ununterbrochen herrschende LDP, die den Bankensektor liberalisierte, unter dem legendären Reformpremier Junichiro Koizumi die Dezentralisierung der hochzentralisierten Staatswesens zum Jahrhundertvorhaben erhob und die Privatisierung der Post begann.
Doch zeigte sich schon zu Koizumis Amtszeit, dass die LDP zu sehr mit Konzernen und der Zentralbürokratie verfilzt ist, um wirklich harte Schnitte durchsetzen zu können. Dies kann Japan sich nur von einer neuen Kraft erhoffen. Das starke Volksmandat gibt der DPJ immerhin eine gute Ausgangsposition für ihren schwierigen Kampf.
Ihre erste Mission ist, die Entscheidung über die Regierungspolitik den Bürokraten zu entringen und in die Hände gewählter Volksvertreter zu legen. Dann muss sie mit leeren Kassen mitten in der Wirtschaftskrise die seit Jahren stagnierende Binnenmarkt wiederbeleben.
An diesen Aufgaben mag die DPJ sehr wohl scheitern. Gewiss jedoch ist, dass Japan nach dieser Wahl nicht mehr zum alten System zurückkehren wird. Wie das neue Japan aussehen wird, weiß niemand. Aber wenn die Geschichte von Revolutionen eines lehrt, dann dies: Es wird kein gradliniger Prozess werden. Japan steht vor spannenden Jahren.

Donnerstag, 27. August 2009

Professor Shimizus Traum von der eAuto-Revolution


Hiroshi Shimizu, Professor der Keio University (zweiter von links), will dem eAuto mit Radnabenmotor zum Durchbruch verhelfen. Wie er das mit seiner am Montag gegründeten Firma SIM-Drive genau vollbringen will, steht in meinem donnerstäglichen Technoblog von Technology Review.
Auf der Pressekonferenz am Montag hatte er seine drei Aufsehen erregendsten eAutos. Mit seinen Modellen wollte Japans eAuto-Pionier die Autoindustrie für den sofortigen Einstieg in den eAuto-Bau begeistern. Doch die Industrie ließ den Erfinder und seine Industrie lange links liegen. Dabei sehen seine Gefährte hübsch aus. Und schnell sind sie auch. Denn seine Philosophie ist, dass eAutos normale Autos im Fahrverhalten schlagen müssen. Und das beste: Alle drei haben eine Straßenzulassung erhalten.
Dies ist der Zweisitzer "Luciole", Baujahr 1997.
Länge: 330 Zentimeter
Breite: 120 Zentimeter
Höhe: 134 Zentimeter
Gewicht: 910 Kilogramm
Reichweite: 130 Kilometer
Batterieleistung: 8,9 kWh/224V
Motorenleistung: 2 mal 36 kW
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
Das Innenleben ist auch schön samtig gestaltet. Durch die hintereinander angeordneten Sitze fühlt man sich allerdings ein bisschen wie im Kampfjet. Nicht sehr kommunikativ. Aber dafür sollte ja kein Motorengebrumm die Konversation stören.

Und nun zum Kaz (Keio Advanced Zero-Emission Vehicle), Baujahr 2001
Kaz war meine erste Begegnung mit Professor Shimizu und einem Elektroauto.
Länge: 670 Zentimeter
Breite: 195 Zentimeter
Höhe: 167,5 Zentimeter
Räder: 8
Sitzplätze: 8
Gewicht: 2980 Kilogramm
Reichweite: 300 Kilometer
Batterieleistung: 55 kWh/315V
Motorenleistung: 8 mal 55 kW
Höchstgeschwindigkeit: 313 km/h

Selbst habe ich die Stretchlimousine nicht durch den Tokioter Stadtverkehr gesteuert. Aber ich habe mich damals chauffieren lassen. Ich erinnere mich, wie beeindruckt ich von der Tour in den schweren Ledersesseln war. Aber ich habe mich gefragt, wo zum Teufel ich das Monstrum parken könnte, wenn ich es mir denn kaufen würde.
Designt wurde das Gefährt übrigens in Italien, falls sich jemand über die von Fiat bekannte Frontparty wundert.

Und nun Shimizus Renner "Eliica", Baujahr 2004.
Länge: 510 Zentimeter
Breite: 190 Zentimeter
Höhe: 136,5 Zentimeter
Räder: 8
Sitzplätze: 4
Gewicht: 2700 Kilogramm
Reichweite: 300 Kilometer (die Reichweitenangaben werden meiner Erfahrung mit dem Mitsubishi I Miev nur bei sanfter Behandlung des "Gaspedals" erreicht. Bei schneller fahrt muss man schnell wieder an die Steckdose)
Batterieleistung: 55kWh/328V
Motorenleistung: 8 mal 75kW
Höchstgeschwindigkeit: 370 km/h

Verdammt schnell. Aber es sieht nicht gerade wie ein marktreifes Produkt aus. Auch nicht von vorne.
Dennoch hoffe ich, dass Shimizus Radnabenmotoren so gut sind wie er behauptet. Denn damit würde der Autobau wirklich revolutioniert. Ich werde mal nachforschen.




Sonntag, 23. August 2009

Ansturm auf Gundam

Am Sonnabend herrschte großer Andrang bei der 18 Meter hohen Statue von "Mobile Suit Gundam". Zum 30-jährigen Geburtstag des legendären Roboteranzugs fand in Tokio-Odaiba eine Mega-Gundam-Party mitsamt Lasershow und Ausstellung im Messegelände Tokyo Big Sight statt.
Und was war es erst für ein Ah und Oh, als Gundam seinen Kopf von links nach rechts und wieder nach links drehte und dabei Wasserdampf abließ. Der Höhepunkt des Entzückens war aber erst erreicht als Gundam seinen Kopf in den Nacken legte und ins Weltall schaute.
Die Begeisterung unterstreicht Gundams herausragende Bedeutung für die Entwicklung der japanischen Roboterindustrie. Fast alle 30- bis 45-jährigen Roboterentwickler, die ich in meiner Zeit in Japan befragt habe, nennen Gundam als einen Hauptgrund für ihr Interesse an der Roboterentwicklung. Die Zeichentrickserie Gundam gab ihnen den Traum, mit Maschineneinsatz die Welt zu verbessern. Dabei ist Gundam kein Roboter, sondern überdimensionierter, weltraumfähiger, mit Waffen bestückter Roboteranzug. In seinem Inneren sitzt ein Teenie und verteidigt roboterverstärkt die Erde gegen feindliche Mächte.


Freitag, 21. August 2009

Ausgetwittert


Ausgerechnet in Japan, der modernsten Internetnation der Welt, ist Online-Wahlkampf so gut wie verboten.

In Japan hätte Barack Obama wohl nie eine Wahl gewonnen. Durch einen gut organisierten Internetwahlkampf hat er in den USA Millionen Menschen als Wähler und Millionen Dollar als Spenden mobilisiert. Die Kandidaten für die japanischen Unterhauswahlen am 30. August hingegen dürfen seit dem offiziellen Wahlkampfbeginn am Dienstag weder twittern, noch bloggen oder gar ihre Internetseiten auf den neuesten Stand bringen. Stattdessen fahren sie wie vor 30 Jahren mit Lautsprecherwagen durch ihre Stadtteile, schütteln Hände, verteilen Flugblätter, kleben Plakate und halten auf Bierkisten stehend Reden vor ein paar Dutzend Passanten.

Schuld daran sind archaische Regeln im 59 Jahre alten Wahlgesetz. Die verbieten, nach Wahlkampfbeginn Materialien zu verändern, die den Namen von Kandidaten tragen, sprich auch Blogs und Internetseiten. Auch die Verteilung von gedruckten Material ist streng reglementiert. So darf jeder Volksvertreter in seinem Wahlkreis 70000 Flugblätter verteilen, die alle einen speziellen Stempel tragen müssen.

„Die Regeln sorgen dafür, dass die Hürde für kleine Parteien und unabhängige Kandidaten sehr hoch gelegt und die regierende Liberaldemokratische Partei bevorteilt wird“, schimpft der Japan-Experte Tobias Harris, der in den Oberhauswahlen im Jahr 2007 für den damaligen Spitzenpolitiker der oppositionellen Demokraten Keiichiro Asao den Wahlkampf mitorganisiert hat. Reiche Kandidaten oder Kandidaten großer Parteien können ein größeres Team beschäftigen und damit mehr Menschen erreichen. Mehrere zig tausend bis hunderttausend Euro kann eine Wahlkreiskampagne verschlingen.

Der Oberhausabgeordnete Asao kann ein Lied davon singen. Heute bewirbt er sich gegen den Willen seiner Partei um einen Sitz im einflussreicheren Unterhaus und wurde dafür aus der Partei geworfen. Anders als bei der letzten Wahl muss er als Mitglied der Splitterpartei „Minna no to“ (Partei für alle) die Wahlkampfkosten selber berappen.

In seiner Not hat er das Internet entdeckt. Bis Montag konnte er mit wenig Aufwand mehr Menschen in seinem Wahlkreis in der Präfektur Kanagawa erreichen als mit den teuren Postern und Flugblättern. Jeden Auftritt übertrug der 45-jährige Politiker per Video live im Internet und tippte auf seinem iPhone zig kurze Twitter-Nachrichten pro Tag. „Ich habe vor zwei Wochen mit dem Twittern angefangen und schon 2000 Menschen, die meine Nachrichten verfolgen“, sagt er. Doch nun hat er ausgetwittert.

Auch die großen Parteien stöhnen inzwischen über das Gesetz. Sie können zwar ihre Internetseiten updaten. „Aber wir müssen sehr aufpassen, die Regeln nicht zu verletzen“, sagt ein Mitglied des Wahlkampfteams der Demokraten. Die Demokraten setzen sich bereits seit Jahren vehement dafür ein, Internetwahlkampf zuzulassen.

Wahrscheinlich können sie ihre Forderung bald umsetzen. Laut Meinungsumfragen könnten sie den seit 1955 fast ununterbrochen regierenden Liberaldemokraten eine historische Niederlage zufügen. Dann hätte bei der nächsten Wahl auch ein japanischer Obama die Chance, die Wähler zu begeistern.

Donnerstag, 20. August 2009

eAuto-"Betankung" in Aktion

Nach dem Test des eAutos "i Miev" von Mitsubishi Motors (MMC) für Technology Review war ein zweiter Teil des Blogs "Vorsicht vor dem eAuto!" fällig. Meine schlimmsten Erwartungen aus dem ersten Teil wurden bestätigt: eAuto fahren macht Spaß, ist rasant und verdammt leise.

Die Testfahrt des eAutos "i Miev" von Mitsubishi Motors ist beendet. Durstig steht es vor der Schnellladestation an Mitsubishis Hauptquartier in Tamachi. Eine Fahrt mit dem eAuto verursacht noch ein komisches Gefühl. Noch ist die Infrastruktur zum Laden der Batterien nicht sehr dünn. Die Angst, mit leerer Batterien liegen zu bleiben, fährt mit. Schließlich kann man nicht einfach mit dem Reservekanister zur Tankstelle gehen, um ein paar Liter Strom zu holen.

Nun zum Ladevorgang. Der Stecker steckt fest in der Halterung. Schließlich arbeitet der Schnelllader mit hoher Spannung. Um den Rüssel zu befreien, muss man zuerst einen kleinen Hebel auf der linken Seite herunter drücken.











Um den Rüssel im Ladestutzen des Autos festzumachen, muss man wie bei der Zapfsäule einer heutigen Tankstelle einen Hebel nachoben ziehen. Doch dann gurgeln nicht etwa der Strom ins Auto. Dazu muss man noch einen Knopf an der Ladestation drücken.
Auf der anderen Seite verfügt der Wagen übrigens über eine weitere Steckdose. Die ist für den Anschluss ans normale Stromnetz. Die Batterie zuhause voll zu laden, dauert eine Nacht. Nissan hat die Steckerdosen für den Schnelllader und den häuslichen Strom in der Motorhaube unter dem Markenzeichen untergebracht. Damit ist der Zugang einfacher.




Mit der Schnellladestation geht es schneller. 22 Minuten dauert es, den Batteriepegel von rund 40 auf 100 Prozent anzuheben. Da hilft nur abwarten und Tee trinken. Bei Licht betrachtet versprechen eAutos also einen genießerischen Lebensstil zu fördern. Autobahnraststätten winken goldene Zeiten.


Dienstag, 18. August 2009

Im Focus: Mozart mobil & Test ein Dual Screen Notebook

Japan ist für witzige Handy-Ideen berühmt. Im jüngsten Focus (34/2009) konnte ich einige Modelle vorführen. Der Hit der Saison ist das Solarzellenhandy von Sharp. Zehn Minuten Sonnenbad reichen für eine Minute telefonieren. In der Zukunft werden diese mobilen Sonnenkollektoren auch in anderen Märkten auf den Markt kommen. Denn Sharp verkauft das Solarzellenmodul an jeden Hersteller, der es haben will. Allerdings halte ich das Sonnenhandy bei diesen lahmen Ladezeiten für wenig mehr als einen Marketinggag.

Mein persönlicher Favorit ist das wahrscheinlich musikalischste Handy der Welt. Das CA001 von Casio kann elf Instrumente simulieren, darunter ein Klavier, eine Harfe, Rasseln oder Trommeln. Bedient werden sie über ein Touchpad, aufnehmen können Möchtegern-Mozarts ihre Ergüsse obendrein. Was das Handy kann, zeigte der Mobilnetzbetreiber AU bereits auf der Ceatec 2008. Damals ließ AU eine Handy-Band auf der Bühne rocken und Orchestermusik spielen.

Darüber hinaus habe ich ein Notebook von Sharp getestet, dessen Touchpad durch einen berührungsempfindlichen Vier-Zoll-Flüssigkristallbildschirm ersetzt wurde. Das Mebius NJ-70A erinnert damit ein bisschen an Nintendos Spielekonsole DS, die sich auch über einen Touchscreen bedienen lässt. Damit können Nutzer nicht nur den Mauszeiger bedienen, sondern auch handschriftliche Notizen schreiben und auf dem großen Bildschirm ablegen, Karten malen, Fotos beschriften, auf einer eingeblendeten Tastatur Klavier spielen oder kegeln.
Besonders praktisch: Viel benutzte Programme können auf dem Bonsai-Bildschirm angezeigt und mit einer leichten Berührung des Fingers geöffnet werden. Hübsch ist, dass sich im Mausmodus wahlweise eine Uhr, ein Kalender oder Fotos als Hintergrund einblenden lassen. Eine interessante Zukunft verspricht die besondere Touchscreen-Technik. Sharp hat als erster Hersteller winzige optische Sensoren ins Display eingebaut, die die Bewegung von bis zu drei Fingerspitzen gleichzeitig wahrnehmen können. Mit der passenden Software versehen könnte der Mini-Bildschirm auch Visitenkarten scannen. Dies hat Sharp bereits auf der Ceatec 2007 vorgeführt. Auch dieses Gimmick dürfte sich bald weltweit in Notebooks wiederfinden. Denn Sharp wird nicht den Mebius global verkaufen, sondern den Touchscreen.


Montag, 17. August 2009

In der FTD: Japans Opposition bündelt ihre Kräfte

Kurz vor den Unterhauswahlen sieht Japans regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) bereits so gut wie erledigt aus. In Meinungsumfragen hinkt sie der größten Oppositionspartei, den Demokraten, mit großem Abstand hinter her. Doch die Opposition will nichts dem Zufall überlassen, wie ich am Montag in der Financial Times Deutschland beschrieben habe.

"Japans Opposition bündelt ihre Kräfte
Drei Parteien planen gemeinsame Koalition · Erstmals seit 1955 ernst zu nehmender Gegner für Regierungspartei

Vor der Parlamentswahl in Japan haben sich drei Oppositionsparteien zu einer gemeinsamen Wahlkampfplattform zusammengeschlossen. Sie soll als Basis für eine spätere Koalition zwischen der großen Demokratischen Partei Japans (DPJ) sowie zwei Splitterparteien, den linken Sozialdemokraten und der rechten Neuen Volkspartei, dienen.

Mit der ungewöhnlichen Blockbildung erhöht die Opposition ihre Chance, die seit 1955 fast ununterbrochen regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) in den Unterhauswahlen am 30. August abzulösen. Zwar führen die Demokraten in Meinungsumfragen mit großem Abstand vor der LDP. Durch einen Stimmenpakt mit ihrem Koalitionspartner, der Neuen Gerechtigkeitspartei, hält die LDP das Ergebnis in vielen Wahlkreisen aber noch offen.

Japan steht damit vor einer historischen Abstimmung. „Erstmals haben die Wähler eine Wahl“, brachte der Gouverneur der Präfektur Miyazaki, der ehemalige Komiker Hideo Higashikokubaru, die Stimmung auf den Punkt. Denn Japans bisheriges System aus einer großen Regierungspartei und einer chancenlosen, zersplitterten Opposition entwickelt sich in Richtung eines Zweiparteiensystems. Auf der einen Seite steht dabei die Mitte-rechts-Partei LDP, auf der anderen die Links-Mitte-Partei DPJ. Die könnte Beobachtern zufolge eine absolute Mehrheit im Unterhaus erlangen, braucht aber Partner, um auch im Oberhaus eine Mehrheit zu haben.

Die Möglichkeit eines dauerhaften Regierungswechsels ist für Japan ein Novum. Bis vor wenigen Jahren hatte die LDP keinen ebenbürtigen Gegner. Politik und Bürokratie sind daher stark verfilzt. Die Partei geriet zwar bereits 1993 einmal nach einer verlorenen Wahl in die Opposition. Aber die Koalition der Sieger zerbrach schnell, und die LDP kehrte an die Macht zurück.

Die 1996 gegründete DPJ hat sich als robuster als alle bisherigen Oppositionsparteien erwiesen. Selbst die Niederlagen in den Unterhauswahlen 2003 und 2005 konnten den aus Sozialisten und Ex-LDPlern zusammengewürfelten Haufen nicht spalten. „Die DPJ hat damit eine Schwelle überschritten, und viele Wähler halten sie jetzt für wählbar“, sagte der Analyst und Japan-Experte Tobias Harris.

Mit Spannung verfolgen die Japaner den Zweikampf zwischen DPJ-Chef Yukio Hatoyama und Regierungschef Taro Aso. Hatoyama ist in der Offensive. Er beschwört ein „revolutionäres Rennen“. Er verspricht unter anderem, seine DPJ werde durchsetzen, dass wichtige Entscheidungen von gewählten Volksvertretern getroffen werden und nicht mehr von mächtigen Beamten in den Ministerien selbst.

„Die LDP ist nur noch ein Anhängsel der Bürokraten“, sagt Stephen Church, Volkswirt von Japaninvest. „Wenn die DPJ ihre Politik erfolgreich umsetzen kann, wäre das ein radikaler Wandel.“

Darüber hinaus lockt die DPJ die Wähler mit Wahlgeschenken: Das Kindergeld soll erhöht, die Autobahngebühren abgeschafft und die Umsatzsteuer in den kommenden vier Jahren nicht angehoben werden. Diesen Punkten haben sich die Sozialdemokraten und die Neue Volkspartei gern angeschlossen.

Viele politische Schwergewichte in Japan setzen offen auf die DPJ als Sieger. Die kürzlich vom abtrünnigen LDP-Spitzenpolitiker Yoshimi Watanabe gegründete „Minna no to“ („Die Partei für alle“) hat sich vorige Woche auf die DPJ als Koalitionspartner festgelegt. Die in der Präfektur Niigata beliebte ehemalige LDP-Politikerin Makiko Tanaka ist am Wochenende sogar der DPJ beigetreten.

Um sich aus der Defensive zu befreien, greift die LDP den Herausforderer für japanische Verhältnisse ungewöhnlich aggressiv mit einer Angstkampagne an. Einige Politiker verstiegen sich zu der Warnung, die DPJ werde das Land in den Ruin treiben. LDP-Generalsekretär Hiroyuki Hosoda entschuldigte sich fast dafür: „Wir wollen keine negative Kampagne führen, aber wir müssen doch die Probleme im rosigen Bild der DPJ aufzeigen.“

Bisher hat es der LDP nicht geholfen. Die DPJ hält in allen Umfragen ihren hohen Vorsprung.

Doch japanische Kommentatoren wie Atsuo Ito, der seit 1973 mehreren Parteien als Topberater diente, warnen davor, schon jetzt von einem sicheren Wahlsieg der DPJ auszugehen. Japans Wähler seien sehr emotional und beeinflussbar. „Der Wind kann ganz schnell umschlagen“, sagt Ito."

Der Retro-Raubtierkapitalismus - Die Wiedergeburt der Rikscha und die Wahlen


Retro hat Konjunktur, auch in Japan. Die Fluggesellschaft ANA hat in Tokios Flughafen Haneda einen Rikscha-Dienst eingeführt. Nach dem Einchecken können Passagiere sich von einem Kuli zum Abfluggate ziehen lassen. Allerdings handelt es sich vorerst nur um einen, auf eine Woche beschränkten Werbegag. Die Fahrten werden verlost.
Die Moral von der Geschichte: In Zeiten rasanten Wandels und tiefer Krise sehnen sich die Menschen offenbar nach der guten, alten, ordentlichen Zeit, als die Menschen noch ihren Platz in der Gesellschaft kannten.
Allerdings weckt diese Zeitreise in Japan auch ungute Gefühle. Denn das wachsende Heer von Vertrags- und Zeitarbeiten macht den Japanern Angst, dass wir uns wieder auf die Vergangenheit zu bewegen, eine Zeit, in der Kapitalisten noch Kapitalisten und Kulis noch Kulis waren.
Seit Jahren wird der Zerfall der Mittelschichtsgesellschaft beklagt. Dies kreidet die Bevölkerung vor allem der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) an.
Japans oppositionelle Demokraten versuchen daher, diese Angst vor dem sozialen Abstieg im laufenden Wahlkampf auszuschlachten. In ihrem Wahlprogramm versprechen sie allerlei Maßnahmen zur Sicherung des Lebensstandards, von einer saftigen Erhöhung des Kindergelds über einer Abschaffung der Autobahngebühren bis zu direkten Einkommenszuschüssen für die Bauern.
Das alte politische Schlachtross Shizuka Kamei von der kleinen Neuen Volkspartei, einem der voraussichtlichen Koalitionspartner der Demokraten, sagte heute, dass die Opposition mit diesen Maßnahmen die Auswüchse der neoliberalen Reformpolitik vom legendären Premierminister Junichiro Koizumi korrigieren wolle. Koizumi habe darauf gesetzt, die Starken stärker und die Schwachen schwächer zu machen. "Koizumis Politik hat Japan gatagata (klapprig) und Japans Regionen karakara (ausgetrocknet) gemacht", so Kamei.
Fotoquelle: ANA

Sonntag, 16. August 2009

Samurai fürs iPhone


Japans Mobilnetzbetreiber Softbank ist Apples iPhone noch nicht japanisch-edel genug. Zwar wird die Rückseite des Handys wie auch des iPods bereits von einer Firma in der Präfektur Niigata auf Hochglanz poliert. Aber dem drittgrößten Handyanbieter der Nation ist das schlichte Schwarz offenbar zu langweilig. Das Unternehmen hat daher am Freitag im Rahmen seiner "Japan Texture"-Reihe eine lackierte Hülle mit Insignien von fünf berühmten Samurai auf den Markt gebracht. Das Quintett besteht aus Oda Nobunaga, Date Masamune, Uesugi Kenshin, Naoe Kanetsugu und Sanada Yukimura. Kostenpunkt 99800 Yen, rund 730 Euro.

Hier ist der Link zur Seite der Kampagne.




Freitag, 14. August 2009

Techno Blog - LED-Lichter auf dem Vormarsch

Jeden Donnerstag läuft bei Technology Review mein Blog über Technik aus Ostasien. Diese Woche ging es um den ersten Vorstoß von LED-Lampen ins Massengeschäft.


"Japans Elektronikkonzerne versuchen, LED-Leuchten in den Markt zu drücken. Die Regale in den Kaufhäusern sind inzwischen gut mit den Lampen gefüllt. Sie haben das Zeug zum Massenschlager.

Nach wochenlangem Kampf bin ich der Versuchung erlegen. Ich habe meine Energiesparlampe am Schreibtisch durch eine noch sparsamere LED-Lampe ersetzt. Bei 7,5 Watt Leistung sollen die LEDs so hell leuchten wie eine 60 Watt-Glühlampe, verspricht die Werbung. Und ich bin etwas überrascht: Das tut sie auch, zum allerdings etwas happigen Preis von rund 4000 Yen (30 Euro). Dafür strahlt das Gerät wirklich nicht mehr punktmäßig wie die ersten LED-Lampen hier in Japan, sondern dank eines stark streuenden Glases so gleichmäßig wie eine Glühbirne. Ein Blick ins Kaufhaus zeigt, dass dies erst der Anfang ist. Die Regale im Techno-Markt Bic Camera quellen inzwischen über mit LED-Lampen. Der aktuelle Held ist eine Neuheit von Sharp, die die oft gegen LED-Licht vorgebrachte Vorstellung widerlegt, dass deren Licht zu kalt sei: eine per Fernbedienung in Helligkeit wie auch Farbton dimmbare LED-Birne. Von kalt zu warm, eine Lampe für alle sozusagen. Kosten: Nochmal doppelt so teure 8000 Yen. ..."

Nach dem Selbstversuch mit dieser "60 Watt"-LED-Birne bin ich davon überzeugt, dass die neuen Leuchten die Schwelle zum Massenmarkt überschritten haben. Zugegeben, die Lampen sind noch sehr teuer, aber dafür sparsam und geben so gut wie keine Hitzestrahlung mehr ab, wie ein Anfasstest bestätigt hat. Mich würde interessieren, wie weit LED-Lampen in Europa bereits in die Kaufhausregale vorgestoßen sind.


Das erste Blog

Japan liegt dem Westen fern. Gerade in Zeiten schrumpfender Werbeetats und damit Seitenumfängen von Zeitungen und Magazinen tun sich kleine Geschichten aus dem entlegenen Inselreich vor den Ufern des eurasischen Kontinents manchmal schwer, es bis in die Print-Ausgaben zu schaffen. Das Internet hingegen bietet Raum, den ich von nun an nutzen werde, Gedanken, Eindrücke, kurze Kommentare, Berichte und Fotos über das Leben in Japan - und gelegentlich den Nachbarländern Korea und China - zu teilen, die die harte Auslese vielleicht nicht überleben würden.
Das Blog wird kunterbunt wie das Leben hier - mit Geschichten von Robotern, Unternehmensbilanzen, Politik und Kultur. Doch genug der Vorrede.